Rechtsgeschäftlich begründeter Zugewinnausgleich
Leitsatz
1. Werden Wirtschaftsgüter zur Abgeltung eines rechtsgeschäftlich begründeten Anspruchs, mit dem bei fortbestehender Zugewinngemeinschaft der sich bis dahin ergebende Zugewinn ausgeglichen werden soll, übertragen, handelt es sich um einen (objektiv) unentgeltlichen Vorgang und um eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
2. Der Verzicht auf eine im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht entstandene, möglicherweise erst zukünftig entstehende Ausgleichsforderung stellt keinen in Geld bewertbaren Vermögenswert dar, sondern verkörpert allenfalls eine bloße Erwerbschance, die nicht in Geld veranschlagt werden kann und deshalb nach § 7 Abs. 3 ErbStG bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, nicht zu berücksichtigen ist.
Gesetze: ErbStG § 5 Abs. 2ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3ErbStG § 9 Abs. 1 Nr. 2
Instanzenzug: (EFG 2005, 1711) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) schloss mit ihrem Ehemann am einen Ehe- und Erbvertrag. Hierin vereinbarten sie u.a., dass der Ehemann zum Ausgleich des für die Zeit bis einschließlich erwirtschafteten Zugewinns verpflichtet sein sollte, der Klägerin einen Geldbetrag in Höhe von 310 000 DM, fällig in zwei gleichen Teilbeträgen von jeweils 155 000 DM am und 2001, zu zahlen sowie ein Grundstück und Miteigentumsanteile an weiteren Grundstücken zu übertragen. Die Auflassung wurde erklärt und die Eintragung in das Grundbuch bewilligt und beantragt. Der Güterstand der Zugewinngemeinschaft wurde nicht beendet, sondern in der Weise modifiziert, dass im Falle der Scheidung kein weiterer Ausgleich erfolgen und bei Beendigung des Güterstandes durch Tod eines Ehegatten bestimmte Vermögensteile unberücksichtigt bleiben sollten.
Mit —weiterer— Urkunde vom übertrug der Ehemann schenkweise aus seiner Beteiligung an einer KG einen Anteil im Nominalwert von 60 000 € mit Wirkung zum 24.00 Uhr auf die Klägerin; sämtliche Gesellschaftsrechte sollten der Klägerin ab zustehen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) sah in der Übertragung der Grundstücke und der Zahlung des Geldbetrags freigebige Zuwendungen. Er setzte wegen dieser Zuwendungen mit Änderungsbescheid vom die Steuer auf 0 DM fest, da der Wert der Zuwendungen den Freibetrag nicht überstieg. Der Bescheid ist bestandskräftig.
Mit weiterem Bescheid vom setzte das FA wegen der Übertragung des Kommanditanteils gegen die Klägerin Schenkungsteuer in Höhe von 87 090 DM (= 44 528,41 €) fest. Es berücksichtigte dabei den Wert des Kommanditanteils mit 1 010 226 DM und zog davon gemäß § 13a Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der bei der Entstehung der Steuer geltenden Fassung (ErbStG) 405 448 DM ab. Die Übertragung der Grundstücke sowie die Zuwendung des Geldbetrages laut Ehe- und Erbvertrag berücksichtigte es als Vorerwerbe in Höhe von 575 890 DM.
Die nach erfolglosem Einspruch eingelegte Klage, mit der die Klägerin sich gegen die Einbeziehung der zum Ausgleich des Zugewinns bewirkten Leistungen (Geldbetrag und Grundstücke) als Vorerwerbe wandte, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah zwar in der Übertragung der Kommanditbeteiligung auf die Klägerin eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, lehnte jedoch die Berücksichtigung der Übertragung der Grundstücke sowie der Zuwendung des Bargeldbetrages laut Ehe- und Erbvertrag als Vorerwerbe gemäß § 14 Abs. 1 ErbStG ab. Diese stünden wegen des im Ehevertrag erklärten Verzichts auf den bis einschließlich entstandenen Zugewinn in einem synallagmatischen Austauschverhältnis und seien daher keine freigebigen Zuwendungen i.S. des § 7 Abs. 1 ErbStG. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1711 veröffentlicht.
Mit der Revision macht das FA u.a. Verletzung von § 14 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 ErbStG geltend. Das FG habe zu Unrecht die Zuwendung der zum Ausgleich des vereinbarten Zugewinnausgleichsanspruchs übertragenen Wirtschaftsgüter nicht als freigebige Zuwendung angesehen und bei der Steuerberechnung daher nicht als Vorerwerb i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG berücksichtigt.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung sowie zur Herabsetzung der festgesetzten Steuer (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Der Auffassung des FG, die Übertragung der Wirtschaftsgüter auf die Klägerin aufgrund des Ehe- und Erbvertrages vom stelle keine freigebige Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) dar, weshalb eine Zusammenrechnung der insoweit angefallenen Vermögensvorteile nach § 14 ErbStG ausscheide, kann sich der Senat nicht anschließen.
Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl. auch § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—). Im Streitfall wurde die Klägerin durch die Zuwendungen aufgrund des Ehe- und Erbvertrages vom aus dem Vermögen ihres Ehemannes objektiv bereichert. Die Zuwendungen des Ehemannes führten zu einer Vermögensmehrung bei der Klägerin. Die Bereicherung erfolgte auch endgültig, da die Klägerin die Zuwendungen unabhängig von einem erst künftig möglicherweise entstehenden (Zugewinnausgleichs-)Anspruch behalten durfte.
Werden —wie im Streitfall— Wirtschaftsgüter zur Abgeltung eines rechtsgeschäftlich begründeten Anspruchs, mit dem bei fortbestehender Zugewinngemeinschaft der sich bis dahin ergebende Zugewinn ausgeglichen werden soll, übertragen, handelt es sich um einen (objektiv) unentgeltlichen Vorgang und um eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Denn der Leistende ist mangels Beendigung des gesetzlichen Güterstandes in diesen Fällen gegenüber dem Leistungsempfänger rechtlich nicht zum Ausgleich des Zugewinns verpflichtet (, BFH/NV 2006, 63).
Auch der Klägerin stand im Streitfall am jeweils maßgeblichen Stichtag kein Anspruch auf Zugewinnausgleich gegen ihren Ehemann zu. Die Zugewinnausgleichsforderung konnte nämlich erst mit der Beendigung des gesetzlichen Güterstandes entstehen (§ 1378 Abs. 3 BGB). Die Klägerin und ihr Ehemann haben —anders als in dem Fall des (BFHE 210, 470, BStBl II 2005, 843)— durch den Ehe- und Erbvertrag den gesetzlichen Güterstand gerade nicht beendet, sondern —wenn auch stark modifiziert und eingeschränkt— weiter fortgeführt.
An dieser Beurteilung ändert auch nichts der Umstand, dass sich die Ehegatten im Streitfall schuldrechtlich so stellen wollten, als hätten sie unter Beschränkung des Ausgleichsanspruchs auf die vereinbarten Leistungen den Güterstand zum beendet. Für die von der Klägerin geforderte „wirtschaftliche Betrachtungsweise” ist kein Raum; der gesetzliche Güterstand kann nicht „faktisch” beendet sein, wenn er gleichzeitig rechtlich fortgesetzt wird. Auch der Hinweis der Klägerin, sie habe wegen des langjährigen Getrenntlebens jederzeit nach § 1385 BGB auf vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns klagen können, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn für die Besteuerung kann es nicht auf ein fiktives Geschehen, sondern ausschließlich darauf ankommen, was die Beteiligten tatsächlich vereinbart und getan haben.
Die Leistungen des Ehemannes sind auch nicht rechtlich abhängig von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung der Klägerin und damit unentgeltlich (vgl. grundlegend , BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366). Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, ihr Ehemann habe die Leistungen in Erfüllung der im Ehe- und Erbvertrag vom vereinbarten Verpflichtungen erbracht. Denn die Leistungspflicht ist der Ehemann ohne rechtliche Verpflichtung und damit freiwillig zuvor selbst gegenüber der Klägerin als Zuwendungsempfängerin eingegangen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 63).
Auch der „Verzicht” der Klägerin auf einen weitergehenden Zugewinnausgleich stellt keine Gegenleistung für die Zuwendungen ihres Ehemannes dar. Denn der Verzicht auf eine im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht entstandene, möglicherweise erst zukünftig entstehende Ausgleichsforderung stellt keinen in Geld bewertbaren Vermögenswert dar, sondern verkörpert allenfalls eine bloße Erwerbschance, die nicht in Geld veranschlagt werden kann und deshalb nach § 7 Abs. 3 ErbStG bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, nicht zu berücksichtigen ist. Sie ist deshalb als solche nicht geeignet, Gegenstand einer die Freigebigkeit ausschließenden Gegenleistung zu sein (vgl. , BFHE 194, 440, BStBl II 2001, 456, m.w.N.).
Im Übrigen trifft der Hinweis der Klägerin, die Rechtsauffassung des Senats schließe die Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG in den Fällen des schuldrechtlichen Zugewinnausgleichs aus und führe zur endgültigen Besteuerung, nicht zu. Denn die Ehegatten haben bei der Beendigung des zunächst ja fortbestehenden gesetzlichen Güterstandes noch die Möglichkeit der Anrechnung von Vorausempfängen i.S. von § 1380 BGB auf die zukünftig entstehende Ausgleichsforderung.
