Werbungskostenabzug von Finanzierungskosten zum Erwerb eines Anteils an einer bestehenden GmbH
Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, EStG § 3 Nr. 40, EStG § 3c Abs. 2, EStG § 52
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erwarb im Jahre 2001 60 v.H. der Anteile an der X-GmbH. Mit seiner Einkommensteuererklärung 2001 macht er hierfür gezahlte Zinsen und Finanzierungskosten in Höhe von insgesamt 76 497,86 DM als Werbungskosten bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte die Finanzierungskosten zunächst nicht. Auf den Einspruch der Kläger erkannte das FA die geltend gemachten Finanzierungskosten lediglich zur Hälfte als Werbungskosten an und wies den Einspruch im Übrigen zurück.
Das Finanzgericht (FG) hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Zwar sei das Halbeinkünfteverfahren auf offene Gewinnausschüttungen grundsätzlich erstmalig ab dem Veranlagungszeitraum 2002 anzuwenden. Vorliegend sei jedoch zu berücksichtigen, dass im Jahre 2001 keine Einnahmen im Rahmen der GmbH-Beteiligung erzielt wurden und Einnahmen frühestens im Jahre 2002 insoweit anfallen konnten. Nach § 3c Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien auch vorab entstandene Ausgaben zu kürzen, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Einnahmen stünden.
Mit seiner Revision hat der Kläger einen förmlichen Revisionsantrag nicht gestellt. Er beruft sich darauf, dass das Halbabzugsverbot nach § 3c Abs. 2 EStG die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG—) verletze.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Unter anderem macht es geltend, die Revisionsbegründung lasse keinen bestimmten Revisionsantrag erkennen und enthalte auch keine Angaben zu Revisionsgründen. Im Übrigen sei das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG verfassungsgemäß.
II. 1. Die Revision ist zulässig. Sie genügt den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Ein förmlicher Revisionsantrag ist entbehrlich, wenn sich aus dem Vorbringen des Revisionsklägers eindeutig ergibt, inwieweit er sich durch das angefochtene Urteil beschwert fühlt und inwieweit er dessen Aufhebung oder Änderung erstrebt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 53). Im Streitfall lässt das Revisionsvorbringen zweifelsfrei erkennen, dass die Kläger den vollständigen Abzug der dem Kläger entstandenen Finanzierungskosten bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen begehren, insbesondere weil § 3c Abs. 2 EStG nach ihrer Auffassung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt (Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip).
2. Die Revision ist auch begründet. Gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer antragsgemäß herabzusetzen. Entgegen der Auffassung des FG ist § 3c Abs. 2 EStG auf die dem Kläger im Streitjahr 2001 entstandenen Finanzierungskosten nicht anwendbar.
a) Gemäß § 3c Abs. 2 EStG dürfen u.a. Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden, und zwar unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Einnahmen anfallen.
aa) Dieses Halbabzugsverbot gilt gemäß § 52 Abs. 8a EStG erstmals für die Aufwendungen, die mit Erträgen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, auf die § 3 Nr. 40 EStG erstmals anzuwenden ist. § 3 Nr. 40 EStG ist nach § 52 Abs. 4a Nr. 1 EStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung (heute § 52 Abs. 4b EStG) erstmals anzuwenden für Gewinnausschüttungen, auf die bei der ausschüttenden Körperschaft der durch Art. 3 des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (StSenkG 2001/2002) vom (BGBl I 2000, 1433) aufgehobene Vierte Teil des Körperschaftsteuergesetzes (Anrechnungsverfahren) nicht mehr anzuwenden ist. Die Vorschriften des früheren Anrechnungsverfahrens sind gemäß § 34 Abs. 10a Satz 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. des StSenkG 2001/2002 —KStG 2001— (heute § 34 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 KStG) letztmals für offene Gewinnausschüttungen anzuwenden, die in dem ersten Wirtschaftsjahr erfolgen, für das das KStG 2001 erstmals anzuwenden ist; dies ist das Jahr 2001 (§ 34 Abs. 1 KStG 2001).
bb) Nach diesen Anwendungsregelungen gilt das Halbeinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 EStG erstmals für offene Ausschüttungen, die dem Gesellschafter im Jahr 2002 zugeflossen sind. Dementsprechend besteht ein die Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG eröffnender wirtschaftlicher Zusammenhang i.S. von § 52 Abs. 8a EStG mit solchen Gewinnausschüttungen auch erst für Ausgaben, die der Gesellschafter im Jahr 2002 geleistet hat. Für Ausgaben, die schon im Jahr 2001 geleistet worden sind, besteht ein solcher Zusammenhang dagegen grundsätzlich nicht (zu den Ausnahmen s. unten cc).
