Kapitel IV: Schnellwarnsystem,
Krisenmanagement und Notfälle
Abschnitt 3:
Krisenmanagement
Artikel 55 Allgemeiner Plan für das
Krisenmanagement
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –
gestützt auf den
Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft, insbesondere auf die Artikel 37, 95, 133 und
152 Absatz 4 Buchstabe b),
auf Vorschlag der Kommission
,
nach Stellungnahme des
Wirtschafts- und Sozialausschusses
,
nach Stellungnahme des
Ausschusses der Regionen
,
gemäß dem Verfahren des
Artikels 251 des Vertrags
,
in Erwägung nachstehender
Gründe:
(1) Der freie Verkehr mit
sicheren und bekömmlichen Lebensmitteln ist ein wichtiger Aspekt des
Binnenmarktes und trägt wesentlich zur Gesundheit und zum Wohlergehen der
Bürger und zu ihren sozialen und wirtschaftlichen Interessen bei.
(2) Bei der Durchführung der
Politiken der Gemeinschaft muss ein hohes Maß an Schutz für Leben und
Gesundheit des Menschen gewährleistet werden.
(3) Der freie Verkehr mit
Lebensmitteln und Futtermitteln in der Gemeinschaft ist nur dann möglich, wenn
die Anforderungen an die Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit in den
einzelnen Mitgliedstaaten nicht wesentlich voneinander abweichen.
(4) Die Konzepte, Grundsätze
und Verfahren des Lebensmittelrechts der Mitgliedstaaten weisen große
Unterschiede auf. Wenn die Mitgliedstaaten Maßnahmen betreffend Lebensmittel
erlassen, können diese Unterschiede den freien Verkehr mit Lebensmitteln
behindern, ungleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen und dadurch das
Funktionieren des Binnenmarktes unmittelbar beeinträchtigen.
(5) Eine Angleichung dieser
Konzepte, Grundsätze und Verfahren ist daher notwendig, um eine gemeinsame
Grundlage für Maßnahmen des Lebensmittel- und Futtermittelsektors zu schaffen,
die in den Mitgliedstaaten und auf Gemeinschaftsebene erlassen werden. Jedoch
muss für die Anpassung miteinander kollidierender Bestimmungen im geltenden
Recht sowohl auf nationaler als auch auf gemeinschaftlicher Ebene genügend Zeit
eingeräumt und vorgesehen werden, dass bis zum Abschluss der Anpassung die
geltenden Vorschriften unter Berücksichtigung der in dieser Verordnung
dargelegten Grundsätze angewandt werden.
(6) Wasser wird, wie andere
Lebensmittel auch, unmittelbar oder mittelbar aufgenommen und trägt daher zur
Gesamtexposition des Verbrauchers gegenüber aufgenommenen Stoffen
einschließlich chemischer und mikrobiologischer Kontaminanten bei. Da jedoch
die Kontrolle der Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch bereits im
Rahmen der Richtlinien 80/778/EWG
und 98/83/EG
des Rates erfolgt,
genügt es, Wasser ab der Stelle der Einhaltung gemäß Artikel 6 der
Richtlinie 98/83/EG zu berücksichtigen.
(7) Es sollten auch
Anforderungen an Futtermittel, beispielsweise an die Herstellung und Verwendung
von Futtermitteln, die für die Lebensmittelgewinnung dienende Tiere bestimmt
sind, in das Lebensmittelrecht aufgenommen werden. Dies gilt unbeschadet
entsprechender Anforderungen, die bislang und auch künftig in den
Rechtsvorschriften über Futtermittel für alle Tiere einschließlich Heimtieren
enthalten sind.
(8) Die Gemeinschaft hat sich
für ein hohes Gesundheitsschutzniveau bei der Entwicklung des
Lebensmittelrechts entschieden, das sie ohne Diskriminierung anwendet,
unabhängig davon, ob die Lebensmittel oder Futtermittel auf dem Binnenmarkt
oder international gehandelt werden.
(9) Es muss dafür gesorgt
werden, dass Verbraucher, andere Akteure und Handelspartner dem dem
Lebensmittelrecht zugrunde liegenden Entscheidungsfindungsprozess, seiner
wissenschaftlichen Grundlage und den Strukturen und der Unabhängigkeit der
Institutionen, die für den Schutz der Gesundheit und anderer Belange zuständig
sind, Vertrauen entgegenbringen.
(10) Die Erfahrung hat gezeigt,
dass es zum Schutz der menschlichen Gesundheit und für das reibungslose
Funktionieren des Binnenmarktes notwendig ist, Maßnahmen zu treffen, die
gewährleisten, dass nicht sichere Lebensmittel nicht in den Verkehr gelangen
und dass Systeme vorhanden sind, mit deren Hilfe Probleme der
Lebensmittelsicherheit erkannt werden können und hierauf reagiert werden kann.
Auch im Zusammenhang mit der Sicherheit von Futtermitteln müssen diese Fragen
angegangen werden.
(11) Für ein hinreichend
umfassendes einheitliches Konzept der Lebensmittelsicherheit muss die
Definition des Lebensmittelrechts so weit gefasst werden, dass sie ein großes
Spektrum an Bestimmungen abdeckt, die sich mittelbar oder unmittelbar auf die
Sicherheit von Lebensmitteln und Futtermitteln auswirken, darunter auch
Vorschriften zu Materialien und Gegenständen, die mit Lebensmitteln in
Berührung kommen, zu Futtermitteln und anderen landwirtschaftlichen
Produktionsmitteln auf der Ebene der Primärproduktion.
(12) Um Lebensmittelsicherheit
gewährleisten zu können, müssen alle Aspekte der Lebensmittelherstellungskette
als Kontinuum betrachtet werden, und zwar von – einschließlich –
der Primärproduktion und der Futtermittelproduktion bis hin –
einschließlich – zum Verkauf bzw. zur Abgabe der Lebensmittel an den
Verbraucher, da jedes Glied dieser Kette eine potenzielle Auswirkung auf die
Lebensmittelsicherheit haben kann.
(13) Die Erfahrung hat gezeigt,
dass es aus diesem Grund notwendig ist, auch die Erzeugung, die Herstellung,
den Transport und den Vertrieb von Futtermitteln, die an der
Lebensmittelgewinnung dienende Tiere verfüttert werden, zu berücksichtigen,
einschließlich der Zucht von Tieren, die in Fischzuchtbetrieben als Futter
verwendet werden können, da die absichtliche oder unabsichtliche Kontamination
von Futtermitteln, die Verfälschung oder betrügerische oder andere unzulässige
Praktiken im Zusammenhang damit eine mittelbare oder unmittelbare Auswirkung
auf die Lebensmittelsicherheit haben können.
(14) Aus dem gleichen Grund ist
es notwendig, auch andere Verfahren und landwirtschaftliche Produktionsmittel
auf der Ebene der Primärproduktion und ihre potenziellen Auswirkungen auf die
Lebensmittelsicherheit insgesamt zu berücksichtigen.
(15) Die Vernetzung von
Spitzenlabors auf regionaler und/oder überregionaler Ebene zur kontinuierlichen
Überwachung der Lebensmittelsicherheit könnte erheblich zur Verhütung
potenzieller gesundheitlicher Risiken für die Menschen beitragen.
(16) Die von den
Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft erlassenen Maßnahmen für Lebensmittel und
Futtermittel sollten in der Regel auf einer Risikoanalyse beruhen, es sei denn,
dies ist angesichts der Umstände oder der Art der Maßnahme nicht angebracht.
Die Durchführung einer Risikoanalyse vor dem Erlass solcher Maßnahmen sollte
dazu beitragen, dass ungerechtfertigte Hemmnisse für den freien Verkehr mit
Lebensmitteln vermieden werden.
(17) Soweit das
Lebensmittelrecht die Verringerung, Ausschaltung oder Vermeidung eines
Gesundheitsrisikos anstrebt, ergibt sich aus den drei miteinander verbundenen
Einzelschritten der Risikoanalyse, nämlich Risikobewertung, Risikomanagement
und Risikokommunikation, eine systematische Methodik zur Ermittlung effektiver,
angemessener und gezielter Maßnahmen oder sonstiger Aktionen des
Gesundheitsschutzes.
(18) Im Interesse des
Vertrauens in die wissenschaftliche Basis des Lebensmittelrechts sollten
Risikobewertungen unabhängig, objektiv und transparent auf der Grundlage der
verfügbaren wissenschaftlichen Informationen und Daten durchgeführt
werden.
