BVerwG Beschluss v. - 6 PB 5.07

Leitsatz

Die Übertragung von Zuständigkeiten für die Dienstaufsicht über das richterliche und nichtrichterliche Personal eines Gerichts ist keine gemeinsame Angelegenheit im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 2 BrRiG.

Gesetze: BrRiG § 19; BrRiG § 23; BrRiG § 39; BrPersVG § 66; BrPersVG § 70

Instanzenzug: VG Bremen VG PK 1027/03 .PVL vom OVG Bremen OVG P A 1/06 .PVL vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein

Gründe

Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 70 Abs. 2 BrPersVG i.V.m. § 39 Abs. 3 BrRiG und § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.

1. Die Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift, soweit sich die Antragsteller mit ihr gegen die Verneinung einer gemeinsamen Angelegenheit im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 2 BrRiG durch das Oberverwaltungsgericht wenden, nicht durch. Die Frage, ob die Übertragung der allgemeinen Dienstaufsicht über das Sozialgericht Bremen auf deren Direktorin, die Beteiligte zu 1, bei gleichzeitiger Übertragung der Dienstaufsicht über die beim Sozialgericht Bremen beschäftigten Richterinnen und Richter auf die Präsidentin des Landessozialgerichts durch die allgemeine Verfügung des Beteiligten zu 2 vom eine sowohl Richter als auch andere Bedienstete des Gerichts betreffende Angelegenheit ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist nicht im Rechtsbeschwerdeverfahren klärungsbedürftig, weil sie mit dem Oberverwaltungsgericht eindeutig zu verneinen ist.

Die Grundsätze, nach denen sich das Vorliegen einer gemeinsamen Angelegenheit beurteilt, sind bereits dem Beschluss des beschließenden Gerichts vom - BVerwG 7 P 6.75 - (Buchholz 238.36 § 107b NdsPersVG Nr. 1) zu entnehmen, in welchem es um die Angelegenheiten von Beschäftigten der Staatsanwaltschaft ging. Danach kann zwar auf die Rechtsprechung zur Bestimmung von Gruppenangelegenheiten zurückgegriffen werden (vgl. § 38 BPersVG und § 35 BrPersVG). Infolge der organisatorischen Gestaltung und Verselbständigung der "Gruppe" der Staatsanwälte zu einem eigenen Personalrat ist hier die Grenzziehung aber noch schärfer akzentuiert. Durch die Schaffung besonderer Personalvertretungen bringt der Gesetzgeber nämlich zum Ausdruck, dass die Interessen der in dieser Sondervertretung repräsentierten Bediensteten grundsätzlich von denen der anderen Bediensteten abweichen, sodass gemeinsame Angelegenheiten eine Ausnahme bilden. Aus dieser Sicht können als gemeinsame Angelegenheiten nur solche Regelungstatbestände angesehen werden, die sinnvollerweise für die durch eine Sondervertretung repräsentierten Bediensteten nur in gleicher oder ähnlicher Weise wie für die anderen durch die allgemeine Personalvertretung vertretenen Bediensteten geregelt werden können, beide also unmittelbar berühren. Der Begriff der Gemeinsamkeit schafft eine feste Klammer, die nicht ohne Gefährdung einer wirksamen und sinnvollen Regelung der Angelegenheit gelöst werden kann (a.a.O. S. 2 f.).

Diese - die Eigenständigkeit der Sondervertretungen betonenden - Grundsätze gelten, wie im zitierten Beschluss vom bereits angesprochen wurde, auch und erst recht für die Bestimmung von gemeinsamen Angelegenheiten von Richtern und anderen Bediensteten des Gerichts. Richter gehören nicht zu den Angehörigen besonderer Verwaltungszweige (wie z.B. Staatsanwälte, Polizisten, Lehrkräfte, wissenschaftliches und künstlerisches Personal), für welche die Personalvertretungsgesetze spezielle Bestimmungen und besondere Vertretungen vorzusehen pflegen. Sie fallen vielmehr von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Personalvertretungsrechts heraus (§ 3 Abs. 1 Satz 2 BrPersVG). Ihre Rechtsverhältnisse sind ebenso wie ihre Vertretungen im deutschen Richtergesetz und den Landesrichtergesetzen geregelt. Weisungsgebundenheit als wesentliches Merkmal des personalvertretungsrechtlichen Beschäftigtenbegriffs liegt bei ihnen nicht vor. Ihr mit der Unabhängigkeit einhergehender Sonderstatus gebietet es noch mehr als bei Beschäftigten mit eigenständigen Personalvertretungen, die gemeinsame Angelegenheit als eng zu verstehende Ausnahme zu betrachten. Eine gemeinsame Angelegenheit scheidet bei Maßnahmen aus, die den Sonderstatus von Richtern berühren.