(1) Dafür spricht zunächst der Wortlaut des § 52 Abs. 8a EStG. Dort ist lediglich von einem „wirtschaftlichen Zusammenhang” zwischen Aufwendungen und Erträgen die Rede. In dieser Vorschrift fehlt hingegen die in § 3c Abs. 2 EStG enthaltene ergänzende Regelung „... unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die…Einnahmen anfallen ...”. Diese unterschiedlichen Gesetzesformulierungen beruhen auf einem sachlichen Grund: Die Fassung des § 3c Abs. 2 EStG soll die entsprechende Anwendung der zu Abs. 1 dieser Vorschrift ergangenen Rechtsprechung (vgl. , BFHE 87, 243, BStBl III 1967, 92; vom I R 15/94, BFHE 180, 410, BStBl II 1997, 57; I R 167/94, BFHE 180, 415, BStBl II 1997, 60; I R 21/95, BFHE 180, 422, BStBl II 1997, 63) und die dadurch eröffneten periodenübergreifenden Gestaltungsmöglichkeiten im Geltungsbereich des Halbeinkünfteverfahrens verhindern (v. Beckerath in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 3c Rz 38; Schmidt/Heinicke, EStG, 26. Aufl., § 3c Rz 37; zum „Ballooning” vgl. Rödder, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2001, S. 247 f.; Kraft, Festschrift für Helmut Debatin, S. 235). Deshalb ist in § 3c Abs. 2 EStG ausdrücklich angeordnet, dass der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Aufwendungen und Einnahmen periodenübergreifend zu verstehen ist. Im Anwendungsbereich des § 52 Abs. 8a EStG hat die Eindämmung von Steuergestaltungen hingegen keine Bedeutung, so dass das gegenüber § 3c Abs. 2 EStG offener gefasste Merkmal „wirtschaftlicher Zusammenhang” nicht überperiodisch zu verstehen ist.
(2) Dass grundsätzlich nur für im Jahr 2002, nicht aber für im Jahr 2001 geleistete Aufwendungen ein wirtschaftlicher Zusammenhang i.S. von § 52 Abs. 8a EStG mit den erstmals im Jahr 2002 vom Halbeinkünfteverfahren erfassten offenen Ausschüttungen besteht, folgt vor allem aus dem Zweck der Vorschrift und ihrer systematischen Funktion als Anwendungsregelung.
Die Vorschrift des § 52 EStG enthält intertemporales Steuerrecht, das grundsätzlich keine Regelungen des sachlichen Rechts beinhaltet. Es besagt nichts darüber, wie die Besteuerung inhaltlich ausgestaltet sein soll, sondern beschränkt sich darauf, Rechtsanwendungsregeln bereitzustellen, welche die Kollision verschiedener Normen nach zeitlichen Gesichtspunkten auflösen (v. Reden in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 52 Rz 3). Die Regelung des § 52 Abs. 8a EStG dient mithin dem Zweck, für den Abzug von Aufwendungen eine trennscharfe und praktisch handhabbare Grenzlinie zwischen dem alten Anrechnungsverfahren und dem neuen Halbeinkünfteverfahren zu ziehen. Dieser Zweck gebietet es, Aufwendungen eindeutig entweder dem alten oder dem neuen Recht zuzuordnen. Dies wäre aber nicht zu erreichen, wenn das Merkmal des „wirtschaftlichen Zusammenhangs” i.S. von § 52 Abs. 8a EStG ebenso wie in § 3c Abs. 2 EStG periodenübergreifend zu verstehen wäre; denn dann würde die von § 52 Abs. 8a EStG gezogene Grenzlinie so verwischt, dass eine rechtssichere Zuordnung von Aufwendungen zum Anrechnungs- oder zum Halbeinkünfteverfahren nicht mehr möglich wäre: Bezahlt ein Steuerpflichtiger im Jahr 2001 Zinsen zur Finanzierung seiner Beteiligung, bekommt er daraus aber keine Ausschüttung, so sind die Zinsen als vergebliche Werbungskosten bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen des Jahres 2001 zu berücksichtigen. Bezieht der Steuerpflichtige dann im folgenden Jahr 2002 eine offene Ausschüttung, könnte es zwar vertretbar erscheinen, die Aufwendungen nunmehr nicht mehr nur als vergebliche Werbungskosten des Jahres 2001, sondern ebenso als vorab entstandene Werbungskosten im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen des Jahres 2002 (mit der Folge der Geltung des § 3c Abs. 2 EStG) zu beurteilen (so neben der Vorentscheidung auch , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2003, 1070, m. Anm. Neu; ferner Haep/Nacke in Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform 1999/2000/2002, § 3c EStG, Rz 2; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 3c Rz 26, 37; Grammel in Erle/Sauter, KStG, § 3c EStG, Rz 117; v. Beckerath in Kirchhof, a.a.O., § 3c Rz 3; Verfügungen der Oberfinanzdirektion —OFD— Frankfurt a.M. vom , Der Betrieb —DB— 2003, 1412; vom , DB 2004, 1177; , DB 2004, 733). Mit derselben Berechtigung ließe sich aber, wenn dem Steuerpflichtigen bereits im Jahr 2000 eine offene Gewinnausschüttung aus der Beteiligung zugeflossen war, argumentieren, die Aufwendungen des ertraglosen Jahres 2001 stünden als nachträgliche Werbungskosten in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Gewinnausschüttung des Vorjahres. Unlösbar bliebe die Frage, mit welchen Erträgen die Aufwendungen des Jahres 2001 in „wirtschaftlichem Zusammenhang” stehen, insbesondere auch dann, wenn ein Steuerpflichtiger weder 2001, noch 2002 Gewinnausschüttungen bezogen hat und die Beteiligung Ende 2002 (außerhalb des Anwendungsbereichs von §§ 17, 23 EStG) veräußert. Eine eindeutige Zuordnung der Aufwendungen zu einem bestimmten Jahr wäre in diesem Fall nicht möglich.