(19) Es wird allgemein
anerkannt, dass die wissenschaftliche Risikobewertung allein in manchen Fällen
nicht alle Informationen liefert, auf die sich eine
Risikomanagemententscheidung gründen sollte, und dass auch noch andere für den
jeweils zu prüfenden Sachverhalt relevante Faktoren wie beispielsweise
gesellschaftliche, wirtschaftliche und ethische Gesichtspunkte, Traditionen und
Umwelterwägungen wie auch die Frage der Kontrollierbarkeit zu berücksichtigen
sind.
(20) Zur Gewährleistung des
Gesundheitsschutzniveaus in der Gemeinschaft wurde das Vorsorgeprinzip
herangezogen, wodurch Hemmnisse für den freien Verkehr mit Lebensmitteln und
Futtermitteln geschaffen wurden. Deshalb muss gemeinschaftsweit eine
einheitliche Grundlage für die Anwendung dieses Prinzips geschaffen
werden.
(21) In besonderen Fällen, in
denen ein Risiko für Leben oder Gesundheit gegeben ist, wissenschaftlich aber
noch Unsicherheit besteht, ergibt sich aus dem Vorsorgeprinzip ein Mechanismus
zur Ermittlung von Risikomanagementmaßnahmen oder anderen Aktionen, um das in
der Gemeinschaft gewählte hohe Gesundheitsschutzniveau
sicherzustellen.
(22) Die Lebensmittelsicherheit
und der Schutz der Verbraucherinteressen sind in zunehmendem Maß ein Anliegen
der Öffentlichkeit, der Nichtregierungsorganisationen, Fachverbände,
internationalen Handelspartner und Handelsorganisationen. Es muss dafür gesorgt
werden, dass das Vertrauen der Verbraucher und der Handelspartner durch eine
offene und transparente Entwicklung des Lebensmittelrechts gewährleistet wird,
sowie auch dadurch, dass die Behörden in geeigneter Weise dafür sorgen, dass
die Öffentlichkeit informiert wird, wenn ein hinreichender Verdacht dafür
vorliegt, dass ein Lebensmittel ein Gesundheitsrisiko darstellen kann.
(23) Sicherheit und Vertrauen
der Verbraucher in der Gemeinschaft und in Drittländern sind von größter
Bedeutung. Die Gemeinschaft ist ein wichtiger globaler Handelspartner im
Lebensmittel- und Futtermittelsektor und ist als solcher internationalen
Handelsabkommen beigetreten, an der Entwicklung internationaler Normen zum
Lebensmittelrecht beteiligt und unterstützt die Grundsätze des freien Handels
mit sicheren Futtermitteln und sicheren, bekömmlichen Lebensmitteln, ohne
Diskriminierung, nach lauteren und ethisch einwandfreien
Handelsgepflogenheiten.
(24) Es muss sichergestellt
werden, dass aus der Gemeinschaft ausgeführte oder wieder ausgeführte
Lebensmittel und Futtermittel dem Gemeinschaftsrecht oder den vom Einfuhrland
gestellten Anforderungen entsprechen. Andernfalls können Lebensmittel und
Futtermittel nur dann ausgeführt oder wieder ausgeführt werden, wenn das
Einfuhrland ausdrücklich zugestimmt hat. Auch bei Zustimmung des Einfuhrlandes
muss aber sichergestellt sein, dass keine gesundheitsschädlichen Lebensmittel
oder nicht sicheren Futtermittel ausgeführt oder wieder ausgeführt
werden.
(25) Es ist notwendig, die
allgemeinen Grundsätze für den Handel mit Lebensmitteln und Futtermitteln und
die Ziele und Grundsätze für den Beitrag der Gemeinschaft zur Ausarbeitung
internationaler Normen und Handelsabkommen festzulegen.
(26) Einige Mitgliedstaaten
haben horizontale Rechtsvorschriften zur Lebensmittelsicherheit erlassen und
dabei insbesondere den Unternehmen die allgemeine Verpflichtung auferlegt, nur
Lebensmittel in Verkehr zu bringen, die sicher sind. Allerdings wenden diese
Mitgliedstaaten bei der Entscheidung, ob ein Lebensmittel sicher ist,
unterschiedliche Basiskriterien an. Angesichts dieser unterschiedlichen
Konzepte und des Fehlens horizontaler Rechtsvorschriften in anderen
Mitgliedstaaten sind Hemmnisse für den Handel mit Lebensmitteln zu erwarten.
Ähnliche Hemmnisse können auch im Handel mit Futtermitteln entstehen.
(27) Es ist daher notwendig,
allgemeine Anforderungen dahin gehend einzuführen, dass nur sichere
Lebensmittel und Futtermittel in Verkehr gebracht werden, damit der Binnenmarkt
für solche Erzeugnisse reibungslos funktioniert.
(28) Die Erfahrung hat gezeigt,
dass das Funktionieren des Binnenmarktes im Lebensmittel- oder
Futtermittelsektor gefährdet sein kann, wenn Lebensmittel und Futtermittel
nicht rückverfolgt werden können. Es ist daher notwendig, ein umfassendes
System der Rückverfolgbarkeit bei Lebensmittel- und Futtermittelunternehmen
festzulegen, damit gezielte und präzise Rücknahmen vorgenommen bzw. die
Verbraucher oder die Kontrollbediensteten entsprechend informiert und damit
womöglich unnötige weiter gehende Eingriffe bei Problemen der
Lebensmittelsicherheit vermieden werden können.
(29) Es muss sichergestellt
werden, dass ein Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmen einschließlich des
Importeurs zumindest das Unternehmen feststellen kann, das das Lebensmittel
oder Futtermittel, das Tier oder die Substanz, die möglicherweise in einem
Lebensmittel oder Futtermittel verarbeitet wurden, geliefert hat, damit bei
einer Untersuchung die Rückverfolgbarkeit in allen Stufen gewährleistet
ist.
(30) Der
Lebensmittelunternehmer ist am besten in der Lage, ein sicheres System der
Lebensmittellieferung zu entwickeln und dafür zu sorgen, dass die von ihm
gelieferten Lebensmittel sicher sind; er sollte daher auch die primäre
rechtliche Verantwortung für die Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit
tragen. Dieser Grundsatz gilt zwar in einigen Mitgliedstaaten und Teilbereichen
des Lebensmittelrechts, ist aber in anderen Bereichen nicht ausdrücklich
festgelegt, oder die Verantwortung geht infolge der von der zuständigen Behörde
des Mitgliedstaats durchgeführten Kontrollen auf diese Behörden über. Solche
Diskrepanzen können Handelshemmnisse schaffen und den Wettbewerb zwischen
Lebensmittelunternehmern in verschiedenen Mitgliedstaaten
beeinträchtigen.
(31) Entsprechende
Anforderungen sollten für Futtermittel und Futtermittelunternehmer
gelten.
(32) Die wissenschaftliche und
technische Basis der Rechtsetzung der Gemeinschaft im Bereich der Lebensmittel-
und Futtermittelsicherheit sollte zur Erzielung eines hohen
Gesundheitsschutzniveaus in der Gemeinschaft beitragen. Die Gemeinschaft sollte
auf hochwertige, unabhängige und effiziente wissenschaftliche und technische
Unterstützung zurückgreifen können.
(33) Die wissenschaftlichen und
technischen Fragen im Zusammenhang mit der Lebensmittel- und
Futtermittelsicherheit werden immer wichtiger und komplexer. Die Errichtung
einer Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, nachstehend „die
Behörde” genannt, soll das derzeitige System der wissenschaftlichen und
technischen Unterstützung, das den immer höheren Anforderungen nicht mehr
gewachsen ist, verstärken.
(34) Die Behörde sollte bei der
Risikobewertung im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des
Lebensmittelrechts als unabhängige wissenschaftliche Referenzstelle fungieren
und dadurch zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes beitragen.
Sie kann für die Begutachtung in strittigen wissenschaftlichen Fragen in
Anspruch genommen werden, damit die Gemeinschaftsorgane und die Mitgliedstaaten
zur Gewährleistung der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit notwendige
Risikomanagemententscheidungen in Kenntnis der Sachlage treffen können, was
gleichzeitig dazu beiträgt, dass der Binnenmarkt nicht durch neue
ungerechtfertigte oder unnötige Hindernisse für den freien Verkehr mit
Lebensmitteln und Futtermitteln aufgesplittert wird.
