BFH Beschluss v. - X S 4/07

Anforderungen an eine Anhörungsrüge bei Zurückweisung eines Prozessbevollmächtigten, der sich auf die Dienstleistungsfreiheit beruft

Gesetze: FGO § 133a; EG Art. 50

Instanzenzug:

Gründe

I. Mit Beschluss vom X B 179/05 hat der angerufene Senat die Beschwerde der Beschwerdeführerin und Rügeführerin (Rügeführerin) wegen Zurückweisung als Prozessbevollmächtigte durch das Finanzgericht Köln in dem Verfahren 14 K 877/05 als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat die Rügeführerin die vorliegende Anhörungsrüge nach § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) und zusätzlich eine Gegenvorstellung erhoben.

Sie bringt vor, der Senat habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und sein Beschluss leide unter sonstigen schwerwiegenden formellen bzw. materiellen Mängeln. Zur Begründung führt sie aus, der Senat habe das Wort „vorübergehend” in Art. 50 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Nizza (EG) vom (konsolidierte Fassung: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— 2002, Nr. C 325/1) —der Kernpunkt des Beschlusses vom — bei offensichtlich falscher Zitierung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) dieser Rechtsprechung und dem EG zuwider ausgelegt. Der Senat habe alle Beweisanträge einschließlich der Vorlageanträge nicht befolgt, seine unbedingte Pflicht zur Vorlage an den EuGH nach Art. 234 EG und damit den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sowie geltendes Recht missachtet. Die Rügeführerin sei nur vorübergehend grenzüberschreitend tätig. Sie halte sich im Inland nur zu Terminen bei Gericht, Behörden und anderen Institutionen wie auch gelegentlich bei Mandanten auf. Diese Aufenthalte seien sachlich und zeitlich zu vernachlässigen. An einem schwerwiegenden Mangel leide der Beschluss vom auch durch die Interpretation des Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) in der Strafsache 3 StR 385/04 (Neue Juristische Wochenschrift 2005, 3732). Insoweit hätte der Senat eine Entscheidung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes einholen müssen. Das Unterlassen bedeute ebenso einen schwerwiegenden Mangel i.S. des § 133a FGO wie die unterlassene Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wegen dessen Entscheidung zum Meisterzwang (Beschluss vom 1 BvR 1730/02, Deutsches Verwaltungsblatt 2006, 244). Schließlich ignoriere der Beschluss vom die seit dem geltende sog. Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG (RL 2006/123/EG) vom (ABlEG Nr. L 376/36).

II. Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung sind als fristgerecht eingegangen zu behandeln. Es kann dahingestellt bleiben, ob für den Fristbeginn (§ 133a Abs. 2 Satz 1 FGO) auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch die Kläger oder durch die Rügeführerin abzustellen ist, denn eine Verspätung würde nicht auf einem Verschulden der Rügeführerin beruhen, so dass in diesem Fall Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO zu gewähren wäre. Die Anhörungsrüge ist jedoch unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 133a Abs. 2 Satz 6 FGO entspricht.

1. Nach dieser Bestimmung muss der Rügeführer insbesondere schlüssig und substantiiert darlegen, zu welchen Sach- oder Rechtsfragen er sich im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren (hier: Beschwerdeverfahren X B 179/05) nicht hat äußern können oder welches entscheidungserhebliche Vorbringen des Rügeführers das Gericht nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen hat (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 133a Rz 12, m.w.N.).

a) Daran fehlt es im Streitfall. Die Ausführungen der Rügeführerin erschöpfen sich im Kern in einer Darlegung ihrer Auffassung des Begriffs „vorübergehend” i.S. des Art. 50 EG. Sie bringt damit lediglich zum Ausdruck, der Senat habe nach ihrer Ansicht den Streitfall unrichtig gewürdigt und über ihre Beschwerde falsch entschieden. Dies gilt auch für ihren Vorwurf, der Senat habe zu Unrecht die maßgebliche Frage nicht dem EuGH vorgelegt, den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes nicht angerufen und von einer Vorlage an das BVerfG abgesehen. Mit einem solchen Vorbringen kann die Rügeführerin im Verfahren über eine Anhörungsrüge nicht gehört werden (vgl. allgemein , BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614), zumal sich der Senat im Beschluss vom ausführlich mit dem Begriff der vorübergehenden grenzüberschreitenden Dienstleistung befasst hat, ausdrücklich und begründet eine Vorlagepflicht an den EuGH und das BVerfG verneint hat und die von der Rügeführerin für ihre Ansicht angeführte Entscheidung des BGH in Strafsachen gewürdigt hat, wenn auch mit einem anderen Ergebnis als das von der Rügeführerin für richtig gehaltene. Somit kann nicht davon gesprochen werden, dass der Senat Vorbringen der Rügeführerin im vorangegangenen Beschwerdeverfahren entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat.

b) Der Senat hat in dem Beschwerdeverfahren entgegen der Behauptung der Rügeführerin auch keine Beweisanträge übergangen. Die Rügeführerin hat sich im Schriftsatz vom in der Schlussformel zwar Beweisantritt vorbehalten, diesen Schriftsatz jedoch im Schreiben vom ausdrücklich als umfassende Begründung ihrer Beschwerde bezeichnet, ohne dass dieser Erklärung Beweisanträge folgten.

c) Mit dem Hinweis auf die Richtlinie 2005/36/EG vom (ABlEG Nr. L 255/22) und auf die RL 2006/123/EG vermag die Rügeführerin keine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör begründen, weil sie sich auf diese Richtlinien erstmals mit ihrer Anhörungsrüge beruft.

2. Soweit die Rügeführerin eine analoge Anwendung des § 133a FGO mit der Begründung fordert, dass der Beschluss vom an sonstigen schwerwiegenden formellen und/oder materiellen Mängeln leide, ist ihre Anhörungsrüge schon deshalb unzulässig, weil sie auf solche Mängel nicht gestützt werden kann (vgl. Dürr in Schwarz, FGO § 133a Rz 13; Gräber/ Ruban, a.a.O., § 133a Rz 3; Rüsken in Beermann/Gosch, FGO § 133a Rz 8).

3. Der Senat kann offen lassen, ob neben der Anhörungsrüge gemäß § 133a FGO noch eine Gegenvorstellung statthaft ist. Die von der Rügeführerin erhobene Gegenvorstellung ist zumindest unbegründet. Der Beschluss vom ist entgegen ihrer Auffassung weder greifbar gesetzeswidrig noch willkürlich. Es ist nicht ersichtlich, dass er auf einer gravierenden Verletzung von Grundrechten beruht oder jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt.

Fundstelle(n):
EAAAC-50098