Zum Ende der Organschaft, wenn für die Organgesellschaft ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird
Gesetze: UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2, InsO § 21, InsO § 55
Instanzenzug:
Gründe
I. Zwischen den Beteiligten ist der Zeitpunkt der Beendigung der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zwischen der X-GmbH & Co. KG (KG) als Organträgerin und der X-Gesellschaft mbH (GmbH) als Organgesellschaft streitig.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der KG. Darüber hinaus war er durch Beschluss des Amtsgerichts Z vom zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH bestellt worden. In dem Beschluss heisst es unter anderem:
„Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens sind nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam (§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Fall InsO).
Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht allgemeiner Vertreter der Schuldnerin. Er hat die Aufgabe, durch Überwachung der Schuldnerin deren Vermögen zu sichern und zu erhalten.
Den Schuldnern der Schuldnerin (Drittschuldnern) wird verboten, an die Schuldnerin zu zahlen. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Drittschuldner werden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO).”
Am wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) erließ für die Monate Februar, März und April 2003 geänderte Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide an die KG mit Vorsteuerberichtigungen für die GmbH. Das FA war der Auffassung, dass die Entgelte für Leistungsbezüge der GmbH spätestens ab Februar 2003 uneinbringlich i.S. des § 17 Abs. 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 geworden seien.
Hiergegen richtete sich der Einspruch, mit dem die KG geltend machte, die Organschaft mit der GmbH sei bereits mit der Bestellung des Klägers zum vorläufigen Insolvenzverwalter im Februar 2003 beendet gewesen. Vorsteuerberichtigungen hätten deshalb ab diesem Zeitpunkt nur noch gegenüber der GmbH geltend gemacht werden können.
Die Klage hiergegen hatte keinen Erfolg. Zur Begründung seines Urteils führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus, das FA habe für die Monate Februar bis April 2003 zu Recht die von der GmbH ausgeführten Umsätze und die erforderlichen Vorsteuerkorrekturen bei der KG erfasst. Die Organschaft zwischen der KG und der GmbH sei nicht bereits mit der Bestellung des Klägers zum vorläufigen Insolvenzverwalter am beendet gewesen, sondern erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH am . Dem Kläger seien nur die Befugnisse eines sogenannten schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters eingeräumt worden. In diesem Fall ende die Organschaft nicht bereits mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters, sondern erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, es sei von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), ob es ausnahmsweise dann zur Beendigung der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft komme, wenn bei der Organgesellschaft zwar ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt werde, dieser aber aufgrund der tatsächlichen Amtsführung und seines damit einhergehenden Einflusses auf die Unternehmensführung der Organgesellschaft alle wesentlichen Entscheidungen der Organgesellschaft eigenverantwortlich und ohne deren Mitwirkung oder Gegenwehr treffe. Formal sei er, der Kläger, zwar zu einem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden, tatsächlich aber habe er eine Vielzahl maßgeblicher Entscheidungen eigenverantwortlich und ohne inhaltliche Mitwirkung der GmbH getroffen.
Die Frage, ob in Einzelfällen auch die Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters zur Beendigung der organisatorischen Eingliederung führen könne, sei insbesondere nicht durch das Urteil des Senats vom V R 24/03 (BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905) geklärt. Nach der Entscheidung des Senats verbleibe in diesen Fällen die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nur „regelmäßig” beim Schuldner. Das lasse die Möglichkeit einer anderen Beurteilung in Einzelfällen gerade offen.
Auch die Formulierung des Senats, die organisatorische Eingliederung bleibe bei vergleichbar starker Stellung von vorläufigem Insolvenzverwalter und Organträger bestehen, „solange” dem vorläufigen Insolvenzverwalter eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung nicht möglich sei, lasse die Möglichkeit einer anderen Beurteilung in Ausnahmefällen zu.
Schließlich habe der Bundesfinanzhof (BFH) in dem der Entscheidung in BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905 zugrunde liegenden Sachverhalt die Ermächtigung des vorläufigen Insolvenzverwalters, in dringenden Fällen mit Wirkung für die Schuldnerin rechtsverbindlich zu handeln, als unbeachtlich beurteilt und auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit abgestellt. Wenn aber ein hinter der Ermächtigung zurückbleibendes tatsächliches Handeln entscheidende Bedeutung zukommen könne, so müsse das auch für ein über die Ermächtigung hinausgehendes Handeln gelten.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), weil sie nicht klärungsbedürftig ist. Eine Rechtsfrage ist insbesondere dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage erforderlich machen (BFH-Beschlüsse vom IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587; vom X B 40/99, BFH/NV 2000, 563; vom V B 23/04, BFH/NV 2007, 60). So ist es hier. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Organschaft endet, wenn für die Organgesellschaft ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird, ist durch das Urteil des Senats in BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905 geklärt. Der Senat hat darin Folgendes ausgeführt:
„Der vorläufige Insolvenzverwalter, auf den infolge eines allgemeinen Verfügungsverbots die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, wird auch als 'starker' vorläufiger Insolvenzverwalter bezeichnet. Seine Rechtsstellung unterscheidet sich deutlich von der des sog. 'schwachen' Insolvenzverwalters, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners nicht übergegangen ist. So gelten die von einem 'starken' vorläufigen Insolvenzverwalter begründeten Verbindlichkeiten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 2 Satz 1 InsO). Bei Rechtsstreiten, die das Vermögen des Schuldners betreffen, wird das Verfahren nach § 240 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) unterbrochen, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht. Bei dem sog. schwachen Insolvenzverwalter treten diese Rechtsfolgen nicht ein.
Dementsprechend bleibt die Organschaft, bei der der Organträger weiterhin als Geschäftsführer der von der Insolvenz bedrohten Organgesellschaft tätig ist und die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners nicht auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht, regelmäßig bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhalten. Dies gilt auch dann, wenn das Insolvenzgericht gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative InsO anordnet, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (so auch Maus in Uhlenbruck, Kommentar zur Insolvenzordnung, § 22 Rz. 190). In diesem Fall sind zwar Verfügungen des Schuldners ohne die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters grundsätzlich unwirksam (vgl. § 24 Abs. 1, § 81 InsO); andererseits kann aber auch der vorläufige Insolvenzverwalter grundsätzlich nicht (allein) über das Vermögen des Schuldners verfügen; Schuldner und vorläufiger Insolvenzverwalter haben eine vergleichbar starke Stellung ... .
Danach ist geklärt, dass es nicht auf die tatsächliche Amtsführung oder die etwaige Anmaßung ihm nicht übertragener Rechte durch den vorläufigen Insolvenzverwalter ankommt. Die Einschränkung im vorbezeichneten BFH-Urteil in BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905, dass die Organschaft nur „regelmäßig” bestehen bleibe, lässt zwar die Möglichkeit einer anderen Beurteilung in atypischen Fällen offen. Die rein tatsächliche Anmaßung nicht übertragener Rechte durch den vorläufigen Insolvenzverwalter stellt aber schon deshalb keinen atypischen Fall dar, weil das Urteil ausdrücklich auf die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis abstellt und nicht auf deren faktische Ausübung (vgl. auch , BFH/NV 2007, 787). Der Kläger hat keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die eine erneute Entscheidung dieser Rechtsfrage erforderlich erscheinen lassen. Im Übrigen hat das FG mit für den Senat bindender Wirkung (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, dass der Kläger nicht allein über das Vermögen der GmbH hat verfügen dürfen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1936 Nr. 10
UR 2007 S. 809 Nr. 21
GAAAC-54153