(35) Die Behörde sollte eine
unabhängige wissenschaftliche Quelle für Beratung, Information und
Risikokommunikation zur Stärkung des Vertrauens der Verbraucher darstellen. Im
Interesse der Kohärenz zwischen den Aufgabenbereichen Risikobewertung,
Risikomanagement und Risikokommunikation sollte jedoch das Zusammenwirken von
Verantwortlichen für die Risikobewertung und Verantwortlichen für das
Risikomanagement verstärkt werden.
(36) Die Behörde sollte einen
umfassenden, unabhängigen wissenschaftlichen Überblick über die Sicherheit und
andere Aspekte der gesamten Lebensmittel- und Futtermittelkette vermitteln, was
weit reichende Kompetenzen für die Behörde voraussetzt. Diese Kompetenzen
sollten sich auf Fragen erstrecken, die einen mittelbaren oder unmittelbaren
Einfluss auf die Sicherheit der Lebensmittel- und Futtermittelkette, auf
Tiergesundheit, Tierschutz und Pflanzenschutz haben. Es muss jedoch
sichergestellt sein, dass der Schwerpunkt der Arbeit der Behörde auf der
Lebensmittelsicherheit liegt; ihr Auftrag in Bezug auf Fragen der
Tiergesundheit, des Tierschutzes und des Pflanzenschutzes sollte, soweit kein
Zusammenhang mit der Sicherheit der Lebensmittelkette besteht, auf die
Erstellung wissenschaftlicher Gutachten beschränkt sein. Ferner sollte die
Behörde die Aufgabe haben, in Fragen der menschlichen Ernährung im Zusammenhang
mit dem Gemeinschaftsrecht wissenschaftliche Gutachten zu erstellen und
wissenschaftliche und technische Unterstützung zu leisten und die Kommission
– auf deren Antrag hin – im Bereich der Information im Zusammenhang
mit Gesundheitsprogrammen der Gemeinschaft zu unterstützen.
(37) Da einige nach dem
Lebensmittelrecht zugelassene Produkte wie Schädlingsbekämpfungsmittel oder
Zusatzstoffe in Futtermitteln Risiken für die Umwelt oder die Sicherheit der
Arbeitnehmer mit sich bringen können, sollten auch einige Aspekte des Umwelt-
und des Arbeitsschutzes nach den einschlägigen Rechtsvorschriften von der
Behörde bewertet werden.
(38) Um Doppelarbeit bei der
wissenschaftlichen Bewertung und den Gutachten über genetisch veränderte
Organismen (GVO) zu vermeiden, sollte die Behörde unbeschadet der in der
Richtlinie 2001/18/EG
festgelegten Verfahren auch wissenschaftliche Gutachten zu anderen Erzeugnissen
als Lebensmitteln und Futtermitteln abgeben, die sich auf genetisch veränderte
Organismen im Sinne der genannten Richtlinie beziehen.
(39) Die Behörde sollte die
Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten auch bei der Ausarbeitung und Einführung
internationaler Lebensmittelsicherheitsstandards und bei Handelsabkommen in
wissenschaftlichen Fragen unterstützen.
(40) Das Vertrauen der
Gemeinschaftsorgane, der Öffentlichkeit und der Beteiligten in die Behörde ist
von entscheidender Bedeutung. Deshalb muss ihre Unabhängigkeit, ihre hohe
wissenschaftliche Qualität, Transparenz und Effizienz unbedingt gewährleistet
sein. Auch die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ist
unverzichtbar.
(41) Daher sollte die Ernennung
der Mitglieder des Verwaltungsrats so erfolgen, dass die höchste fachliche
Qualifikation, ein breites Spektrum an einschlägigem Fachwissen, beispielsweise
in den Bereichen Management und öffentliche Verwaltung, und die größtmögliche
geografische Streuung in der Union gewährleistet sind. Dies sollte durch ein
System der Rotation zwischen den verschiedenen Herkunftsländern der Mitglieder
des Verwaltungsrates erleichtert werden, wobei kein Posten Angehörigen eines
bestimmten Mitgliedstaats vorbehalten sein darf.
(42) Damit die Behörde ihre
Funktion erfüllen kann, sollte sie über die Mittel verfügen, die sie zur
Wahrnehmung aller an sie gestellten Aufgaben benötigt.
