BGH Beschluss v. - IX ZB 86/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 234 Abs. 1; ZPO § 234 Abs. 1 Satz 1; ZPO § 234 Abs. 1 Satz 2; ZPO § 234 Abs. 2; ZPO § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1; ZPO § 520 Abs. 2

Instanzenzug: AG Helmstedt 3 C 343/05 vom LG Braunschweig 8 S 145/06 (010) vom

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren für zwei Mandate, die sie jeweils wegen fehlenden Kostenvorschusses niedergelegt hat. Mit Versäumnisurteil vom verurteilte das Amtsgericht die Beklagte. Auf Einspruch der Beklagten erging am ein Urteil des Amtsgerichts, in dem das Versäumnisurteil aufrechterhalten wurde. Das Urteil wurde der Beklagten am zugestellt.

Am hat die Beklagte Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Berufungsverfahren beantragt. Mit Beschluss vom hat das Landgericht das Gesuch zurückgewiesen, weil die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe. Dieser Beschluss ist der Beklagten am zugestellt worden. Am Montag, , hat die Beklagte durch ihren Rechtsanwalt Berufung eingelegt und Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist gestellt. Mit Schriftsatz eines anderen Anwalts, der am eingegangen ist, hat die Beklagte eine Berufungsbegründung abgegeben.

Mit Beschluss vom hat das Landgericht die Berufung und den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist als unzulässig verworfen. Dieser Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am zugestellt.

Auf Antrag der Beklagten vom hat der Senat der Beklagten mit Beschluss vom Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für das Verfahren der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts bewilligt. Dieser Beschluss ist der Beklagten am zugestellt worden. Sie hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten am Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den beantragt sowie Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts eingelegt und begründet.

II.

Der Beklagten ist auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts zu gewähren. Die Beklagte war ohne ihr Verschulden verhindert, die Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde einzuhalten, weil sie aus finanziellen Gründen nicht in der Lage war, innerhalb der Einlegungs- und Begründungsfrist einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung zu beauftragen (§ 233 Abs. 1 ZPO). Sie hat jedoch innerhalb offener Rechtsbeschwerdefrist (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 575 Abs. 1 ZPO) Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren beantragt und die erforderlichen Unterlagen vorgelegt. Dem Antrag hat der Senat mit Beschluss vom stattgegeben. Das Hindernis zur Einlegung der Rechtsbeschwerde entfiel mit der Zustellung des Beschlusses am . Die Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde ist innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO formgerecht (§ 236 ZPO) beantragt und die versäumte Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde nachgeholt worden, § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 ZPO.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Sie ist begründet.

1. Das Berufungsgericht meint, die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 2 ZPO sei hinsichtlich der Einlegung der Berufung nicht gewahrt worden, da der Antrag nicht rechtzeitig binnen zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses gestellt worden sei, sondern erst am . Fristbeginn für die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist sei Freitag, der gewesen, da der Beklagten an diesem Tag die ablehnende Entscheidung über die beantragte Prozesskostenhilfe bekannt gegeben worden sei. Eine der Wiedereinsetzungsfrist vorgeschaltete Überlegungsfrist sei der Beklagten nicht zu gewähren.

Die Berufung sei außerdem als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht rechtzeitig innerhalb der Frist von zwei Monaten (§ 520 Abs. 2 ZPO) begründet und ein Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist nicht gestellt worden sei.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Die Beklagte hatte die Berufungsfrist versäumt, aber innerhalb dieser Frist Prozesskostenhilfe beantragt. Der die Prozesskostenhilfe ablehnende Beschluss war ihr am zugestellt worden. Die Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Berufung betrug gemäß § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO zwei Wochen und begann gemäß § 234 Abs. 2 ZPO grundsätzlich mit der Zustellung des ablehnenden Beschlusses. Die Frist von zwei Wochen hätte deshalb am Freitag, dem geendet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist aber der Prozesskostenhilfe beantragenden Partei im Falle, dass Prozesskostenhilfe versagt wird, zunächst eine zusätzliche Überlegungsfrist von ca. drei Tagen zuzubilligen, damit sich die mit Prozesskostenhilfe rechnende Partei darüber schlüssig werden kann, ob sie das Rechtsmittel nun auf eigene Kosten durchführen will (, VersR 1999, 1123, 1124 m.w.N.; v. - IX ZB 25/01, WM 2001, 1274, 1275). Von dieser Rechtsprechung abzuweichen besteht keine Veranlassung. Jedenfalls durfte sie die Beklagte und ihr Prozessbevollmächtigter der Berechnung der Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung zugrunde legen.

b) Auch die zweite Begründung des Landgerichts, nämlich dass die Berufung unzulässig, weil nicht rechtzeitig innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO begründet worden sei, ist nicht tragfähig. Die Begründungsfrist lief ab Zustellung des Urteils, also ab . Sie war damit bei Einreichung der Berufungsbegründung am abgelaufen. Die Beklagte hat zwar keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Sie hat aber die Prozesshandlung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist von einem Monat gemäß § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO nachgeholt. Deshalb konnte ihr gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO Wiedereinsetzung von Amts wegen gewährt werden.

Da der Wille der Partei, den Rechtsstreit fortführen zu wollen, deutlich und die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung aktenkundig waren, musste Wiedereinsetzung von Amts wegen gewährt werden. Da das Landgericht diese Entscheidung unterlassen hat, kann sie der Bundesgerichtshof im Rahmen des Beschwerdeverfahrens treffen (, VersR 1993, 713, 714; Urt. v. - XII ZR 124/92, NJW-RR 1993, 1091, 1093; Beschl. v. - III ZB 8/00, NJW-RR 2000, 1590; v. - VIII ZB 77/03, BGHRep 2004, 846, 847).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NAAAC-52509

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein