Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 206 a; StPO § 264; StPO § 265; StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4; StGB § 30 Abs. 1 Satz 2; StGB § 30 Abs. 2; StGB § 49 Abs. 1; BtMG § 29 a Abs. 1; BtMG § 30 Abs. 1; BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4
Instanzenzug:
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen (Fälle II. 1., 2., 4., 5., 6. und 7. der Urteilsgründe), davon in zwei Fällen tateinheitlich mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fälle II. 1. und 4. der Urteilsgründe) und in drei weiteren Fällen tateinheitlich mit dem Versuch der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fälle II. 2., 5. und 6. der Urteilsgründe) und in einem dieser Fälle auch tateinheitlich mit Nötigung (Fall II. 5. der Urteilsgründe) sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung (Fall II. 3. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten macht Verfahrensrügen geltend und beanstandet die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Die Verurteilung in den Fällen II. 1., 3. und 7. der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil ihr das Verfahrenshindernis der Spezialität entgegensteht. Der Senat stellt das Verfahren insoweit ein. Desgleichen entfällt die tateinheitliche Verurteilung wegen Nötigung im Fall II. 5. der Urteilsgründe.
Der Angeklagte wurde am in Brasilien festgenommen und am auf Grund des Internationalen Haftbefehls des an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert. Der Auslieferungshaftbefehl führt jedoch die unter II. 1., 3. und 7. abgeurteilten Taten und das dem Nötigungsvorwurf zugrunde liegende Geschehen nicht auf. Aus den Akten ist nicht ersichtlich, dass der Angeklagte auf den Vorbehalt der Spezialität verzichtet hätte.
Zwar umfasst mangels näherer Beschränkung eine Auslieferungsbewilligung grundsätzlich die gesamte Tat im Sinne des § 264 StPO (vgl. BGH NStZ 2003, 68; NStZ-RR 2000, 333). Da sich hier die Auslieferungsentscheidung nicht bei den Akten befindet und weder die Sachbearbeiterin bei der Staatsanwaltschaft Bonn noch der dortige Rechtshilfedezernent eine konkrete Erinnerung an die entsprechenden Vorgänge haben, hat der Senat insoweit entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts die Strafverfolgung im Fall II. 5. der Urteilsgründe auf die Betäubungsmitteldelikte beschränkt.
II.
Die Verfahrensrügen haben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.
III.
1. In den Fällen II. 2., 5. und 6. der Urteilsgründe hält die Verurteilung wegen des Versuchs der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Die vom Angeklagten beauftragten Kuriere waren entweder schon vor ihrem Abflug am Flughafen Sao Paulo oder nach Zwischenlandungen in Madrid bzw. Lissabon verhaftet worden, bevor ihr Gepäck in die nach Deutschland fliegenden Flugzeuge geladen wurde und sie selbst hätten einsteigen können. Damit hatten die Kuriere aber jeweils noch nicht zum Versuch der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln angesetzt (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 18 und 41). Die tateinheitliche Verurteilung wegen versuchter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge muss deshalb entfallen.
b) In den Fällen II. 2. und 5. der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte jedoch gemäß § 30 Abs. 2 StGB, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG wegen der Verabredung zum Verbrechen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - schuldig gemacht. Der Angeklagte ist mit den Kurieren J. , M. und S. übereingekommen, Kokain nach Deutschland einzuführen, wobei die Kuriere wegen des eigenhändigen Verbringens der Betäubungsmittel in die Bundesrepublik und der Angeklagte aufgrund seines Tatinteresses und seiner Tatbeiträge Mittäter gewesen wären. Der Angeklagte war derjenige, der das Kokain gewinnbringend weiterverkaufen wollte; er hatte den Kurieren die Flüge und den Aufenthalt in Brasilien bezahlt und die Tat hing allein von seinem Willen ab, weil nur er den Kontakt zum Lieferanten in Brasilien hatte.
Der Senat kann den Schuldspruch in diesen Fällen selbst ändern; § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
c) Im Fall II. 6. liegt hingegen weder die Verabredung eines Verbrechens noch eine versuchte Anstiftung zu einem solchen vor, weil der Kurier Ju. vom Angeklagten über die zu transportierende Ware getäuscht wurde, sich mithin gerade nicht zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bereit erklärt hatte. Der Angeklagte wäre in diesem Fall mittelbarer Täter der Einfuhr gewesen. Im Fall II. 6. der Urteilsgründe ist der Angeklagte deshalb lediglich des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig.
2. Die Änderung der Schuldsprüche in den Fällen II. 2., 5. und 6. der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der Strafaussprüche in diesen Fällen. Das Landgericht hat in diesen Fällen den Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt und sowohl die Annahme minder schwerer Fälle als auch eine Strafrahmenmilderung wegen Versuchs ausdrücklich abgelehnt. Der Senat kann nicht ausschließen, dass es bei Anwendung des nach § 30 Abs. 1 Satz 2 StGB zwingend gemäß § 49 Abs. 1 StGB zu mildernden Strafrahmens des § 30 Abs. 1 BtMG bzw. des § 29 a Abs. 1 BtMG zu niedrigeren Strafen gekommen wäre.
Die Aufhebung der Einzelstrafen in drei Fällen und das Entfallen von drei weiteren Einzelstrafen führt zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Möglichkeit, auf Geldstrafe gesondert zu erkennen, kein Grund ist, die Zäsurwirkung einer auf Geldstrafe lautenden Vorverurteilung zu verneinen (BGHSt 32, 190, 194; BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 9). Der neue Tatrichter wird daher zwei Gesamtstrafen zu bilden haben, die in ihrer Summe die bisherige Gesamtstrafe nicht übersteigen dürfen.
Fundstelle(n):
FAAAC-52461
1Nachschlagewerk: nein