Leitsatz
[1] Wird der Schwangerschaftsabbruch durch eine gefährliche Körperverletzung in der Alternative der lebensgefährdenden Behandlung herbeigeführt, so stehen beide Delikte in Tateinheit zueinander.
Gesetze: StGB § 218; StGB § 224 Abs. 1 Nr. 5
Instanzenzug: LG Darmstadt vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen sowie wegen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchtem Schwangerschaftsabbruch zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, sie führt jedoch zu der aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Schuldspruchänderung zu Ungunsten des Angeklagten.
Das Landgericht hat zu der unter II. 3 der Urteilsgründe abgeurteilten Tat folgendes festgestellt:
Die Zeugin hatte sich von dem Angeklagten getrennt und den Kontakt weitgehend abgebrochen. Am suchte er die von ihm im sechsten Monat schwangere Zeugin auf. Im Verlauf des zunächst harmonischen Abends forderte der Angeklagte die Zeugin zum Geschlechtsverkehr auf. Als die Zeugin ablehnte und sich seinen Bemühungen, sie gewaltsam dazu zu bringen, widersetzte, versetzte er ihr zunächst unvermittelt einen - möglicherweise nicht gezielten - Faustschlag, der sie am Bauch traf. Als die Zeugin sich daraufhin noch heftiger wehrte, trat er ihr wuchtig zweimal gegen den Bauch. Jedenfalls bei diesen Tritten nahm er billigend in Kauf, dass sie das Absterben des von ihm ohnehin nicht gewollten ungeborenen Kindes im Mutterleib zur Folge haben könnten. Bei der Zeugin kam es zu einer Teilablösung der Plazenta und einer dadurch verursachten Mangelversorgung des Kindes. Der Bitte der Zeugin am nächsten Tag, sie ins Krankenhaus zu fahren, kam der Angeklagte nicht nach. Als die Zeugin nach fünf Tagen auf Veranlassung eines Bekannten in ein Krankenhaus eingeliefert wurde, wurde das Kind durch einen Notkaiserschnitt tot entbunden. Die Zeugin hätte ohne diesen Eingriff nicht überlebt. Nach den Feststellungen der Sachverständigen waren die gegen den Bauch der Zeugin gerichteten Gewalteinwirkungen ursächlich für das Absterben des bei normaler Weiterentwicklung lebensfähigen Kindes gewesen.
Die Strafkammer ist zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass bereits der möglicherweise nicht zielgerichtete Faustschlag gegen den Bauch der Zeugin den - dann nur fahrlässig begangenen - Schwangerschaftsabbruch zur Folge hatte. Es hat das weitere Tatgeschehen - Tritte gegen den Bauch - deshalb lediglich als versuchten Schwangerschaftsabbruch in Tateinheit mit Körperverletzung gewertet. Zu Recht hat das Landgericht einen besonders schweren Fall des Schwangerschaftsabbruchs nach § 218 Abs. 2 Nr. 2 StGB angenommen, weil der Angeklagte die Zeugin leichtfertig in die Gefahr des Todes oder der schweren Gesundheitsbeschädigung gebracht hat. Das Landgericht hat aber verkannt, dass dem Angeklagten auch eine abstrakt lebensgefährdende Behandlung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zur Last zu legen ist, die hier sogar - was für den Qualifikationstatbestand nicht erforderlich ist - zu einer konkreten Lebensgefahr geführt hatte. Zwischen dem versuchten Schwangerschaftsabbruch und der gefährlichen Körperverletzung ist Tateinheit gegeben. Eine andere konkurrenzrechtliche Beurteilung ergibt sich auch dann nicht, wenn man bei Anwendung des doppelten in dubio-Satzes einen vollendeten Schwangerschaftsabbruch annähme. Auch in diesem Fall würde eine zugleich verwirklichte gefährliche Körperverletzung entgegen den Bedenken des Generalbundesanwalts nicht zurücktreten. Soweit in BGHSt 28, 11, 16 davon ausgegangen wurde, dass § 218 StGB sowohl die einfache wie die gefährliche Körperverletzung verdrängt, ist diese Entscheidung vor der Änderung der Vorschrift des § 223 a StGB durch das 6. StrRG vom ergangen. Die neu gefasste Vorschrift des § 224 Abs. 1 StGB hat die Regelstrafdrohung mit einer Mindeststrafe von sechs Monaten und einer Höchststrafe von zehn Jahren deutlich erhöht. Während die Mindeststrafe der des § 218 Abs. 2 StGB entspricht, ist die angedrohte Höchststrafe von zehn Jahren nunmehr doppelt so hoch wie die des § 218 Abs. 2 StGB. Der erheblichen Anhebung des Strafrahmens für die gefährliche Körperverletzung, in der eine veränderte gesetzgeberische Wertung des Unrechtsgehalts dieses Delikts zum Ausdruck kommt, würde deshalb im Verhältnis zu § 218 StGB die Annahme von Gesetzeskonkurrenz mit Verdrängung des Deliktes mit einer höheren Strafdrohung nicht gerecht. § 265 StPO steht nicht entgegen, da dem Angeklagten bereits in der Anklage eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zur Last gelegt worden ist. Der Bejahung eines besonderen öffentlichen Interesses bedurfte es danach nicht mehr.
Der Senat kann die Revision ungeachtet des Beschränkungsantrags nach § 154 a Abs. 2 StPO des Generalbundesanwalts durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO verwerfen, da der Generalbundesanwalt eine Auswirkung auf den Strafausspruch verneint und die Verwerfung der Revision im Übrigen beantragt hat (vgl. ; Kuckein in KK 5. Aufl. § 349 Rdn. 29 m.w.N).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2007 S. 2565 Nr. 35
DAAAC-50846
1Nachschlagewerk: ja