BVerfG Beschluss v. - 2 BvR 1083/07

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BVerfGG § 93a; BVerfGG § 93a Abs. 2; BVerfGG § 93b; StPO § 244; StPO § 261; StGB § 266; StGB § 17; StGB § 49 Abs. 1; GG Art. 1 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1

Instanzenzug: KG (1) 1 Ss 111/07 (11/07) vom AG Tiergarten (241 Ds) 52 Js 5088/04 (211/05) vom

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

1. Soweit der Beschwerdeführer die fehlende Sachaufklärung und unzureichende Beweiswürdigung durch das Gericht rügt, ist sein Vorbringen an den Grundsätzen des fairen Verfahrens zu messen. Diese haben insoweit Vorrang vor dem aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ableitbaren Willkürverbot, da sie die stärkere sachliche Beziehung zu dem zu prüfenden Sachverhalt aufweisen (vgl. BVerfGK 1, 145 <149>).

Nicht jeder Verstoß gegen § 244 oder § 261 StPO und die hierzu von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze stellt eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts dar. Voraussetzung ist vielmehr, dass sich die Fachgerichte - in Wahrung der Unschuldsvermutung der als Täter in Betracht kommenden Person - so weit von der Verpflichtung entfernt haben, auch die Gründe, die gegen die mögliche Täterschaft sprechen, wahrzunehmen, aufzuklären und zu erwägen, dass der rationale Charakter der Entscheidung verloren gegangen scheint und sie keine tragfähige Grundlage mehr für die mit einem Schuldspruch einhergehende Strafe sein kann (vgl. BVerfGK 1, 145 <152>).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Die Überzeugung des Amtsgerichts, der Beschwerdeführer habe das Geld vereinnahmt, beruht vielmehr auf der naheliegenden Erwägung, dass dessen insoweit geständige Einlassung den Tatsachen entspricht. Diese Annahme wird insbesondere auch durch dessen Angabe, das Geld stehe eigentlich ihm aufgrund eines Schuldanerkenntnisses zu, gestützt. Die Einvernahme der Ehefrau musste sich dem Gericht insofern nicht aufdrängen, sondern lag eher fern. Einen dahingehenden Beweisantrag hatte der Beschwerdeführer vor dem Tatgericht auch zu keinem Zeitpunkt gestellt.

2. Trägt der Beschwerdeführer vor, der vom Amtsgericht festgestellte Sachverhalt trage eine Verurteilung nach § 266 StGB nicht, so verkennt er, dass das bloße Bestehen einer Schuld des Vermögensinhabers gegenüber dem Treupflichtigen nicht in jedem Fall die Straffreiheit einer Verfügung des Treupflichtigen zu Lasten des Vermögensinhabers bedingt. Die Ansicht des Amtsgerichts, anlässlich der vorzunehmenden Gesamtsaldierung (vgl. -, NStZ 2004, S. 205 ff.; Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl. 2007, § 266 Rn. 59, 73 ff., m.w.N.) sei darauf zu achten, dass der ausgleichende Vermögensvorteil in unmittelbarem Zusammenhang mit der zugleich schädigenden Handlung stehen müsse, dies sei bei bloß bestehender Aufrechnungslage, jedoch nicht erklärter Aufrechnung nicht der Fall, ist nachvollziehbar. Sachfremde Erwägungen liegen ihr nicht zu Grunde (vgl. insofern zur Frage der Unmittelbarkeit: Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl. 2007, § 266 Rn. 73, 76; Joecks, Studienkommentar StGB, 6. Aufl. 2005, § 266 Rn. 30; -, NStZ 1986, S. 455 f.; Schünemann, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl., Stand: , § 266 Rn. 149). Die vom Beschwerdeführer genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ( -, NStZ 2004, S. 205 ff.; -, NStZ-RR 2006, S. 175 f.) verhalten sich zu dieser Frage nicht. Ihnen liegt ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde.

Von Verfassungs wegen gibt es gegen die rechtlichen Erwägungen des Amtsgerichts mithin nichts zu erinnern.

3. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die Strafzumessung sei fehlerhaft, da das Gericht nicht erkennbar das Bestehen einer Aufrechnungslage zu Gunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt habe, ist dies am Gebot des fairen Verfahrens und der Schuldangemessenheit der Strafe zu messen.

a) Der Vortrag des Beschwerdeführers ist insofern unvollständig, als das Amtsgericht durchaus das mögliche Bestehen eines schuldrechtlichen Anspruchs des Beschwerdeführers zu seinen Gunsten gewertet hat:

"Soweit zu Gunsten [des Angeklagten] davon ausgegangen wird, dass [er] der Ansicht war, die Gelder des Zeugen S. [...] bei ihm vereinnahmen zu können, handelte der Angeklagte in einem vermeidbaren Verbotsirrtum [...]."

Das Gericht führt anschließend aus, dass es insoweit von der Strafmilderungsmöglichkeit der §§ 17, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch mache.

b) Nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip darf die Strafe die Schuld des Täters nicht übersteigen. Sie muss in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Maß der Schuld des Täters stehen (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 25, 269 <285 ff.>; 50, 5 <12>). Die Strafzumessung ist Sache der Tatgerichte und der Prüfung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich entzogen, es sei denn, die Strafzumessung entfernt sich so weit von dem Gedanken des gerechten Schuldausgleichs, dass sie sich als objektiv willkürlich erweist (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 ff.>; 54, 100 <108, 111>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des -, juris). Das Bundesverfassungsgericht kann nicht nachprüfen, ob die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte in jeder Hinsicht zutreffend gewichtet worden sind oder ob eine andere Entscheidung näher gelegen hätte (vgl. BVerfGE 95, 96 <141>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des -, juris).

Nach diesem Prüfungsmaßstab verletzt die vom Amtsgericht verhängte Freiheitsstrafe nicht das Gebot der Schuldangemessenheit.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Fundstelle(n):
OAAAC-50838