EDV-Berater übt einen dem Ingenieur ähnlichen Beruf aus
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) absolvierte an einer Technischen Hochschule in Polen ein Studium, das sie 1980 mit dem Abschluss als „Magister Ingenieur Elektronik” beendete. Sie war zunächst nichtselbstständig bei der Firma X im Bereich Software tätig.
Zum meldete die Klägerin den gewerblichen Betrieb „EDV-Organisation, Beratung, Programmierung, PC-Technologie sowie Verkauf von PCs und Zubehör” an.
Für die Streitjahre ermittelte sie ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und erklärte Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit gemäß § 18 EStG.
Nach Auffassung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) entsprach das Gesamtbild der Tätigkeit der Klägerin der eines EDV-Beraters. Es qualifizierte die Einkünfte der Klägerin als solche aus Gewerbebetrieb und erließ Gewerbesteuermessbetragsbescheide für die Jahre 1994 bis 1999.
Im Klageverfahren trug die Klägerin vor, die Gewerbeanmeldung im Jahr 1994 habe sie irrtümlich vorgenommen, weil sie davon ausgegangen sei, jegliche Art selbstständiger Tätigkeit sei anzumelden. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen (Beschreibung von Projekten und deren Ablauf) sei ihre Tätigkeit in den Streitjahren nicht vergleichbar mit der Tätigkeit eines EDV-Beraters. Vielmehr habe sie im Bereich der Systemtechnik den von ihr erlernten Katalogberuf des Ingenieurs ausgeübt. Außerdem sei ihre Tätigkeit mit der eines freiberuflichen Unternehmensberaters vergleichbar.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die Klägerin habe in den Streitjahren weder den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Katalogberuf des Ingenieurs noch den des beratenden Betriebswirts ausgeübt. Sie habe auch keine ihre Beschäftigung prägende ingenieurähnliche Tätigkeit ausgeübt. Denn sie habe nicht im Wesentlichen Systemsoftware entwickelt (vgl. , BFH/NV 1991, 515). Vielmehr habe der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf der Betreuung, Weiterentwicklung und Anpassung von Anwendersoftware sowie auf diesbezüglichem Controlling und EDV-Personalschulungen gelegen. Die Klägerin sei damit insgesamt als gewerbliche EDV-Beraterin tätig geworden.
Mit der Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass ihre Tätigkeit in den Streitjahren die ingenieurmäßige Planung, Konstruktion und Überwachung von Anwendersoftware und -systemen umfasst habe und deshalb nach der neueren BFH-Rechtsprechung (grundlegend Urteil vom XI R 9/03, BFHE 206, 233, BStBl II 2004, 989) als freiberuflich einzuordnen sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG und die Gewerbesteuermessbetragsbescheide 1994 bis 1999 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Entgegen der Auffassung des FG ist die Tätigkeit der Klägerin als EDV-Beraterin nicht schon deshalb als gewerbliches Unternehmen i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG zu qualifizieren, weil sie nicht im Wesentlichen Systemsoftware entwickelt, sondern sich schwerpunktmäßig mit der Betreuung, Weiterentwicklung und Anpassung von Anwendersoftware befasst hat.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt jeder stehende inländische Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer mit der Folge der Festsetzung eines Steuermessbetrags nach Maßgabe des § 14 GewStG. Unter einem Gewerbebetrieb ist nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG jede selbstständige, nachhaltige Betätigung zu verstehen, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs oder als eine andere selbstständige Arbeit anzusehen ist.
Zur freiberuflichen Tätigkeit gehören nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG neben den ausdrücklich genannten sog. Katalogberufen auch die den Katalogberufen ähnlichen Berufe. Ein Beruf ist einem Katalogberuf ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit diesem verglichen werden kann. Dazu gehören die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der beruflichen Tätigkeit. Das gilt auch für einen dem Katalogberuf des Ingenieurs ähnlichen Beruf (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 206, 233, BStBl II 2004, 989, m.w.N.).
Nach früherer Auffassung des BFH übte ein selbstständiger EDV-Berater nur dann eine ingenieurähnliche Tätigkeit aus, wenn er Systemsoftware entwickelte, nicht jedoch wenn er Anwendersoftware erstellte (vgl. insbesondere , BFHE 159, 171, BStBl II 1990, 337). In seinem Urteil in BFHE 206, 233, BStBl II 2004, 989, das im Zeitpunkt der Entscheidung des FG noch nicht veröffentlicht war, hat der BFH jedoch unter Aufgabe dieser Rechtsprechung auch die Tätigkeit eines selbstständigen EDV-Beraters, der qualifizierte Anwendersoftware durch eine klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise (Planung, Konstruktion und Überwachung) entwickelt, als eine freiberufliche i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG angesehen. Dabei hat er dem Umstand Rechnung getragen, dass seit den 90er-Jahren das typische Berufsbild eines Diplom-Informatikers, das ursprünglich stark theoretisch ausgerichtet war, seinen Schwerpunkt von der Systemsoftwareentwicklung auf das Gebiet der Anwendersoftwareentwicklung verlagert hat.
2. Da die Vorentscheidung auf der überholten Rechtsauffassung des BFH beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb an das FG zurückzuverweisen.
Das FG wird nach den Maßstäben des Urteils in BFHE 206, 233, BStBl II 2004, 989, den Sachverhalt neu zu würdigen haben. Es wird insbesondere zu prüfen haben, ob die Klägerin in den Streitjahren qualifizierte Anwendersoftware durch eine ingenieurmäßige Vorgehensweise entwickelt hat. Dabei wird es zu beachten haben, dass die ingenieurähnliche Tätigkeit auch die beratende Tätigkeit umfasst, soweit die beratende Tätigkeit nicht auf bloße Absatzförderung gerichtet ist (vgl. , BFH/NV 2006, 1270, m.w.N.).
Das FG wird außerdem zu beachten haben, dass die Tätigkeit eines Steuerpflichtigen, der sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit ausübt, in steuerlicher Hinsicht zu trennen ist, sofern dies nach der Verkehrsauffassung möglich ist. Das gilt auch dann, wenn sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen den verschiedenen Tätigkeiten bestehen. Eine einheitliche Tätigkeit liegt nur vor, wenn die verschiedenen Tätigkeiten derart miteinander verflochten sind, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen. Diese einheitliche Tätigkeit ist dann steuerlich danach zu qualifizieren, ob das freiberufliche oder das gewerbliche Element vorherrscht. Schuldet ein Steuerpflichtiger gegenüber seinem Auftraggeber einen einheitlichen Erfolg, so ist auch die zur Durchführung des Auftrags erforderliche Tätigkeit regelmäßig als einheitliche zu beurteilen. Werden in einem Betrieb nur gemischte Leistungen erbracht, so ist der Betrieb danach zu qualifizieren, welche der einzelnen Tätigkeiten der Gesamttätigkeit das Gepräge gibt (, BFHE 204, 80, BStBl II 2004, 363, m.w.N.; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 26. Aufl., § 15 Rz 97 bis 100 m.w.N.; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 18 Rz 50).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1854 Nr. 10
EStB 2007 S. 370 Nr. 10
EStB 2007 S. 370 Nr. 10
GAAAC-52559