(43) Der Verwaltungsrat sollte
die notwendigen Befugnisse zur Feststellung des Haushaltsplans, zur Überprüfung
seiner Ausführung, zur Aufstellung der internen Regeln, zum Erlass von
Finanzvorschriften, zur Ernennung von Mitgliedern des Wissenschaftlichen
Ausschusses und der wissenschaftlichen Gremien und zur Ernennung des
Geschäftsführenden Direktors erhalten.
(44) Um ihre Tätigkeit
effizient wahrzunehmen, sollte die Behörde eng mit den zuständigen Stellen in
den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten. Ein Beirat sollte eingesetzt werden, der
den geschäftsführenden Direktor berät, einen Mechanismus für den
Informationsaustausch schafft und eine enge Zusammenarbeit insbesondere im
Hinblick auf das Vernetzungssystem sicherstellt. Diese Zusammenarbeit und ein
angemessener Informationsaustausch sollten auch dazu führen, dass divergierende
wissenschaftliche Gutachten möglichst selten vorkommen.
(45) Die Behörde sollte, was
die wissenschaftliche Begutachtung anbelangt, in ihrem Zuständigkeitsbereich
die Aufgabe der der Kommission angeschlossenen Wissenschaftlichen Ausschüsse
übernehmen. Diese Ausschüsse müssen reorganisiert werden, um eine bessere
wissenschaftliche Kohärenz in Bezug auf die Lebensmittelkette zu gewährleisten
und ihre Tätigkeit effizienter zu gestalten. Deshalb sollten für die Erstellung
dieser Gutachten innerhalb der Behörde ein Wissenschaftlicher Ausschuss und
Ständige Wissenschaftliche Gremien eingesetzt werden.
(46) Um ihre Unabhängigkeit zu
gewährleisten, sollten als Mitglieder des Wissenschaftlichen Ausschusses und
der Wissenschaftlichen Gremien auf der Grundlage eines offenen
Bewerbungsverfahrens unabhängige Wissenschaftler berufen werden.
(47) Die Rolle der Behörde als
unabhängige wissenschaftliche Referenzstelle bedeutet, dass ein
wissenschaftliches Gutachten nicht nur von der Kommission angefordert werden
kann, sondern auch vom Europäischen Parlament und von den Mitgliedstaaten. Um
sicherzustellen, dass der Prozess der Erstellung wissenschaftlicher Gutachten
handhabbar und kohärent ist, sollte die Behörde die Möglichkeit haben, einen
Antrag anhand von vorab festgelegten Kriterien mit entsprechender Begründung
abzulehnen oder abzuändern. Auch sind Maßnahmen zu treffen, die dazu beitragen,
dass divergierende wissenschaftliche Gutachten möglichst vermieden werden, und
für den Fall, dass Gutachten wissenschaftlicher Gremien dennoch voneinander
abweichen, sind Verfahren vorzusehen, nach denen die Divergenzen beseitigt oder
den für das Risikomanagement Verantwortlichen eine transparente Basis
wissenschaftlicher Informationen zur Verfügung gestellt wird.
(48) Die Behörde sollte ferner
in der Lage sein, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen
wissenschaftlichen Studien in Auftrag zu geben, wobei sie sicherstellen muss,
dass bei den von ihr aufgebauten Verbindungen zur Kommission und zu den
Mitgliedstaaten Doppelarbeit vermieden wird. Dies sollte in offener und
transparenter Weise erfolgen und die Behörde sollte Fachkompetenz und
Strukturen, die in der Gemeinschaft bereits bestehen, berücksichtigen.
(49) Das Fehlen eines wirksamen
Systems zur Sammlung und Auswertung von Daten zur Lebensmittelkette auf
Gemeinschaftsebene gilt als erhebliches Manko. Deshalb sollte in Form eines von
der Behörde koordinierten Netzes ein Sammel- und Auswertungssystem für
einschlägige Daten in den Aufgabenbereichen der Behörde eingerichtet werden.
Dafür bedarf es einer Überprüfung der in diesen Bereichen bereits bestehenden
Datensammelnetze der Gemeinschaft.
(50) Eine bessere
Identifizierung neu auftretender Risiken kann sich langfristig für die
Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft bei der Umsetzung ihrer Politiken als
wichtiges Präventionsinstrument erweisen. Deshalb muss der Behörde auch die
Aufgabe der vorausschauenden Informationsbeschaffung und Beobachtung sowie der
Bewertung neu auftretender Risiken und der Unterrichtung darüber zum Zwecke der
Prävention zugewiesen werden.