Der Steuerbarkeit der Zuwendungen an die Klägerin steht auch § 5 Abs. 2 ErbStG nicht entgegen. Der Vorschrift kommt nach allgemeiner Meinung lediglich deklaratorische Bedeutung zu; sie schränkt deshalb den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht ein, sondern grenzt nach denselben Merkmalen die steuerbaren von den nicht steuerbaren Vorgängen ab (, BFHE 171, 321, BStBl II 1993, 510, und in BFH/NV 2006, 63, m.w.N.).
2. Die Sache ist spruchreif.
a) Die Klage hat teilweise Erfolg. Die Klägerin wird durch die Zusammenrechnung des der angefochtenen Besteuerung zugrundeliegenden Erwerbs der Anteile an der KG mit den beiden Geldzuwendungen in Höhe von jeweils 155 000 DM in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Denn die beiden Geldzuwendungen stellen im Verhältnis zum Erwerb der KG-Anteile keine „früheren Erwerbe” i.S. von § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG dar, weil die Steuer für die Geldzuwendungen erst nach der Steuer für den Erwerb der KG-Anteile entstanden ist.
Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 der Abgabenordnung —AO—). Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG entsteht die Steuer bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Eine Schenkung unter Lebenden ist ausgeführt, wenn der Bedachte das erhalten hat, was ihm nach der Schenkungsabrede, im Fall der freigebigen Zuwendung nach dem Willen des Zuwendenden, endgültig verschafft werden soll (, BFH/NV 2005, 213, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung).
Danach ist die Steuer für den Erwerb der KG-Anteile mit Beginn des entstanden, weil der Klägerin die Gesellschaftsrechte ab diesem Zeitpunkt zustehen sollten. Der Erwerb ist somit auf diesen Tag aufschiebend befristet gewesen (vgl. , BFHE 203, 279, BStBl II 2003, 921; vom II R 9/98, BFH/NV 2000, 1095). Die Zuwendung des Geldbetrags wurde dagegen nicht schon mit dem Schenkungsversprechen im Vertrag vom ausgeführt. Für diese Zuwendung ist die Steuer vielmehr erst mit der Auszahlung des Geldbetrags, also erst am und 2001, entstanden.
b) Die Klage ist im Übrigen abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid weitere Rechtsfehler nicht erkennen lässt. Nicht zu beanstanden ist insbesondere die Zusammenrechnung des Erwerbs der KG-Anteile mit der Zuwendung der Grundstücke. Diese stellt im Verhältnis zum Erwerb der KG-Anteile einen „früheren Erwerb” i.S. von § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG dar. Bei dem Erwerb der Grundstücke handelt es sich um einen der Schenkungsteuer unterliegenden Vorgang (s. oben unter II. 1.) im maßgeblichen 10-Jahres-Zeitraum. Die Steuer für die Zuwendung der Grundstücke ist bereits mit dem Abschluss des Ehe- und Erbvertrages am entstanden. Die Zuwendung der Grundstücke war mit Vertragsschluss ausgeführt, weil die Auflassung erklärt (§ 925 Abs. 1 Satz 1, § 873 Abs. 1 BGB) und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch bewilligt worden ist (§ 19 der Grundbuchordnung), der Schenker also alles zur Bewirkung der Leistung Erforderliche getan hat und die Klägerin jederzeit ihre Eintragung als Eigentümerin in das Grundbuch beantragen und damit den Eintritt der —dinglichen— Rechtsänderung herbeiführen konnte (vgl. , BFH/NV 2006, 551, m.w.N.).
Es ergibt sich somit als neu festzusetzende Steuer:
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Wert des Erwerbs | 1 010 226,60 DM |
- abzüglich Abschlag gemäß § 13a Abs. 2 ErbStG | 405 448,64 DM |
- zuzüglich Vorerwerb | 275 500,00 DM |
- abzüglich Freibetrag gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG | 600 000,00 DM |
Verbleiben | 280 277,96 DM |
Steuerpflichtiger Erwerb | 280 200,00 DM |
Steuerklasse I / Steuersatz 11 % 11 % von 280 200,00 DM = | 30 822,00 DM |
Schenkungsteuer | 30 822,00 DM |
Dies entspricht einem Betrag von: | 15 759,04 € |
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 785
BFH/NV 2007 S. 2014 Nr. 10
BStBl II 2007 S. 785 Nr. 16
DStRE 2007 S. 1516 Nr. 23
EStB 2007 S. 404 Nr. 11
FR 2008 S. 147 Nr. 3
GStB 2008 S. 3 Nr. 1
HFR 2007 S. 1207 Nr. 12
KÖSDI 2007 S. 15736 Nr. 10
NJW 2008 S. 111 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 38/2007 S. 3320
SJ 2007 S. 12 Nr. 22
StB 2007 S. 405 Nr. 11
StC 2007 S. 12 Nr. 11
StuB-Bilanzreport Nr. 19/2007 S. 750
UVR 2007 S. 367 Nr. 12
UAAAC-57809