Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZVG § 31; ZVG § 74a; ZVG § 74a Abs. 3 Satz 1; ZVG § 77 Abs. 1; ZVG § 85a; ZVG § 85a Abs. 1; ZVG § 85a Abs. 2; ZVG § 85a Abs. 2 Satz 1; ZVG § 85a Abs. 2 Satz 2; ZVG § 101 Abs. 1; ZPO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; ZPO § 577 Abs. 5 Satz 1
Instanzenzug: AG Otterndorf 9a K 19/04 vom LG Stade 7 T 262/06 vom
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 2 betreibt die Zwangsversteigerung des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundstücks der Beteiligten zu 1. Der Verkehrswert des Objekts wurde auf 190.000 € festgesetzt.
In dem ersten Versteigerungstermin gab einzig die Terminsvertreterin der Beteiligten zu 2 im eigenen Namen ein Gebot von 70.000 € ab. Das Amtsgericht versagte den Zuschlag nach § 85a Abs. 1 ZVG.
In dem von Amts wegen bestimmten zweiten Versteigerungstermin wurde kein Gebot abgegeben. Das Amtsgericht stellte das Verfahren ein.
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 wurde ein dritter Termin bestimmt. In diesem gab allein die Beteiligte zu 3 ein Gebot von 57.000 € ab. Das Amtsgericht erteilte darauf den Zuschlag.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist ohne Erfolg geblieben. Mit der - von dem Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1 ihr Ziel weiter, dass der Zuschlag auf das Gebot der Beteiligten zu 3 versagt wird.
II.
Das Beschwerdegericht meint, das Vollstreckungsgericht habe den Zuschlag auf das von der Beteiligten zu 3 in dem dritten Versteigerungstermin abgegebene Gebot zu Recht erteilt, obwohl dieses mit 57.000 € die 5/10-Wertgrenze (§ 85a Abs. 1 ZVG) nicht erreicht habe.
Der Zuschlag dürfe nach § 85a Abs. 2 Satz 2 ZVG nicht mehr versagt werden, nachdem er bereits einmal auf das im ersten Termin von der Gläubigervertreterin abgegebene Gebot wegen Nichterreichens der in § 85a Abs. 1 ZVG bestimmten Wertgrenze versagt worden sei. Ob die Gläubigervertreterin bei der Abgabe ihres Gebotes einen Erwerbswillen in Bezug auf den zu versteigernden Grundbesitz gehabt habe, sei entgegen der Ansicht des , NJW 2006, 1355 f.) im Versteigerungsverfahren nicht zu prüfen. Die Zwangsvollstreckung sei an äußerlich erkennbare Tatsachen gebunden. Das Vollstreckungsgericht sei weder befugt noch in der Lage, im Versteigerungstermin einen Bieter dazu anzuhalten, seine tatsächlichen Absichten offen zu legen. Eine Überprüfung der Absichten des Bieters führe zu wesentlichen Verfahrensverzögerungen und -erschwerungen, die mit dem formalisierten, auf Befriedigung des Gläubigers und Entschuldung des Schuldners ausgerichteten Verfahren der Zwangsversteigerung unvereinbar seien.
Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft, auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO) und begründet.
1. Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht das Gebot, das die Terminsvertreterin der Beteiligten zu 2 im ersten Termin im eigenen Namen abgegeben hat, als wirksam angesehen. Das widerspricht der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. , V ZB 98/05, NJW 2006, 1355 f.). Aus der Entscheidung des Beschwerdegerichts ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte, so dass zu den Gründen für das Festhalten an der bisherigen Senatsrechtsprechung auf die Ausführungen in dem Beschluss des Senats vom (V ZB 83/06, Umdruck S. 6 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) Bezug genommen wird. Danach ist das Eigengebot eines Gläubigervertreters, mit dem ausschließlich erreicht werden soll, dass in einem neuen Versteigerungstermin unter Umgehung des in der Vorschrift des § 85a Abs. 1 ZVG zum Ausdruck kommenden Schuldnerschutzes der Zuschlag auch auf ein Gebot unter 7/10 oder unter der Hälfte des Grundstückswerts erteilt werden kann, rechtsmissbräuchlich und deshalb unwirksam. Es ist daher nicht geeignet, die Rechtsfolgen des § 85a Abs. 1 und 2 ZVG herbeizuführen.