(51) Die Errichtung der Behörde
sollte es den Mitgliedstaaten ermöglichen, stärker an den wissenschaftlichen
Verfahren beteiligt zu werden. Es sollte daher eine enge Zusammenarbeit
zwischen der Behörde und den Mitgliedstaaten herbeigeführt werden. Insbesondere
sollte die Behörde bestimmte Aufgaben an Organisationen in den Mitgliedstaaten
übertragen können.
(52) Zwischen der
Notwendigkeit, nationale Organisationen zur Ausführung von Aufgaben für die
Behörde in Anspruch zu nehmen, und der Notwendigkeit der Einhaltung der hierzu
festgelegten Kriterien im Interesse der Gesamtkohärenz muss ein Gleichgewicht
gefunden werden. Die bestehenden Verfahren für die Zuweisung wissenschaftlicher
Aufgaben an die Mitgliedstaaten, insbesondere in Bezug auf die Bewertung von
der Industrie eingereichter Unterlagen für die Zulassung bestimmter Stoffe,
Produkte oder Verfahren, sollten innerhalb eines Jahres im Hinblick auf die
Errichtung der Behörde und die dadurch gebotenen neuen Möglichkeiten überprüft
werden, wobei sichergestellt werden muss, dass die Bewertungsverfahren
mindestens so streng sind wie zuvor.
(53) Die Kommission bleibt voll
verantwortlich für die Information über Risikomanagementmaßnahmen; daher
sollten zwischen der Behörde und der Kommission die entsprechenden
Informationen ausgetauscht werden; eine enge Zusammenarbeit zwischen der
Behörde, der Kommission und den Mitgliedstaaten ist auch erforderlich, um die
Kohärenz des Kommunikationsprozesses insgesamt zu gewährleisten.
(54) Die Unabhängigkeit der
Behörde und ihre Rolle bei der Aufklärung der Öffentlichkeit setzen voraus,
dass sie in den in ihre Zuständigkeit fallenden Bereichen autonom informieren
kann, wobei ihre Aufgabe darin besteht, objektive, verlässliche und leicht
verständliche Informationen zu vermitteln.
(55) In dem besonderen Bereich
der öffentlichen Informationskampagnen ist zur Berücksichtigung der regionalen
Gegebenheiten und des Zusammenhangs mit der Gesundheitspolitik eine sachgemäße
Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und anderen interessierten Parteien
notwendig.
(56) Über ihre an
Unabhängigkeit und Transparenz ausgerichteten Leitprinzipien hinaus sollte die
Behörde für Kontakte mit Verbrauchern und anderen Beteiligten offen
sein.
(57) Die Behörde sollte über
den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union finanziert werden. Allerdings
sollte innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten dieser Verordnung anhand
der insbesondere bei der Bearbeitung der von der Industrie eingereichten
Genehmigungsunterlagen gesammelten Erfahrungen die Möglichkeit einer
Gebührenerhebung geprüft werden. Für etwaige Zuschüsse aus dem
Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union bleibt das Haushaltsverfahren der
Gemeinschaft anwendbar. Die Rechnungsprüfung sollte durch den Rechnungshof
erfolgen.
(58) Europäischen Ländern, die
nicht Mitglied der Europäischen Union sind und Abkommen geschlossen haben, nach
denen sie verpflichtet sind, die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts in dem in
dieser Verordnung erfassten Bereich umzusetzen und durchzuführen, muss die
Möglichkeit einer Beteiligung eingeräumt werden.
(59) Ein Schnellwarnsystem
besteht bereits im Rahmen der Richtlinie 92/59/EWG des Rates vom 29. Juni 1992
über die allgemeine Produktsicherheit
. Der Anwendungsbereich
dieses Systems umfasst Lebensmittel und Industrieerzeugnisse, nicht jedoch
Futtermittel. Die jüngsten Krisen im Lebensmittelsektor haben die Notwendigkeit
eines verbesserten und erweiterten Schnellwarnsystems für Lebensmittel und
Futtermittel aufgezeigt. Dieses überarbeitete System sollte von der Kommission
verwaltet werden und als Mitglieder des Netzes die Mitgliedstaaten, die
Kommission und die Behörde umfassen. Es sollte sich nicht auf die
Gemeinschaftsvereinbarungen für den beschleunigten Informationsaustausch im
Fall einer radiologischen Notstandssituation nach der
Entscheidung 87/600/Euratom des Rates
erstrecken.