Letzteres ist bei der Übertragung von Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Dienstaufsicht offensichtlich der Fall. Auch wenn derartige Regelungen als solche rein organisatorischer Natur sind, so ist doch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass dabei die Eigenart richterlicher Tätigkeit und die darauf Rücksicht nehmende Ausgestaltung der Dienstaufsicht (§ 26 DRiG) mit bedacht wird. Eine Maßnahme, durch welche die Dienstaufsicht über die Richter auf eine und diejenige über die nichtrichterlichen Bediensteten auf eine andere Stelle übertragen wird, kann nicht als Regelung eingestuft werden, die jeder Vernunft entbehrt und sich daher verbietet. Dass die Regelung der Zuständigkeit in einer Verfügung erfolgt, ist ein formeller Aspekt, dem keine Bedeutung zukommt. Der Wunsch beider Vertretungen nach einer einheitlichen Regelung der Zuständigkeit ist nicht gleichzusetzen mit einem sachlich zwingenden Grund für eine derartige Lösung. Ein solcher ergibt sich auch nicht daraus, dass die Konzentration der Dienstaufsicht bei einer Stelle möglich ist und in der Vergangenheit praktiziert wurde.

2. Mit der Gehörsrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG kommen die Antragsteller ebenfalls nicht zum Zuge. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht dadurch rechtliches Gehör verletzt, dass es das Begehren der Antragsteller selbständig tragend mit der Begründung abgelehnt hat, es liege keine gemeinsame Angelegenheit im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 2 BrRiG vor.

Die Antragsteller behaupten, die vorgenannte Frage sei im Anhörungstermin des Oberverwaltungsgerichts nicht erörtert worden; dem tritt der Beteiligte zu 2 entgegen. Zu einer entsprechenden Aufklärung - etwa durch Einholung einer dienstlichen Stellungnahme der Senatsvorsitzenden zweiter Instanz - ist der beschließende Senat nicht verpflichtet. Denn auch wenn die Frage der gemeinsamen Angelegenheit im Anhörungstermin vor dem Oberverwaltungsgericht nicht zur Sprache gekommen ist, handelt es sich beim angefochtenen Beschluss gleichwohl nicht um eine rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung. Den in der zweiten Instanz anwaltlich vertretenen Antragstellern war die Problematik nämlich bekannt, und deren mögliche Auswirkungen auf den Ausgang des vorliegenden Verfahrens musste ihnen bewusst sein (vgl. in diesem Zusammenhang: - AP Nr. 7 zu § 72a ArbGG 1979 rechtliches Gehör).

Wie beide Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, machen die Antragsteller im vorliegenden Verfahren ihr spezielles Beteiligungsrecht aus § 19 Abs. 1 Nr. 2 BrRiG geltend, welches ihnen nur gemeinsam zusteht (§ 23 Abs. 2 Satz 3 BrRiG) und auch auf der Seite des Antragstellers zu 2 im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren zu verfolgen ist (§ 39 Abs. 3 BrRiG i.V.m. § 70 Abs. 2, § 71 BrPersVG). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit der richtigen Verfahrensart geprüft, ob die Antragsteller ein Beteiligungsrecht aus gemeinsamer Angelegenheit verfolgen (§ 48 Abs. 1, § 80 Abs. 3 ArbGG); ein aus eigenem Beteiligungsrecht hergeleitetes Begehren des Antragstellers zu 2 wäre im "normalen" verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu verfolgen gewesen (§ 39 Abs. 1 BrRiG).

Soweit das Verwaltungsgericht die Zulässigkeit der Verfahrensart bejaht hat, war seine Entscheidung für das Oberverwaltungsgericht bindend (§§ 65, 88 ArbGG). Nicht gebunden war das Oberverwaltungsgericht freilich in Bezug auf die Frage, ob den Antragstellern das geltend gemachte gemeinsame Beteiligungsrecht tatsächlich zustand. Hierfür war vorrangig zu prüfen, ob die Maßnahme, für welche die gerichtliche Feststellung des Mitbestimmungsrechts erstrebt wurde, eine gemeinsame Angelegenheit war. Folgerichtig hat der Beteiligte zu 2 in seiner Beschwerdebegründung vom die Frage der gemeinsamen Angelegenheit - hauptsächlich bei Erörterung des Rechtsschutzbedürfnisses (S. 6 f.), aber auch bei der Würdigung der Begründetheit des Begehrens (S. 8) - mit verneinendem Ergebnis thematisiert, und die Antragsteller sind darauf in ihrer Beschwerdeerwiderung vom ausführlich eingegangen (S. 2 ff.). Im Schriftsatz vom - beim Oberverwaltungsgericht eingegangen acht Tage vor seinem Anhörungstermin - hat der Beteiligte zu 2 erneut bekräftigt, weshalb nach seiner Auffassung eine gemeinsame Angelegenheit nicht vorliegt. Den Antragstellern war somit bekannt, dass die Frage der gemeinsamen Angelegenheit in der Beschwerdeinstanz weiter eine Rolle spielte, und sie mussten damit rechnen, dass von der Behandlung der Thematik durch das Oberverwaltungsgericht der Erfolg des streitigen Begehrens abhing.

