Leitsatz
Zur Einordnung der Faltenunterspritzung als Ausübung der Heilkunde i.S.d. § 1 Heilpraktikergesetz.
Gesetze: HPG § 1 Abs. 1
Instanzenzug: VG Gelsenkirchen VG 7 K 2549/01 vom OVG Münster OVG 13 A 2495/03 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor.
1. Der Beschwerdebegründung, auf die es nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ankommt, ist nicht zu entnehmen, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzlich bedeutsam ist eine Sache nur, wenn sie eine über den Einzelfall hinausgehende Frage des Bundesrechts aufwirft, die im Interesse der Wahrung der Rechtseinheit oder der Fortentwicklung des Rechts der Beantwortung in einem Revisionsverfahren bedarf. Eine solche Frage zeigt die Beschwerde nicht auf.
Die Beschwerde hält für klärungsbedürftig, ob kosmetische Lippenunterspritzungen unter den Begriff der "Heilkunde" i.S.d. § 1 des Heilpraktikergesetzes (HPG) fallen. Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren schon deshalb nicht stellen, weil sie den Gegenstand des Rechtsstreits nicht erfasst. Durch die angefochtene Ordnungsverfügung ist der Klägerin die Tätigkeit der "Faltenunterspritzung" untersagt worden. Die Auslegung mag ergeben, dass darunter auch das Auffüllen der Lippen durch Einspritzen von Fremdstoffen fällt. Die Faltenunterspritzung, die der Klägerin untersagt worden ist und die sie ausweislich ihrer Werbeanzeigen anbietet, geht jedoch darüber weit hinaus.
Selbst wenn unterstellt wird, dass die Klägerin geklärt wissen will, ob die Faltenunterspritzung unter den Begriff der Heilkunde i.S.d. § 1 HPG fällt, ergibt sich daraus keine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts. Wie das Berufungsgericht dargelegt hat, sind die Kriterien, die erfüllt sein müssen, um eine Tätigkeit als Ausübung der Heilkunde anzusehen, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit langem geklärt (vgl. u.a. BVerwG 1 C 73.64 - BVerwGE 23, 140 = Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 8; vom - BVerwG 1 C 53.66 - BVerwGE 35, 308 = Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 10; vom - BVerwG 1 C 2.69 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 11; vom - BVerwG 3 C 45.91 - BVerwGE 94, 269 = Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 19). Insbesondere ist entschieden, dass die kosmetische Zielsetzung eines Eingriffs in den Körper die Bewertung, der Eingriff sei der Ausübung der Heilkunde zumindest gleichzustellen, nicht ausschließt (vgl. BVerwG 1 C 25.56 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 3 = NJW 1959 S. 833). Mit diesen rechtlichen Kriterien setzt sich die Beschwerde mit keinem Wort auseinander. Einen zusätzlichen Klärungsbedarf zeigt sie insoweit nicht auf. Unter diesen Umständen hängt die Beantwortung der Frage nach der Einordnung der Faltenunterspritzung als Ausübung der Heilkunde im Wesentlichen von der Einschätzung der mit dieser Tätigkeit verbundenen Risiken ab. Dies ist aber eine Einschätzung, die die Ebene der Tatsachenfeststellung betrifft und die nach § 137 Abs. 2 VwGO den Tatsachengerichten vorbehalten ist.
2. Der angefochtene Beschluss beruht auch nicht auf einem Verfahrensfehler i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Fehl geht insoweit zunächst die Rüge, das Berufungsgericht habe seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nach § 86 VwGO verletzt, weil es zur Beurteilung dieser Risiken keinen Sachverständigen herangezogen habe. Damit kann die Klägerin schon deshalb kein Gehör finden, weil sie einen entsprechenden Beweisantrag in der Vorinstanz nicht gestellt hat. Die Anhörung zum Beschlussverfahren nach § 130a VwGO machte deutlich, dass das Berufungsgericht eine Beweiserhebung etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht für erforderlich hielt. Dies hätte der anwaltlich vertretenen Klägerin Veranlassung geben können, einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen. Das ist nicht geschehen. Ein solches Versäumnis kann nicht dadurch aus der Welt geschafft werden, dass im Rechtsmittelverfahren die Aufklärungsrüge erhoben wird.
Die Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens brauchte sich dem Berufungsgericht auch nicht aufzudrängen. Ausweislich des Berufungsurteils hat sich das Oberverwaltungsgericht auf eine größere Zahl bei den Akten befindlicher fachkundiger Stellungnahmen gestützt, die sämtlich die Notwendigkeit ärztlicher/medizinischer Kenntnisse zur fachgerechten Vornahme von Faltenunterspritzungen belegen. Hervorzuheben sind hier die Äußerungen der Ärztekammer Westfalen/Lippe vom , des Ministeriums für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen vom , die Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft für ästhetische Dermatologie und Kosmetologie e.V. der Deutschen dermatologischen Gesellschaft, die Stellungnahme des Leitenden Oberarztes der Klinik für Dermatologie und Allergologie der Ruhruniversität Bochum, Dr. K. H., sowie der Bericht des Gesundheitsamtes des Landkreises Karlsruhe vom . Es kommt hinzu, dass sich selbst für einen Laien bei schlichter Betrachtung des Vorgangs der Faltenunterspritzung die Notwendigkeit dermatologischer Kenntnisse aufdrängt. Da es sich um das Einbringen dauerhafter Implantate in die Gesichtshaut handelt, muss sowohl die zu füllende Hautschicht fachkundig ermittelt und getroffen als auch die Unbedenklichkeit des zu verwendenden Implantats beurteilt werden.
Fehl geht auch die Rüge, der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör sei dadurch verletzt worden, dass ihr die vom Landratsamt Karlsruhe übersandten Bilder einer durch Faltenunterspritzung schwer geschädigten Frau nicht zur Verfügung gestellt worden seien. Richtig ist zwar, dass dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin der Bericht des Landratsamtes ohne die als Anlage beigefügten Bilder zugeleitet worden ist. In seinem Übersendungsschreiben hat der Berichterstatter des Berufungsgerichts jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass von der Übersendung der in den Vorgängen enthaltenen Fotos vom Gesicht einer Frau abgesehen werde. Auf Grund dieser Mitteilung hatte die Klägerin ohne weiteres die Möglichkeit, im Wege der Akteneinsicht nach § 100 VwGO von den Fotos Kenntnis zu erlangen. Dieser Weg drängte sich besonders deshalb auf, weil im Schreiben des Beklagten, dem der Bericht des Landratsamtes Karlsruhe als Anlage beigefügt war, ausdrücklich hervorgehoben wurde, die Unterlagen stellten den Fall einer betroffenen Dame "anschaulich" dar. Die Klägerin hat mithin von der ihr problemlos zur Verfügung stehenden Möglichkeit der Kenntnisnahme keinen Gebrauch gemacht. Das schließt es aus, sich nachträglich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs zu berufen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
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Fundstelle(n):
OAAAC-51366