Illegale Beschäftigung und Scheinselbständigkeit – Domizilgesellschaften als Subunternehmer – steuerliche Inanspruchnahme nach § 160 AO, § 42d Abs. 6 EStG und § 13b UStG
I. Allgemeines
In der Baubranche treten häufig im Ausland gegründete und dort registrierte Domizilgesellschaften als Subunternehmer in Erscheinung.
Kommt der inländische Auftraggeber und Leistungsempfänger bezüglich der an die Domizilgesellschaft gezahlten Leistungsentgelte dem Benennungsverlangen des Finanzamts nicht nach, ist insoweit dem Betriebsausgabenabzug die Anerkennung zu versagen (§ 160 AO).
Neben der Versagung des Betriebsausgabenabzugs ist der inländische Auftraggeber und Leistungsempfänger gleichzeitig Steuerschuldner i.S.v. § 13b UStG und kann für nicht von der Domizilgesellschaft einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer in Haftung genommen werden (Entleiherhaftung nach § 38 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 42d Abs. 6 EStG).
Bezüglich der technischen Durchführung des Besteuerungsverfahrens haben sich die für die Besteuerung des Auftraggebers zuständigen Finanzämter (§§ 17 ff AO) und das für den Erlass des Haftungsbescheides (§ 42d EStG i.V.m. § 26 ZustVOFÄ) zuständige Finanzamt Kassel-Hofgeismar abzustimmen. Dabei hat die zuerst mit der Sache befasste Stelle die anderen Stellen umgehend zu informieren.
II. Versagung des Betriebsausgabenabzugs nach § 160 AO und Entleiherhaftung nach § 42d EStG
1. Anwendung des § 160 AO
Bei der Versagung des Betriebsausgabenabzugs nach § 160 AO ist zu beachten, dass im Falle von Domizilgesellschaften der Empfängernachweis erst erbracht ist, wenn die hinter der Gesellschaft stehenden Personen benannt sind ( BStBl 1987 II S. 481 und BStBl 1999 II S. 121). Bezüglich der weiteren Kriterien, die im Einzelfall an das Benennungsverlangen bzw. an dessen Erfüllung zu stellen sind, wird auf den Anwendungserlass zur AO (AEAO zu § 160) und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze verwiesen.
2. Entleiherhaftung nach § 42d EStG
Für die Beurteilung der Frage, ob abweichend von den vertraglichen Vereinbarungen eine Arbeitnehmerüberlassung i.S. des § 42d Abs. 6 EStG vorliegt, ist im Fall der Zwischenschaltung von Domizilgesellschaften unter Berücksichtigung der insoweit einschlägigen Rechtsprechung des BAG davon auszugehen, dass eine Arbeitnehmerüberlassung bereits dann vorliegt, wenn der ausländische Werkvertragsunternehmer nicht über die betrieblichen, technischen oder personellen Voraussetzungen verfügt, um die Tätigkeit der – von ihm zu Erfüllung vertraglicher Pflichten im Betrieb des Dritten eingesetzten – Arbeitnehmer vor Ort zu organisieren und ihnen Weisungen zu erteilen (vgl. DB 1995 S. 1566 sowie BB 1995 S. 1293). Nach Auffassung des BAG ist bei der Prüfung, ob es sich um einen Werkvertrag oder um eine Arbeitnehmerüberlassung handelt, auf die Unternehmensstruktur des Dienstleistungserbringers bzw. Werkunternehmers abzustellen. Dieser muss über die betrieblichen und organisatorischen Voraussetzungen verfügen, um überhaupt eine vertraglich vereinbarte Werkleistung erbringen zu können. Fehlt es bereits hieran, liegt Arbeitnehmerüberlassung vor. Für die steuerliche Würdigung wird deshalb nach dem ersten Anschein von einem Scheinwerkvertrag ausgegangen und der Haftungstatbestand des § 42d Abs. 6 EStG als erfüllt angesehen.
3. Kumulative Anwendung von § 160 AO und § 42d Abs. 6 EStG
Bei der kumulativen Anwendung von § 160 AO und § 42d Abs. 6 EStG ist folgendes zu beachten:
Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen bezweckt die Vorschrift des § 160 AO nur, mögliche Steuerausfälle beim Empfänger geltend gemachter Betriebsausgaben zu verhindern. Ihre Anwendung soll hingegen nicht zu zusätzlichen Steuereinnahmen führen. Bei der Ermessensausübung durch die Finanzverwaltung hinsichtlich der Bemessung des als Betriebsausgaben nicht abzugsfähigen Betrags ist daher zu berücksichtigen, inwieweit jeweils Steuerausfälle zu befürchten sind ( BStBl 1999 II S. 434, m.w.N.).
Hieraus folgt, dass sich bei einer kumulativen Anwendung von § 160 AO und § 42d Abs. 6 EStG eine Übermaßbesteuerung verbietet. In der Praxis kann die Übermaßbesteuerung dadurch vermieden werden, dass die Höhe der nach § 160 AO nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben auf 50 % des Gesamtbetrags begrenzt und der Restbetrag als Bemessungsgrundlage für die Entleiherhaftung angesetzt wird (siehe hierzu Merkblatt des BZSt – Informationszentrale Ausland (IZA) – zur steuerlichen Behandlung illegaler Arbeitnehmerüberlassung bei Einschaltung britischer Briefkastengesellschaften).
Denkbar ist in diesem Zusammenhang, dass der Betriebsausgabenabzug zunächst in vollem Umfang versagt und der Bescheid im Rechtsbehelfsverfahren insoweit von der Vollziehung ausgesetzt wird. Nach Rechtskraft des Lohnsteuerhaftungsbescheids kann in einem zweiten Schritt die Steuerfestsetzung gegenüber dem Auftraggeber berichtigt und der Umfang der nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben auf 50 % des Gesamtbetrags reduziert werden (vgl. EFG 1996 S. 318).
Zur Frage, ob der Bundesrepublik Deutschland in den Fällen, in denen ausländische Arbeitnehmer an inländische Unternehmen ausgeliehen werden, ein Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn zusteht, wird auf das , BStBl 1994 I S. 11 [ Kartei DBA, AStG S 1300 DBA Allgemeines Besteuerung von Arbeitslohn, Karte 1] und die / [Kartei DBA, AStG S 1300 DBA Allgemeines Besteuerung von Arbeitslohn, Karte 5 – NfD] verwiesen.
4. Billigkeitsfragen
Soweit bereits eine Übermaßbesteuerung eingetreten ist und die entsprechenden Steuerfestsetzungen rechtskräftig sind, kann im Einzelfall ein (Teil-) Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen in Betracht kommen.
III. Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers i.S.v. § 13b UStG
Problematisch ist allein der Fall, dass der inländische Bauunternehmer von einer ausländischen Domizilgesellschaft steuerbare und steuerpflichtige Leistungen bezieht, die von der Domizilgesellschaft ohne offenen Ausweis der Umsatzsteuer berechnet worden sind.
Durch die Einführung des § 13b UStG schuldet nunmehr der inländische Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person ist und es sich um Werklieferungen oder sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers handelt.
OFD Frankfurt/M. v. - S 2384 A - 14 - St 211
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
FAAAC-58423