Eine gesteigerte Hinweispflicht des Oberverwaltungsgerichts bestand nicht deswegen, weil den Antragstellern auch der Verlust der ihnen jeweils aus eigenem Recht zustehenden Beteiligungsrechte drohte. Ihre dahingehende in der Beschwerdebegründung vom geäußerte Befürchtung trifft nicht zu. Mit der Rechtskraft der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts steht lediglich fest, dass dem gemeinsamen Gremium aus Personalrat und Richterrat nach § 23 Abs. 2 Satz 3 BrRiG das geltend gemachte Beteiligungsrecht nicht zusteht. Die Antragsteller sind frei, ihnen aus eigenem Recht etwa zustehende Mitbestimmungsrechte in Bezug auf die allgemeine Verfügung vom jeweils für sich gerichtlich geltend zu machen. Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluss zur Verneinung einer mitbestimmungspflichtigen organisatorischen Maßnahme haben keine präjudiziellen Auswirkungen auf künftige Verfahren, in denen die Antragsteller ihre Ansprüche jeweils gesondert weiterverfolgen.

Schließlich musste das Oberverwaltungsgericht nicht erwägen, dass die Antragsteller bei einem entsprechenden Hinweis möglicherweise nicht darauf bestanden hätten, "das Verfahren weiterhin (unter allen Umständen) als gemeinsame Angelegenheit zu führen". Vielmehr durfte es annehmen, dass den Antragstellern daran gelegen sein musste, eine gerichtliche Klärung darüber herbeizuführen, ob ihnen das geltend gemachte Beteiligungsrecht unter dem Gesichtspunkt der gemeinsamen Angelegenheit zustand. Diese Klärung ist nunmehr erreicht und macht den Antragstellern den Weg dafür frei, ihnen etwa zustehende Beteiligungsrechte aus eigenem Recht gerichtlich durchzusetzen. Welche Vorteile es ihnen gebracht hätte, das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht mit nicht bescheidungsfähigen Hilfsanträgen (§ 39 Abs. 1 BrRiG) und Teilerledigungserklärungen zu befrachten, ist nicht erkennbar.

3. Auf die weiteren Rügen in der Beschwerdebegründung der Antragsteller vom , die sich auf die Begriffe der Maßnahme, der organisatorischen Angelegenheit sowie des Leiters der Dienststelle beziehen, braucht der Senat nicht einzugehen. Beruht die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auf mehreren selbständig tragenden Begründungen, so ist die Rechtsbeschwerde nur zuzulassen, wenn mit der Nichtzulassungsbeschwerde alle diese Begründungen angegriffen werden und die Rügen gegen jede dieser Begründungen für sich betrachtet begründet sind (vgl. BVerwG 6 PB 1.05 - PersR 2005, 323 <324>, insoweit bei Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 24 nicht abgedruckt; BAG, Beschlüsse vom - 1 ABN 18/96 - AP Nr. 33 zu § 72a ArbGG 1979 Divergenz, vom - 9 AZN 575/98 - AP Nr. 39 zu § 72a ArbGG 1979 Divergenz und vom - 4 AZN 857/98 - BAGE 91, 93 <97 f.>). Greifen daher die Rügen hinsichtlich einer selbständig tragenden Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht durch, so kommt es auf die Rügen gegen andere Begründungen des Oberverwaltungsgerichts nicht mehr an. Dies gilt auch für eine Gehörsrüge; denn deren Erfolg ist nach § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG davon abhängig, dass die Gehörsverletzung entscheidungserheblich ist (vgl. Mikosch, in: GK-ArbGG § 72a Rn. 52).

Im vorliegenden Fall beruht die Verneinung des geltend gemachten Beteiligungsrechts durch das Oberverwaltungsgericht selbständig tragend auf der Verneinung der gemeinsamen Angelegenheit. Die darauf bezogenen Rügen der Antragsteller greifen nicht durch, wie oben ausgeführt wurde. Auf die Rügen zu den Hilfsbegründungen des Oberverwaltungsgerichts sowie zu der im angefochtenen Beschluss offengebliebenen Problematik des zur Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens berufenen Dienststellenleiters kommt es folglich nicht mehr an.

Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 1716 Nr. 24
YAAAC-57663