BFH Urteil v. - IX R 28/06

Keine Eigenheimzulage für eine Beteiligung an einer Genossenschaft, die wie ein Bauträger auftritt

Leitsatz

Die Anschaffung von Genossenschaftsanteilen ist nicht nach § 17 EigZulG begünstigt, wenn die Tätigkeit der Genossenschaft dem Geschäftsgebaren eines Bauträgers entspricht und die Genossenschaft ihren Mitgliedern keine Wohnung i. S. eines "genossenschaftlichen Wohnens" überlässt. Das gilt auch, wenn sie in ihrer Satzung ihren Mitgliedern formal das Recht einräumt, Wohnungen zu nutzen. Liegen die Voraussetzungen des § 17 EigZulG nicht vor, ist die Aufhebung vorläufiger Festsetzungsbescheide nach § 165 Abs. 2 AO nicht an subjektive Voraussetzungen geknüpft. Es kommt weder materiell-rechtlich noch verfahrensrechtlich darauf an, ob der Anteilserwerber vom tatsächlichen Geschäftsgebaren wusste oder hätten wissen müssen. § 17 EigZulG kennt keine Vertrauensschutzregel.

Gesetze: EigZulG § 17; GenG § 1 Abs. 1; AO § 165

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über Eigenheimzulage für die Anschaffung von Genossenschaftsanteilen.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Sie erklärten im Streitjahr 1998 ihren Beitritt zu der Ende 1997 in das Genossenschaftsregister eingetragenen M Wohnungsbaugesellschaft e.G. (M) und zahlten die Geschäftsanteile in Höhe von je 10 000 DM ein. Auf diese Investitionsmöglichkeit hatte sie ihr Steuerberater hingewiesen, der auch die M steuerlich beriet. M nahm ihre Beitrittserklärungen an. Zweck der Genossenschaft war nach der Satzung die wirtschaftliche Förderung

und Betreuung ihrer Mitglieder vorrangig durch eine gute und sichere Wohnungsversorgung. Jedes Mitglied hatte das Recht, eine Genossenschaftswohnung zu angemessenen Preisen zu nutzen und die Wohnung zu erwerben. In ihrer Satzung räumte M den Genossenschaftsmitgliedern unwiderruflich das in § 17 Abs. 1 Satz 2 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) vorausgesetzte vererbliche Recht ein.

Über das Vermögen der M wurde im Jahr 2000 das Insolvenzverfahren eröffnet; M wurde aufgelöst und im Jahr 2004 wegen Vermögenslosigkeit aus dem Genossenschaftsregister gelöscht. Sie verfügte im Gründungsjahr über keinerlei Grundbesitz. In den folgenden Jahren wies M unter dem Titel „Zum Verkauf bestimmte Grundstücke, Grundstücke ohne Bauten” im Umlaufvermögen aus (z.B. im Jahr 1998 insgesamt xxx DM).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) setzte Eigenheimzulage ab 1998 zunächst auf jeweils 800 DM antragsgemäß fest. Die Bescheide ergingen nach § 165 der Abgabenordnung (AO) vorläufig, weil nicht abschließend beurteilt werden könne, ob die angeschafften Genossenschaftsanteile nach § 17 EigZulG zulagenbegünstigt seien. Im Streitjahr 2001 hob er die Festsetzung der Eigenheimzulage nach § 165 Abs. 2 AO wieder auf und forderte jeweils 3 200 DM für die Streitjahre (1998 bis 2001) von den Klägern zurück. Der Einspruch blieb erfolglos, weil M nach Auffassung des FA keine Wohnungsgesellschaft i.S. des § 17 EigZulG sei. M habe die von ihr erworbenen Grundstücke im Umlaufvermögen ausgewiesen. Sie habe nicht beabsichtigt, hergestellte Wohnungen zunächst an Genossenschaftsmitglieder zu vermieten, sondern sie zu veräußern.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet zurück. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1145 veröffentlichten Urteil führte es zur Begründung aus, die Tätigkeit der M sei entgegen ihrer Satzung auf die Erstellung von Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften und deren sofortiger Veräußerung ausgerichtet gewesen und unterfalle deshalb nicht § 17 EigZulG. Das nicht der Satzung entsprechende Verhalten der M gehe zu Lasten der Kläger. Ihnen sei zumindest grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen, sofern sie sich nicht über das Tätigkeitsfeld der M informiert haben sollten.

Das Urteil ist den Klägern laut Postzustellungsurkunde am zugestellt worden. Sie haben ihre Revision mit einem am eingegangenen Schriftsatz begründet und begehren Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist. Sie berufen sich auf ein einmaliges Versehen einer langjährigen Sekretärin ihres Prozessbevollmächtigten und legen eine eidesstattliche Versicherung vor. Ferner machen sie die fehlerhafte Zustellung des angefochtenen Urteils geltend. Die Postzustellungsurkunde sei mangels Unterschrift des Zustellers nicht ordnungsgemäß angefertigt gewesen.

In der Sache rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. § 17 EigZulG setze lediglich voraus, dass die Satzung dem Genossen das vererbliche Erwerbsrecht einräume, nicht aber, dass tatsächlich entsprechend der Satzung verfahren werde. Überdies sei das satzungswidrige Verhalten der M den Klägern nicht anzulasten gewesen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist zu gewähren und das angefochtene Urteil sowie die Aufhebungsbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. 1. Die Revision ist zulässig. Die Revisionsbegründungsfrist des § 120 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist nicht versäumt. Denn die Zustellung des angefochtenen Urteils war gemäß § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. §§ 166 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO), § 182 Abs. 2 Nr. 8 ZPO unwirksam. Es fehlt nämlich an einer wirksamen Unterschrift des Zustellers, der die Postzustellungsurkunde allenfalls mit einem hierfür nicht ausreichenden Handzeichen paraphiert hat (vgl. dazu Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 182 Rz 12, m.w.N.). Tatsächlich zugegangen (§ 189 ZPO) ist das Urteil erst am , so dass die Revisionsbegründungsfrist eingehalten wurde. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen der Kläger im Schriftsatz vom . Auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt es nicht an.

2. Die Revision ist aber unbegründet. Zutreffend hat das FG Ansprüche der Kläger auf Eigenheimzulage nach § 17 EigZulG verneint und deshalb in den Aufhebungsbescheiden keine Rechtsverletzung gesehen.

a) Nach § 17 EigZulG kann der Anspruchsberechtigte die Eigenheimzulage für die Anschaffung von Geschäftsanteilen von mindestens 10 000 DM an einer nach dem in das Genossenschaftsregister eingetragenen Genossenschaft (Genossenschaftsanteile) in Anspruch nehmen. Zwar erfüllen die Kläger als Anspruchsberechtigte i.S. von § 1 EigZulG diese Voraussetzungen; denn sie haben Genossenschaftsanteile in Höhe von jeweils 10 000 DM erworben. Indes entspricht M nicht den Anforderungen, die das Gesetz an die Förderbarkeit ihrer Anteile stellt.

aa) Nach § 17 Satz 2 EigZulG ist Voraussetzung für die Eigenheimzulage bei Anschaffung von Genossenschaftsanteilen, dass die Satzung der Genossenschaft unwiderruflich den Genossenschaftsmitgliedern, die Förderung erhalten, das vererbliche Recht auf Erwerb des Eigentums an der von ihnen zu Wohnzwecken genutzten Wohnung für den Fall einräumt, dass die Mehrheit der in einem Objekt wohnenden Genossenschaftsmitglieder der Begründung von Wohnungseigentum und Veräußerung der Wohnungen schriftlich zugestimmt hat.

Bereits der Wortlaut dieser Vorschrift deutet auf die Art der Tätigkeit der Genossenschaft hin, deren Anteile das Gesetz wie ein Objekt i.S. des § 2 EigZulG begünstigt: Es muss sich um eine Genossenschaft handeln, die von ihr errichtete Wohnungen ihren Mitgliedern unbeschadet eines entsprechenden in der Satzung formulierten Gesellschaftszwecks tatsächlich zum Wohnen überlässt. Das ergibt sich auch aus dem Sinn des Gesetzes, das „auch im Bereich des genossenschaftlichen Wohnens Anreize für die Bildung und den Erwerb von Wohneigentum” schaffen möchte (so BTDrucks 13/2784, S. 40, zu § 9 Abs. 2). Der Gesetzgeber wollte damit vermeiden, genossenschaftliches Anteilseigentum gegenüber (Allein-)Eigentum an einer Wohnung zu diskriminieren (Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung, BTDrucks 13/2476, S. 5, Tz. 13, zu Art. 1), wozu es aber nur kommen kann, wenn die Genossenschaft ihren Mitgliedern Wohnungen überlässt. Nur unter dieser Voraussetzung ist das geförderte Anteilseigentum mit Wohnungseigentum überhaupt vergleichbar.

bb) Besonderer Anreize bedarf es aber nicht, wenn es einer Genossenschaft gar nicht um „genossenschaftliches Wohnen” geht, sie vielmehr wie ein Bauträger Wohnungen errichtet und sofort wieder veräußert. Im Gegenteil führte eine derartige Förderung zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) mit Bauträgern, die in einer anderen Rechtsform tätig sind. Nur der mitgliedernützige Zweck der genossenschaftlichen Vereinigungsform (siehe § 1 Abs. 1 des GenossenschaftsgesetzesGenG— i.d.F. des Gesetzes vom , BGBl I 2006, 2230; eingehend Beuthien, GenG, 14. Aufl., § 1 Rz 6, m.w.N., und Rz 46 a.E., zu Wohnungsgenossenschaften; vgl. auch Schulte in Lang/Weidmüller, Genossenschaftsgesetz, 35. Aufl. 2006, § 1 Rz 59 ff.) rechtfertigt deren Begünstigung (so , BFHE 197, 507, BStBl II 2002, 274, unter II. 4. a).