(60) Vorkommnisse im
Zusammenhang mit der Lebensmittelsicherheit in jüngerer Zeit haben gezeigt,
dass es notwendig ist, geeignete Maßnahmen für Notfallsituationen festzulegen,
wonach auf alle Lebensmittel unabhängig von ihrer Art und Herkunft und alle
Futtermittel bei einer ernsthaften Gefährdung der Gesundheit von Mensch und
Tier und der Umwelt einheitliche Verfahren angewandt werden können. Durch einen
solchen umfassenden Ansatz für Sofortmaßnahmen zur Lebensmittelsicherheit
dürfte es möglich sein, wirksam einzugreifen und künstliche Diskrepanzen beim
Umgang mit einem ernsthaften Risiko im Zusammenhang mit Lebensmitteln und
Futtermitteln zu vermeiden.
(61) Die jüngsten Krisen im
Lebensmittelsektor haben auch gezeigt, welche Vorteile gut konzipierte,
zügigere Verfahren des Krisenmanagements für die Kommission mit sich bringen
würden. Solche organisatorischen Verfahren sollten es ermöglichen, die
Koordinierung der Maßnahmen zu verbessern und die wirksamsten Lösungen nach dem
neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu ermitteln. Bei den
überarbeiteten Verfahren sollten daher die Zuständigkeiten der Behörde
berücksichtigt und ihre wissenschaftliche und technische Unterstützung bei
Lebensmittelkrisen in Form von Gutachten vorgesehen werden.
(62) Zur Gewährleistung einer
effizienteren Gesamtkonzeption für die Lebensmittelkette sollte ein Ständiger
Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit eingerichtet werden, der
den Ständigen Veterinärausschuss, den Ständigen Lebensmittelausschuss und den
Ständigen Futtermittelausschuss ersetzt. Die Beschlüsse 68/361/EWG
, 69/414/EWG
und 70/372/EWG
des Rates sind
dementsprechend aufzuheben. Aus demselben Grund sollte der Ausschuss für die
Lebensmittelkette und Tiergesundheit auch den Ständigen Ausschuss für
Pflanzenschutz in Bezug auf dessen Zuständigkeit für Pflanzenschutzmittel und
für die Festsetzung von Rückstandshöchstgehalten (gemäß den Richtlinien
76/895/EG
, 86/362/EG
, 86/363/EWG
, 90/642/EWG
und 91/414/EWG
ersetzen.
(63) Die zur Durchführung
dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem
Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der
Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen
Durchführungsbefugnisse
erlassen
werden.
(64) Die Unternehmer müssen
genügend Zeit erhalten, um sich an einige der in dieser Verordnung festgelegten
Anforderungen anzupassen, und die Europäische Behörde für
Lebensmittelsicherheit sollte ihre Tätigkeit am 1. Januar 2002
aufnehmen.
(65) Es ist wichtig, dass eine
Überschneidung der Aufgaben der Behörde mit den Aufgaben der mit Verordnung
(EWG) Nr. 2309/93 des Rates
errichteten Europäischen Agentur für die
Beurteilung von Arzneimitteln (EMEA) vermieden wird. Es muss daher festgehalten
werden, dass die vorliegende Verordnung unbeschadet der durch
Gemeinschaftsvorschriften der EMEA übertragenen Befugnisse gilt. Hierzu zählen
auch die der Agentur aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 des Rates vom
26. Juni 1990 zur Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die Festsetzung
von Höchstmengen für Tierarzneimittelrückstände in Nahrungsmitteln tierischen
Ursprungs
übertragenen Befugnisse.
(66) Zur Erreichung der
grundlegenden Ziele dieser Verordnung ist es erforderlich und angemessen, eine
Angleichung der Konzepte, Grundsätze und Verfahren, die eine gemeinsame
Grundlage für das Lebensmittelrecht in der Gemeinschaft bilden, vorzusehen und
eine Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit zu errichten. Entsprechend
dem in Artikel 5 des Vertrags verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
geht diese Verordnung nicht über das zur Erreichung der Ziele erforderliche Maß
hinaus –
HABEN FOLGENDE VERORDNUNG
ERLASSEN:
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