Überlassung von Sportanlagen regelmäßig nicht umsatzsteuerfrei; Voraussetzungen für Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO
Gesetze: UStG § 4 Nr. 12a, UStG § 27 Abs. 6, AO § 176
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt seit vielen Jahren eine Bowlinganlage mit mehreren Bahnen, die sie jeweils einzeln an die nutzende Person oder Personengruppe vermietet. Seit einer im Jahr 1986 durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung versteuerte die Klägerin diese Vermietungsumsätze teils als steuerfreie Grundstücksvermietung und teils als steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) stimmte der Umsatzsteuererklärung für 1992 durch Bescheid vom zu. Die ebenso wie diese nach § 168 der Abgabenordnung (AO) als Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der Nachprüfung wirkenden Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1993 bis 1995 gingen im Jahr 1996 beim FA ein. Im Anschluss an eine Außenprüfung nahm das FA an, dass die Umsätze aus den Bowlingbahnen insgesamt umsatzsteuerpflichtig seien, und erließ am 22. bzw. entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre (1992 bis 1995). Der Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als das FA für die Jahre 1992 und 1993 eine Vorsteuerberichtigung vornahm.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, nach dem auf der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) beruhenden (BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658) sei die Nutzungsüberlassung der Sporteinrichtungen einer Anlage als eine einheitliche, steuerpflichtige Leistung zu beurteilen. Das FA sei auch nicht aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes daran gehindert gewesen, die Umsatzsteuer für die Streitjahre dieser Rechtslage entsprechend festzusetzen. Insbesondere könne die Klägerin keinen Vertrauensschutz aus § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO herleiten. Der BFH habe bereits mit Urteil vom V R 83/92 (BFHE 175, 147, BStBl II 1994, 775) die Überlassung einzelner von mehreren Bahnen einer Kegel- bzw. Bowlinganlage als Vermietung (ausschließlich) einer Betriebsvorrichtung beurteilt, die insgesamt der Umsatzsteuer unterliege. Die Mitbenutzung des übrigen Gebäudes (Aufenthaltsflächen und Nebenräume) beruhe auf einem Vertrag, der insoweit keinen Mietrechtscharakter habe. Eine Aufteilung des Umsatzes in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teil habe der BFH in diesem Urteil nur dann als zutreffend angesehen, wenn der nutzungsberechtigten Person oder Personengruppe das gesamte, die Kegelbahnanlage umfassende Gebäude zum ausschließlichen Gebrauch zur Verfügung stehe. Ein solcher Fall sei allerdings vorliegend nicht gegeben. Auch die Übergangsregelung des § 27 Abs. 6 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), die durch das Gesetz vom (BGBl I, 3441) eingeführt worden sei, komme der Klägerin nicht zugute. Nach dieser Vorschrift hätten Umsätze aus der Nutzungsüberlassung von Sportanlagen bis zum in eine steuerfreie Grundstücksüberlassung und in eine steuerpflichtige Überlassung von Betriebsvorrichtungen aufgeteilt werden können. Diese Übergangsregelung beziehe sich nur auf Unternehmer, die vor dem Urteil des BFH in BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658 eine solche Aufteilung hätten vornehmen können. Dies treffe aber im Streitfall nicht zu. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass die langjährige Praxis der Besteuerung ihrer Umsätze letztlich durch eine im Jahr 1986 durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung veranlasst worden sei. Der Sachverhalt sei für jeden Veranlagungszeitraum grundsätzlich erneut festzustellen und rechtlich zu beurteilen, ohne dass die Finanzbehörden an die Behandlung in früheren Veranlagungszeiträumen gebunden seien.
Die Klägerin stützt ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Verfahrensfehler und Unrichtigkeit der Vorentscheidung.
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Grundsätzliche Bedeutung, Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts
a) Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung zweifelhaft oder umstritten ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit gegebenenfalls veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen. Ferner ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen (, BFH/NV 2007, 27, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung).
b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin hat sich in der Beschwerdebegründung nicht mit dem bereits vom FG angeführten BFH-Urteil in BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658 auseinandergesetzt. Nach dieser Entscheidung fällt die Überlassung von Sportanlagen regelmäßig nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG. Die Klägerin hat nicht dargelegt, warum trotz dieser Entscheidung und der darin angeführten Rechtsprechung des EuGH noch Klärungsbedarf zur umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung der Überlassung von Sportanlagen bestehen soll. Der Hinweis der Klägerin auf die früher ergangenen (BFHE 174, 258, BStBl II 1994, 668) und vom XI R 70/94 (BFHE 177, 567, BStBl II 1995, 750) genügt insoweit nicht.
Soweit sich die Klägerin auf Vertrauensschutz beruft, fehlt es an der erforderlichen Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BFH zu § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO. Danach greift diese Vorschrift nur ein, wenn sich die Rechtsprechung in der Zeit zwischen dem Erlass des ursprünglichen Bescheides und dem Erlass des Änderungsbescheides geändert hat (, BFHE 194, 185, BStBl II 2001, 409, und vom V R 26/01, BFHE 198, 238, BStBl II 2004, 317; ebenso Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 176 Rz 18; v. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 176 AO Rz 163; Pahlke/Koenig/ Koenig, Abgabenordnung, § 176 Rz 37). Dies ist im Streitfall im Hinblick auf das BFH-Urteil in BFHE 175, 147, BStBl II 1994, 775 deshalb von Bedeutung, weil das FA die Zustimmung zur Umsatzsteuererklärung für 1992 erst mehrere Monate nach Ergehen und Veröffentlichung dieses Urteils (z.B. in Deutsches Steuerrecht —DStR— 1994 Heft 32 vom , S. 1149) erteilt hat und die Steuererklärungen für die Folgejahre noch später eingegangen sind.
Die Klägerin hat sich zudem nicht mit der Frage befasst, ob das BFH-Urteil in BFHE 175, 147, BStBl II 1994, 775 eine i.S. des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO entscheidungserhebliche Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung enthält. Sie macht selbst nicht geltend, dass der BFH zu Kegelbahnanlagen mit mehreren Bahnen in einer früheren Entscheidung eine andere Auffassung vertreten habe. Die Rechtsprechung hat sich im Sinne der genannten Vorschrift geändert, wenn ein im Wesentlichen gleich gelagerter Sachverhalt anders entschieden wurde als bisher (, BFHE 177, 332, BStBl II 1995, 764, m.w.N.). Eine bloße Präzisierung oder Fortentwicklung der Rechtsprechung begründet nicht die Anwendbarkeit der Vorschrift (, BFHE 193, 460, BStBl II 2001, 789, und vom I R 20/01, BFHE 199, 148, BStBl II 2003, 412).
Das von der Klägerin ferner angeführte BFH-Urteil in BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658 ist erst nach den Änderungsbescheiden vom 22. bzw. ergangen und kann nach der o.g. Rechtsprechung des BFH schon deshalb die Anwendbarkeit des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO nicht begründen. Zudem betrifft die in dieser Entscheidung vorgenommene Änderung der Rechtsprechung nicht den vorliegenden Fall, der bereits auf der Grundlage des BFH-Urteils in BFHE 175, 147, BStBl II 1994, 775 nicht anders zu entscheiden gewesen wäre.
Die Klägerin hat sich auch nicht mit dem (BFH/NV 2004, 1553) befasst, nach dem die Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 6 UStG nicht den Fall betrifft, dass einzelne von mehreren Bahnen einer Kegelbahn oder Bowlinganlage vermietet werden, sondern nur den —nach den vom FG getroffenen Feststellungen hier nicht vorliegenden— Fall, dass der nutzungsberechtigten Person oder Personengruppe das gesamte die Anlage umfassende Gebäude (Gebäudeteil) zum ausschließlichen Gebrauch zur Verfügung steht. Auch auf diesen Beschluss hat das FG in der Vorentscheidung bereits hingewiesen.
Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bezieht sich auf die Rückwirkung von Gesetzen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, inwiefern diese Rechtsprechung für die vorliegende Problematik von Bedeutung sein soll.
2. Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
a) Die Revision ist zum einen dann nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, wenn eine Divergenz vorliegt. Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidungen sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen. Dabei ist insbesondere auch auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handele (BFH-Beschlüsse vom VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, und vom VIII B 2/06, BFH/NV 2007, 450).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Es fehlt an der Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze.
b) Die Klägerin hat auch nicht hinreichend dargetan, dass die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen Vorliegens eines sog. qualifizierten Rechtsanwendungsfehlers zuzulassen sei. Ein solcher Fehler liegt vor, wenn die Entscheidung des FG als objektiv willkürlich oder unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar erscheint. Es muss sich also um einen offensichtlichen materiellen oder formellen Fehler handeln (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Beschlüsse vom IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25; vom VII B 344/03, BFHE 206, 226, BStBl II 2004, 896; vom V B 9/04, BFH/NV 2006, 248; in BFH/NV 2007, 450, und vom VIII B 61/06, BFH/NV 2007, 451). Ausführungen der Klägerin zu diesen Voraussetzungen fehlen. Mit ihren Einwendungen gegen die Richtigkeit der Vorentscheidung macht sie keinen Grund für die Zulassung der Revision geltend (, BFH/NV 2007, 954, ständige Rechtsprechung).
3. Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO)
a) Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die Vorentscheidung gegen die Pflicht zur gleichmäßigen Steuerfestsetzung nach § 85 AO verstoße. Da sich das FG mit diesem Aspekt nicht auseinandergesetzt habe, liege ein Verfahrensmangel vor.
b) Ein Verfahrensfehler ist damit nicht schlüssig dargetan. Die Klägerin hat in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt, inwiefern die auf die Rechtsprechung des EuGH und des BFH gestützte Besteuerung gleichheitswidrig sein soll.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2067 Nr. 11
BFH/NV 2007 S. 2067 Nr. 11
UR 2007 S. 899 Nr. 23
UAAAC-57780