Errichtet z.B. ein Bauträger in der Rechtsform einer GmbH Wohnungen, so ist die Anschaffung seiner Anteile nicht förderbar. Ist eine Genossenschaft aber wie ein Bauträger tätig, führte die Begünstigung ihrer Anteile zu Wettbewerbsverzerrungen. Entspricht damit die Tätigkeit einer Genossenschaft dem Geschäftsgebaren eines Bauträgers und überlässt sie ihren Mitgliedern keine Wohnung im Sinne eines „genossenschaftlichen Wohnens”, so ist die Anschaffung der Genossenschaftsanteile nicht nach § 17 EigZulG begünstigt. Daran ändert sich auch nichts, wenn sie in ihrer Satzung ihren Mitgliedern formal das Recht einräumt, Wohnungen zu nutzen.

cc) Diese Gesetzesauslegung steht im Einklang mit der einhelligen Auffassung in der Finanzverwaltung (vgl. das BStBl I 2005, 305, unter Rz 79) und im Schrifttum (vgl. Wacker, EigZulG, 3. Aufl., § 17 Rz 12; Blümich/Erhard, EigZulG, § 17 Rz 22).

Damit nicht in Widerspruch steht die Rechtsprechung des BFH, nach der Eigenheimzulage bei Anschaffung von Genossenschaftsanteilen gemäß § 17 EigZulG (i.d.F. der Streitjahre) nicht davon abhängt, ob der Anspruchsberechtigte irgendwann im Förderzeitraum eine Wohnung der Genossenschaft zu eigenen Wohnzwecken nutzt (so BFH-Urteil in BFHE 197, 507, BStBl II 2002, 274). Das gesetzliche Subventionsangebot soll nämlich auch „die Eigenkapitalausstattung der Genossenschaften durch Mobilisierung zusätzlichen privaten Kapitals” verbessern, „um so die Voraussetzungen für ein verstärktes Engagement im Wohnungsneubau zu schaffen” (so die Beschlussempfehlung und der Bericht des Finanzausschusses des Bundestages, BTDrucks 13/2784, S. 40). Auch reine Kapitalanleger, die nicht beabsichtigen, eine Genossenschaftswohnung je zu nutzen, verfolgen zwar nicht das Ziel, mit der Mitgliedschaft in der Wohnungsbaugenossenschaft eine Vorstufe zum späteren Erwerb der Wohnung zu erreichen, werden aber gefördert, wenn sie —so der BFH in BFHE 197, 507, BStBl II 2002, 274 unter II. 3. c aa— dazu beitragen, Wohnraum für diejenigen Genossenschaftsmitglieder zu schaffen, die selbst dazu nicht in der Lage sind. Diese Erwägung trifft aber auf Genossenschaften nicht zu, die ihren Mitgliedern keine Wohnungen überlassen, sondern sich —wie ein Bauträger— mit der Herstellung und Veräußerung von Wohnungen beschäftigen.

b) Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen für eine Förderung nach § 17 EigZulG im Streitfall nicht gegeben. Denn M ist keine Genossenschaft, deren Anteile begünstigt angeschafft werden können, sondern eine Gesellschaft, die wie ein Bauträger tätig war.

aa) Hierzu hat das FG für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt: Die Tätigkeit der M beschränkte sich auf die Erstellung von Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften und deren sofortige Veräußerung. Eine Überlassung von Wohnungen an Genossen war nicht beabsichtigt und hat auch nicht stattgefunden. Diese Feststellungen sind aufgrund der Bilanzierung der Grundstücke als Umlaufvermögen, der Geschäftsberichte der M und der Auskünfte ihrer Geschäftsführer nachvollziehbar; sie verstoßen nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze. Ihre Bindungswirkung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Kläger im Zusammenhang mit der Auskunftserteilung durch den Geschäftsführer einen Verstoß gegen die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahmen (vgl. hier bedeutsam § 82 FGO i.V.m. § 375, § 377 Abs. 3 ZPO) hervorheben, diesen aber ausdrücklich nicht rügen.

bb) Weil die Voraussetzungen des § 17 EigZulG nicht vorliegen, durfte das FA die Festsetzungsbescheide nach § 165 Abs. 2 AO aufheben. An subjektive Voraussetzungen ist diese Folge nicht geknüpft. Es kommt weder materiell-rechtlich noch verfahrensrechtlich darauf an, ob die Kläger vom tatsächlichen Geschäftsgebaren wussten oder hätten wissen müssen. § 17 EigZulG kennt keine Vertrauensschutzregel (so zutr. Wacker, a.a.O., § 17 Rz 12). Es ist Sache des Investors, wenn er Anteile an einer Genossenschaft erwirbt, die nicht die Voraussetzungen des § 17 EigZulG erfüllt.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1635 Nr. 9
HFR 2007 S. 956 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2007 S. 2630
NWB-Eilnachricht Nr. 44/2007 S. 8
XAAAC-50125