Vor diesem Hintergrund gebietet es der Zweck des § 52 Abs. 8a EStG, der darauf gerichtet ist, eine rechtssichere Abgrenzung zwischen Anrechnungs- und Halbeinkünfteverfahren zu gewährleisten, das Merkmal des „wirtschaftlichen Zusammenhangs” in dieser Vorschrift einschränkend auszulegen. Ein die Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG eröffnender wirtschaftlicher Zusammenhang von Aufwendungen mit vom Halbeinkünfteverfahren erstmals (2002) erfassten offenen Gewinnausschüttungen ist danach grundsätzlich erst dann gegeben, wenn der Gesellschafter die Aufwendungen im Jahr 2002 geleistet hat (ebenso Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Kommentar zum KStG und EStG, Lfg. Oktober 2003, § 3c EStG n.F. Rz 39; Schmitt in Ernst & Young, KStG, § 3c EStG Rz 89; Hötzel, in: Schaumburg/Rödder, a.a.O., S. 255; Strunk in Korn, § 3c EStG Rz 2; Seifried, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2001, 240, 241; Prinz/Ommerborn, Finanz-Rundschau 2001, 977, 980; Prinz/Otto, DStR 2003, 2099, 2101 f.; Schwedhelm/Olbing/Binnewies, GmbH-Rundschau 2005, 1517, 1530 f.; Herlinghaus, EFG 2005, 1596; Otto, Die Besteuerung von gewinnausschüttenden Körperschaften und Anteilseignern nach dem Halbeinkünfteverfahren, S. 448, 450).
cc) Allerdings gilt das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG gemäß § 52 Abs. 8a EStG dann für bereits im Jahr 2001 geleistete Aufwendungen, wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Aufwendungen mit vom früheren Anrechnungsverfahren erfassten —auch potenziellen— Einnahmen von vornherein ausgeschlossen ist.
(1) So ist gemäß § 52 Abs. 4a (heute Abs. 4b Satz 1) Nr. 1 EStG i.V.m. § 34 Abs. 10a Satz 1 Nr. 2 KStG 2001 (heute § 34 Abs. 12 KStG) für andere Ausschüttungen (insbesondere verdeckte Gewinnausschüttungen und Vorabausschüttungen) und sonstige Leistungen das Halbeinkünfteverfahren schon im Jahr 2001 anzuwenden. Danach gilt jedenfalls für Aufwendungen des Jahres 2001, die allein mit anderen Ausschüttungen und sonstigen Leistungen dieses Jahres zusammenhängen, das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG.
(2) Das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG gilt gemäß § 52 Abs. 4a (heute § 52 Abs. 4b), Abs. 8a EStG auch dann für im Jahr 2001 geleistete Aufwendungen, wenn der Steuerpflichtige sich an einer im Jahr 2001 neu gegründeten Gesellschaft beteiligt hat. Denn dann ist für die Ausschüttungen dieser Gesellschaft gemäß § 34 Abs. 10a KStG 2001 (heute § 34 Abs. 12 KStG) die Anwendung des früheren Anrechnungsverfahrens ausgeschlossen (Prinz/Otto, DStR 2003, 2099, 2102; Dötsch in Dötsch/Jost/ Pung/Witt, a.a.O., Lfg. Oktober 2003, § 3c EStG Rz 39).
b) Im Streitfall ist das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG auf die vom Kläger im Jahr 2001 geleisteten Finanzierungskosten nicht anwendbar, da keiner der vorstehend genannten Ausnahmefälle gegeben ist. Zu Unrecht wendet das FA ein, bei der seit 1967 bestehenden GmbH habe zum ein vollständiger Austausch der Anteilseigner stattgefunden, der Anteilskauf des Klägers sei daher insgesamt einer Neugründung der GmbH vergleichbar. Der Bestand der GmbH war vom Wechsel der Gesellschafter unabhängig. Die neu eingetretenen Gesellschafter konnten im Streitjahr 2001 alle ihnen zustehenden Rechte bezüglich der Gewinnverwendung der GmbH ausüben, so dass potenzielle Ausschüttungen, die noch vom früheren Anrechnungsverfahren erfasst worden wären, nicht von vornherein ausgeschlossen waren.
c) Da die Vorentscheidung auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist stattzugeben. Die Einkommensteuer der Kläger ist auf den Betrag herabzusetzen, der sich durch Abzug weiterer Werbungskosten von 38 248,93 DM bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen ergibt. Der Senat hält es für sachgerecht, die Steuerberechnung gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO dem FA zu übertragen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1842 Nr. 10
GmbH-StB 2007 S. 300 Nr. 10
HFR 2008 S. 24 Nr. 1
FAAAC-53699