Von einem rechtsmissbräuchlichen Gebot im ersten Termin ist hier nach den Umständen auszugehen, ohne dass es dafür einer Beweisaufnahme zu den Absichten der Gläubigervertreterin bei der Gebotsabgabe bedurft hätte, wie das Beschwerdegericht meint. Bei einem Eigengebot des Gläubigervertreters, das auf die Herbeiführung der Rechtsfolgen des § 85a Abs. 1 und 2 ZVG gerichtet ist, spricht eine tatsächliche Vermutung für die missbräuchliche Absicht, den von § 85a Abs. 1 ZVG bezweckten Schuldnerschutz zu unterlaufen (Senat, Beschluss vom , V ZB 83/06, Umdruck S. 18 ff.). So liegt es hier. Anhaltspunkte dafür, dass die Terminsvertreterin der Gläubigerin mit ihrem Gebot ein rechtlich zulässiges Ziel verfolgt hätte, werden von der Rechtsbeschwerdeerwiderung nicht aufgezeigt.
2. Wegen der rechtsmissbräuchlichen Gebotsabgabe im ersten Termin galt die Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG auch im zweiten Termin. Der Grundsatz der Einmaligkeit der Anwendung der Wertgrenze in § 85a Abs. 2 Satz 2 ZVG ist nicht anzuwenden, wenn die Gebotsabgabe des Gläubigervertreters im ersten Termin dazu diente, den gesetzlichen Schutz des Schuldners vor einer Verschleuderung seines Vermögens zu unterlaufen und zu einer Bestimmung des zweiten Versteigerungstermins von Amts wegen geführt hat (vgl. Senat, Beschl. v. , V ZB 83/06, Umdruck Seite 21).
3. Die Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG ist hier auch noch für das im dritten Termin abgegebene Meistgebot zu beachten. Der dritte Termin ist auf einen Fortsetzungsantrag der Gläubigerin nach § 31 ZVG von dem Vollstreckungsgericht bestimmt worden, nachdem der zweite Versteigerungstermin mangels Abgabe von Geboten ergebnislos geblieben und das Verfahren gem. § 77 Abs. 1 ZVG eingestellt worden ist.
Die ergebnislose Versteigerung wird von den Regeln über die Zuschlagsversagung nach § 85a ZVG jedoch nicht erfasst und führt deshalb auch nicht zu einem Wegfall der Wertgrenzen (vgl. dazu vor allem Hornung, Rpfleger 2000, 363, 366 f. gegen Kirsch, Rpfleger 2000, 147, 149; aber auch Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 74a Rdn. 4.3 und § 85a Rdn. 3.3 m.w.N.). Das Fehlen von Bietern fällt in den Risikobereich des Gläubigers, während der Schuldner nach einer ergebnislosen Versteigerung weiterhin durch die Wertgrenzen der §§ 74a, 85a ZVG vor einer Verschleuderung des Grundstücks geschützt wird (Senat, Beschl. v. , V ZB 83/06, Umdruck S. 11).
4. Die Sache ist gem. §§ 101 Abs. 1 ZVG, 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO zur Endentscheidung reif. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts und der Zuschlagsbeschluss sind aufzuheben und der Beteiligten zu 3 der Zuschlag auf ihr im dritten Termin abgegebenes Meistgebot zu versagen. Die Zuschlagsversagung beruht auf § 85a Abs. 1 ZVG, weil das Gebot der Beteiligten zu 3 von 57.000 € die Hälfte des auf 190.000 € festgesetzten Verkehrswerts des Grundstücks nicht erreicht.
5. Es wird nunmehr von Amts wegen gem. § 85a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 74a Abs. 3 Satz 1 ZVG ein neuer Versteigerungstermin zu bestimmen sein, in dem die Wertgrenze auf Grund der Zuschlagsversagung aus § 85a Abs. 1 ZVG nicht mehr gilt.
IV.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten fallen weder für die sofortige Beschwerde noch für die Rechtsbeschwerde an (vgl. Nr. 2240 bis 2243 KV-GKG). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten kommt hier nicht in Betracht, da sich die Beteiligten in dem Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (Senat, Beschl. v. , V ZB 188/05, WM 2007, 82, 86). Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist nach dem Wert des Zuschlagsbeschlusses zu bestimmen, dessen Aufhebung die Schuldnerin mit der Rechtsbeschwerde erreichen will (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG). Er entspricht damit dem Meistgebot der Beteiligten zu 3 (§ 54 Abs. 2 Satz 1 GKG).
Fundstelle(n):
QAAAC-54099
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein