BFH Beschluss v. - IV B 79/06

Keine Zwangsentnahme bei Verpachtung von Betriebsflächen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs an einen Golfclub

Gesetze: EStG § 4 Abs. 1, EStG § 13a Abs. 6

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) sind Eheleute. Sie sind Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes mit einer Größe von 17,7009 ha; davon entfallen 13,7815 ha auf landwirtschaftliche und 3,9149 ha auf forstwirtschaftliche Flächen. Den Gewinn ermittelten die Kläger in den Streitjahren (1995 und 1996) nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Am verpachteten die Kläger insgesamt 10,3412 ha für eine Dauer von 30 Jahren an einen Golfclub.

Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) sah darin eine Entnahme der verpachteten Flächen. Es fehle an dem für gewillkürtes Betriebsvermögen erforderlichen gewissen objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb, wie sich daraus ergebe, dass die verbleibende Land- und Forstwirtschaft weder hinsichtlich der Flächen noch hinsichtlich des Betriebsgewinns und des Wertes überwiege.

Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, eine Nutzungsänderung, durch die ein Wirtschaftsgut zwar seinen Charakter als notwendiges Betriebsvermögen verliere, aber nicht zum notwendigen Privatvermögen werde, führe ohne eindeutige Entnahmehandlung nicht zu einer Entnahme. Sei die Nutzungsänderung irreversibel, z.B. durch Bebauung zu betriebsfremden Zwecken, gelte das zwar nur dann, wenn sie eine Fläche erfasse, die im Vergleich zur Gesamtfläche des Betriebes von geringer Bedeutung sei. Vorliegend sei die Nutzungsänderung jedoch unstreitig nicht irreversibel gewesen.

Mit der dagegen gerichteten Beschwerde beantragt das FA die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in den Urteilen vom IV R 115/91 (BFHE 170, 141, BStBl II 1993, 342) und vom IV R 57/00 (BFHE 200, 236, BStBl II 2003, 16) komme es —nur— bei einem Umfang der künftig anderweitig genutzten Flächen von nicht mehr als 10 % der Gesamtfläche weder auf die einschlägigen Abgrenzungskriterien (Verhältnis der Miet- und Pachteinnahmen zu den land- und forstwirtschaftlichen Einkünften, Relation der Flächen nach Größe und Verkehrswert) noch auf das Gesamtbild der Verhältnisse an. Zu klären sei die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen von einer Entnahme auszugehen sei, wenn ein Land- und Forstwirt große Teile seiner Nutzflächen langfristig zu außerland- und außerforstwirtschaftlichen Zwecken verpachte. Das habe auch grundsätzliche Bedeutung für den Fortbestand der vom BFH bisher getroffenen, auf die Einkunftsart bezogenen Betrachtungsweise (z.B. im , BFHE 137, 32, BStBl II 1983, 106).

Die Kläger sind der Beschwerde entgegengetreten und machen unter Hinweis auf die Senatsbeschlüsse vom IV B 123/02 (juris) und vom IV B 138/98 (BFH/NV 2000, 713) geltend, die Rechtsfrage sei nicht mehr klärungsbedürftig.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Revision ist nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.

1. Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei soll es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig sein muss (vgl. u.a. , BFH/NV 2006, 543, unter 1. der Entscheidungsgründe; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 23, m.w.N.).

Ein im allgemeinen Interesse liegendes Bedürfnis nach Klärung einer Rechtsfrage ist gegeben, wenn sich diese Frage nicht ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt, wenn sie nicht bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist oder neue Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen, so dass Unsicherheit in der Beantwortung der Rechtsfrage besteht (vgl. , BFH/NV 2004, 783; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 28).

2. Die vom FA für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie hinreichend geklärt ist, soweit sie im Streitfall klärungsfähig ist.

a) Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass bisher landwirtschaftlich genutzte Grundstücke bei einer Nutzungsänderung, durch die sie nicht zu notwendigem Privatvermögen werden, ohne ausdrückliche Entnahmehandlung landwirtschaftliches Betriebsvermögen bleiben, auch wenn der Landwirt seinen Gewinn nach § 13a EStG ermittelt (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom IV B 91/05, BFH/NV 2006, 2245, und vom IV B 173/03, BFH/NV 2005, 334, m.w.N.). Es bedarf einer unmissverständlichen, von einem entsprechenden Entnahmewillen getragenen Entnahmehandlung. Dafür muss der Steuerpflichtige die sich aus einer Entnahme ergebenden Folgerungen ziehen und —wie vom EStG in § 13a Abs. 6 Nr. 2 (früher § 13a Abs. 8 Nr. 4) sowie in § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG gefordert— den Gewinn aus der Entnahme von Grund und Boden erklären (Senatsurteil vom IV R 32/01, BFH/NV 2002, 1135, unter 3. der Entscheidungsgründe). Erforderlich ist eine unmissverständliche Kundgabe des Entnahmewillens; eine Erklärung der Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung genügt grundsätzlich nicht (Senatsurteil in BFH/NV 2002, 1135).

b) Diesen Grundsätzen entspricht das FG-Urteil. Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen könnten, ergeben sich aus der Beschwerde nicht. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die langfristige Verpachtung eines großen Teils der Nutzflächen zu außerland- und außerforstwirtschaftlichen Zwecken zu einer Entnahme führen kann, ist —soweit sie möglicherweise klärungsbedürftig ist (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2000, 713, unter 3. d der Entscheidungsgründe)— im Streitfall nicht klärungsfähig.

aa) Zwar hat der Senat entschieden —worauf das FA zutreffend hingewiesen hat—, dass die Nutzungsänderung einzelner Grundstücke den Charakter des landwirtschaftlichen Betriebes nicht beeinträchtigt und diesen nicht zu einer Vermögensverwaltung verändert, wenn nicht mehr als 10 % der Flächen verpachtet wurden (Senatsurteile in BFHE 200, 236, BStBl II 2003, 16, unter 1. c der Entscheidungsgründe, und in BFHE 170, 141, BStBl II 1993, 342, unter 3. der Entscheidungsgründe). Diese, die allgemeinen Grundsätze (siehe oben unter 2. a) einschränkende 10-%-Grenze gilt jedoch ausdrücklich nur bei einer solchen Nutzungsänderung, die insoweit eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung künftig ausschließt (Senatsurteile in BFHE 200, 236, BStBl II 2003, 16, unter 1. b der Entscheidungsgründe, und in BFHE 170, 141, BStBl II 1993, 342, unter 2. der Entscheidungsgründe). Im Übrigen zwingt selbst die parzellenweise Verpachtung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen nicht zu einer Betriebsaufgabe und damit einer Totalentnahme, wie höchstrichterlich geklärt ist (, BFH/NV 2005, 1046, unter 1. a der Entscheidungsgründe, und in BFHE 170, 141, BStBl II 1993, 342, unter 2. der Entscheidungsgründe).

Nach den Feststellungen des FG schließt die Verpachtung an den Golfclub vorliegend eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung nach Ablauf des Pachtvertrages unstreitig nicht aus. Daher kommt es auf den Anteil der verpachteten Flächen an der Gesamtbetriebsfläche nicht an (ebenso , Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 633). Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Verpachtung von mehr als 10 % der Betriebsflächen bei einer Nutzungsänderung, die insoweit eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung künftig ausschließt, zu einer zwangsweisen Entnahme führt, könnte daher im Streitfall nicht geklärt werden.

bb) Die Nutzung der verpachteten Flächen durch den Pächter —den Golfclub— zu außerland- und außerforstwirtschaftlichen Zwecken ändert an dieser Beurteilung nichts. Denn der Umstand, ob und ggf. welche Einkünfte der Pächter mit der Pachtsache erzielt, kann in Fällen der vorliegenden Art offenkundig eine Entnahme des verpachteten Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen des Verpächters nicht rechtfertigen; die höchstrichterliche Rechtsprechung hat darauf auch nicht abgestellt (siehe oben unter 2. a und b aa). Eine klärungsbedürftige Frage stellt sich daher in diesem Zusammenhang nicht. Das FA beruft sich zu Unrecht auf das Urteil des Senats in BFHE 137, 32, BStBl II 1983, 106. Dieses Urteil hatte die Einlage eines Bodenschatzes in ein land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen zum Gegenstand; dafür gelten andere Voraussetzungen (so bereits Senatsurteil in BFHE 200, 236, BStBl II 2003, 16, unter 2. der Entscheidungsgründe).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2084 Nr. 11
BFH/NV 2007 S. 2084 Nr. 11
KÖSDI 2008 S. 15889 Nr. 2
VAAAC-59271