BGH Beschluss v. - I ZB 46/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GG Art. 103 Abs. 1; MarkenG § 83 Abs. 3 Nr. 3

Instanzenzug: Bundespatentgericht 28 W (pat) 8/05 vom

Gründe

I. Für die Markeninhaberin wurde am die Wortmarke

ALLTREK

unter anderem für Waren der Klasse 12 "Personenkraftwagen und deren konstruktionsgebundene Teile" eingetragen. Gegen diese Eintragung hat die Widersprechende aus der deutschen Marke 2 092 896

TREK,

die am unter anderem für die Waren "Fahrräder, Fahrradrahmen, Fahrradsättel und Reifen" in das Markenregister eingetragen worden ist, Teil-Widerspruch eingelegt.

Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat antragsgemäß die Teillöschung der angegriffenen Marke angeordnet. Die dagegen von der Markeninhaberin eingelegte Erinnerung wurde zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin hat das Bundespatentgericht die teilweise Löschung der angegriffenen Marke aufgehoben und den Widerspruch zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die - vom Bundespatentgericht nicht zugelassene - Rechtsbeschwerde der Widersprechenden.

II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist statthaft. Das Bundespatentgericht hat sie zwar nicht zugelassen, ihre Statthaftigkeit folgt aber daraus, dass die Widersprechende einen im Gesetz aufgeführten, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnenden Verfahrensmangel - die Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG) - rügt (vgl. , GRUR 2003, 546 f. = WRP 2003, 655 - TURBO-TABS, m.w.N.). Dies hat sie im Einzelnen ausgeführt.

2. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht verletzt die Widersprechende nicht in ihrem Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG).

a) Eine Versagung rechtlichen Gehörs sieht die Rechtsbeschwerde darin, dass die Widersprechende bis zu dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht am erfolgten Hinweis durch den Vorsitzenden, der Sachvortrag zur erhöhten Kennzeichnungskraft reiche möglicherweise nicht aus, keine Veranlassung zur Ergänzung ihres entsprechenden Sachvortrags gehabt und durch diesen Hinweis auch keine Möglichkeit dazu bekommen habe. Die Widersprechende beruft sich darauf, sie habe bereits mit ihrer Widerspruchsbegründung vom und danach durchgängig im weiteren Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sowie dem Bundespatentgericht zur erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke vorgetragen, ohne dass die Markeninhaberin diesem Vortrag entgegengetreten sei. Das Deutsche Patent- und Markenamt sei in beiden Beschlüssen ebenso wie das Oberlandesgericht München in anderer Sache von einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen. Erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht habe die Markeninhaberin die Auffassung vertreten, dass die Widerspruchsmarke allenfalls einen durchschnittlichen Schutzumfang habe. Daraufhin habe der Vorsitzende auf die Möglichkeit hingewiesen, dass der Sachvortrag der Widersprechenden zur erhöhten Kennzeichnungskraft nicht ausreiche. Da der Widersprechenden keine Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern, sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden.

Hätte die Widersprechende ausreichend Möglichkeit zu ergänzendem Vortrag erhalten, so hätte sie zu ihrem Umsatz, Werbeaufwand und den von ihr verkauften Stückzahlen in den Jahren 2000 bis 2006 sowie zu umfassender Medienberichterstattung über weitere Tour-de-France-Siege von Lance Armstrong auf TREK-Fahrrädern ergänzend vorgetragen.

b) Das durch Art. 103 Abs. 1 GG garantierte Recht der Widersprechenden, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern, ist vom Bundespatentgericht nicht verletzt worden. Zu diesem Grundrecht gehört es, dass die Beteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt erkennen können, auf welchen Tatsachenvortrag und auf welche rechtlichen Gesichtspunkte es ankommen kann (BVerfGE 86, 133, 144 f.; BVerfG NJW-RR 1996, 253, 254; , GRUR 2006, 152 Tz 17 = WRP 2006, 102 - GALLUP). Dagegen verlangt das Gebot rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht, dass das Gericht vor dem Erlass seiner Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist. Denn ein Verfahrensbeteiligter muss schon von sich aus alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte in Betracht ziehen (vgl. BVerfGE 74, 1, 5; 86, 133, 145; BGH, GRUR 2006, 152 Tz 13 - GALLUP; , GRUR 2000, 894, 895 = WRP 2000, 1166 - Micro-PUR).

Die Widersprechende musste im vorliegenden Verfahren damit rechnen und hat ausweislich ihres diesbezüglichen Vortrags auch tatsächlich damit gerechnet, dass es für die Entscheidung maßgeblich auf die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ankommen würde, auf die auch die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts entscheidend abgestellt hatten. Daher ist auch der Sachverhalt, der einem Beschluss des II. Zivilsenats des , NJW-RR 2007, 412) zugrunde lag, mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Dort ging es um Hinweispflichten bezüglich eines vom Berufungsgericht für maßgeblich gehaltenen rechtlichen Gesichtspunkts, den das Landgericht ausdrücklich als für die Entscheidung unerheblich bezeichnet und dem die Partei erkennbar ebenfalls keine Bedeutung beigemessen hatte.

Die Kennzeichnungskraft ist ein Rechtsbegriff, für dessen Beurteilung nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften und des Bundesgerichtshofs alle relevanten Umstände heranzuziehen sind, insbesondere auch der Marktanteil und die Verkehrsbekanntheit einer Marke (etwa , Slg. 1999, I-3819 = GRUR Int. 1999, 734 Tz 23 = WRP 1999, 806 - Lloyd Schuhfabrik; Urt. v. - C-299/99, Slg. 2002, I-5475 = GRUR 2002, 804 = WRP 2002, 924 - Philips; BGHZ 156, 112, 125 - Kinder, m.w.N.). Von einer erhöhten Kennzeichnungskraft kann das Bundespatentgericht dabei nur ausgehen, wenn dafür tatsächliche Umstände vorgetragen oder ausnahmsweise gerichtsbekannt sind (§ 73 Abs. 1 MarkenG; vgl. BPatG GRUR 1997, 840 - Lindora/Linola; BPatGE 44, 1, 4 - Korodin). Sachvortrag, der für die Feststellung erhöhter Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke fehlt, kann daher vorliegend nicht dadurch ersetzt werden, dass der Markeninhaber der rechtlichen Wertung, es liege gesteigerte Kennzeichnungskraft vor, nicht oder erst spät entgegentritt.

Die von der Widersprechenden angeführte Senatsentscheidung "Katzenstreu", in der eine Gehörsverletzung angenommen wurde, betrifft keinen vergleichbaren Sachverhalt. Dort wurde die Einrede der Nichtbenutzung, die anders als die für erhöhte Kennzeichnungskraft erforderlichen Tatsachen der Dispositionsmaxime unterliegt, erstmals in der letzten mündlichen Verhandlung geltend gemacht (, GRUR 2003, 903 = WRP 2003, 1115 - Katzenstreu).

Im Streitfall entsprach es deshalb sorgfältiger Prozessführung, bereits von Anfang an zu den für die Kennzeichnungskraft maßgeblichen tatsächlichen Umständen vollständig vorzutragen. Anlass zu umfassendem Vortrag zur Kennzeichnungskraft hatte die Widersprechende auch deshalb, weil das Bundespatentgericht bereits entschieden hatte, dass Angaben zu Umsatzzahlen allein regelmäßig keine ausreichend klaren Rückschlüsse auf eine erhöhte Kennzeichnungskraft einer Widerspruchsmarke zuließen, da selbst umsatzstarke Marken nahezu unbekannt, wie andererseits Marken trotz relativ geringer Umsätze sehr bekannt sein könnten (BPatGE 44, 1, 4 - Korodin).

c) Den von der Widersprechenden für eine erhöhte Kennzeichnungskraft vorgetragenen Sachverhalt, der von der Markeninhaberin nicht substantiiert bestritten wurde, hat das Bundespatentgericht umfassend berücksichtigt. Es hat ihn jedoch nicht für ausreichend erachtet. Das Bundespatentgericht brauchte die Widersprechende nicht darauf hinzuweisen, dass es beabsichtige, in dieser Frage eine vom Deutschen Patent- und Markenamt abweichende Ansicht zu vertreten (BGH GRUR 2006, 152 Tz 11 u. 13 - GALLUP). Erst recht war kein Hinweis darauf geboten, dass das Gericht dazu neige, von der von einem Oberlandesgericht in einer anderen Sache geäußerten Bewertung der Kennzeichnungskraft abzuweichen.

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Widersprechenden aufgrund fehlender Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zur Kennzeichnungskraft scheidet schon aufgrund dieser Erwägungen aus.

d) Eine Gehörsverletzung kommt darüber hinaus aber auch deshalb nicht in Betracht, weil das Bundespatentgericht der Widersprechenden nach dem Hinweis darauf, dass der Sachvortrag zur erhöhten Kennzeichnungskraft nicht ausreichend sein könnte, ausdrücklich Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt hat. Die Vertreter der Widersprechenden haben daraufhin ausweislich des Verhandlungsprotokolls lediglich die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt. Eine Schriftsatzfrist für ergänzenden Vortrag zur Kennzeichnungskraft haben sie dagegen nicht beantragt (vgl. , GRUR 2003, 901, 902 = WRP 2003, 1233 - MAZ).

III. Die Rechtsbeschwerde ist daher mit der Kostenfolge des § 90 Abs. 2 MarkenG zurückzuweisen.

Fundstelle(n):
TAAAC-52105

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein