BAG Beschluss v. - 7 ABR 33/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BetrVG § 37 Abs. 6; BetrVG § 40 Abs. 1

Instanzenzug: ArbG Reutlingen 7 BV 1/05 vom LAG Baden-Württemberg 2 TaBV 4/05 vom

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über Übernachtungs- und Verpflegungskosten anlässlich einer Schulungsveranstaltung, an der das zu 3) beteiligte Betriebsratsmitglied teilgenommen hat.

Der zu 2) beteiligte Arbeitgeber ist ein gemeinnütziger, eingetragener Verein, der Maßnahmen und Einrichtungen für Körperbehinderte fördert. In seinem Betrieb ist der zu 1) beteiligte Betriebsrat gebildet, dessen Mitglied der Beteiligte zu 3) ist. Bei dem Arbeitgeber besteht eine betriebliche Reisekostenregelung auf der Basis des Landesreisekostengesetzes Baden-Württemberg (LRKG BW). Dieses enthält ua. folgende Regelungen:

"§ 9

Tagegeld

Die Höhe des Tagegeldes zur Abgeltung der Mehraufwendungen für Verpflegung bei Dienstreisen bestimmt sich nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 des Einkommenssteuergesetzes.

§ 10 Übernachtungsgeld

(1) Übernachtungsgeld wird bei einer mindestens zwölfstündigen Dienstreise gewährt, wenn diese sich über mehrere Kalendertage erstreckt oder bis 3 Uhr angetreten worden ist. Übernachtungsgeld wird nicht für eine Nacht gewährt, in der die Dienstreise nach 3 Uhr angetreten oder vor 3 Uhr beendet worden ist.

(2) Das Übernachtungsgeld für eine notwendige Übernachtung ohne belegmäßigen Nachweis beträgt 20 EURO.

(3) Sind die nachgewiesenen Übernachtungskosten höher als der zustehende Gesamtbetrag des Übernachtungsgeldes nach Absatz 2, so wird der Mehrbetrag bis zu 50 vom Hundert und, soweit die Mehrkosten begründet sind, bis zu weiteren 100 vom Hundert des Gesamtbetrages des Übernachtungsgeldes erstattet. Darüber hinausgehende Mehrkosten werden nur in besonders begründeten Ausnahmefällen erstattet. ..."

Nach einem entsprechenden Beschluss des Betriebsrats beantragte der Beteiligte zu 3) beim Arbeitgeber die Freistellung von der Arbeit für die Teilnahme an dem Seminar "Umweltschutz im Betrieb" vom 19. bis in W. Der Arbeitgeber stellte den Beteiligten zu 3) für die Teilnahme an dem Seminar frei, teilte jedoch mit, nur die Seminargebühr, die Reisekosten sowie die Kosten für die Übernachtung und die Verpflegung in Höhe des Landesreisekostengesetzes zu übernehmen.

Dem Beteiligten zu 3) entstanden für die Übernachtung und die Verpflegung im Tagungshotel Kosten von insgesamt 396 Euro. Davon entfielen 240 Euro auf drei Übernachtungen und 156 Euro auf die Verpflegung an drei Tagen, die 3 Mahlzeiten täglich sowie sechs Kaffeepausen und Tagungsgetränke umfasste. Der Arbeitgeber erstattete dem Beteiligten zu 3) 180 Euro für die Übernachtung und 72 Euro für die Verpflegung.

Mit dem vorliegenden Beschlussverfahren macht der Betriebsrat die Erstattung von weiteren Übernachtungskosten in Höhe von 60 Euro sowie von Verpflegungskosten in Höhe von 84 Euro geltend.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Arbeitgeber zu verpflichten, an den Beteiligten zu 3) 144 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beteiligte zu 2) hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat ihn auf die Beschwerde des Arbeitgebers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragen der Betriebsrat und das Betriebsratsmitglied die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Der Arbeitgeber beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerden.

B. Die Rechtsbeschwerden des Betriebsrats und des zu 3) beteiligten Betriebsratsmitglieds sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht entschieden, dass dem Betriebsrat kein Anspruch aus § 40 Abs. 1 BetrVG iVm. § 37 Abs. 6 BetrVG auf Zahlung weiterer 144 Euro wegen der Teilnahme des Beteiligten zu 3) am Seminar "Umweltschutz im Betrieb" vom 19. bis in W gegen den Arbeitgeber zusteht. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass nach den Bestimmungen des LRKG BW Kostenerstattungsansprüche des Betriebsrats über die bereits gezahlten Beträge hinaus nicht mehr bestehen. Der sich aus § 40 Abs. 1 BetrVG ergebende Kostenerstattungsanspruch des Betriebsrats für die Reisekosten des zu 3) beteiligten Betriebsratsmitglieds wird der Höhe nach durch die im Betrieb des Arbeitgebers geltende Reisekostenregelung begrenzt.

I. Der Arbeitgeber hat gem. § 40 Abs. 1 BetrVG die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Dazu gehören auch die Kosten, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das dort vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist (st. Rspr., vgl. - BAGE 94, 42 = AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 68 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 90, zu B 1 der Gründe). Zu den vom Arbeitgeber hierbei zu tragenden Kosten gehören neben den eigentlichen Seminargebühren auch die notwendigen Reisekosten sowie die notwendigen Übernachtungs- und Verpflegungskosten des Betriebsratsmitglieds. Nicht erstattungsfähig sind hingegen die Kosten der persönlichen Lebensführung, wie zB für Getränke ( - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 12 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 50, zu II 4 der Gründe; - 1 ABR 41/73 - BAGE 25, 482 = AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 12, zu III 7 der Gründe). Daneben kann der Arbeitgeber bei der Erstattung der notwendigen Verpflegungskosten die Ersparnis eigener Aufwendungen des Betriebsratsmitglieds anrechnen ( - BAGE 76, 214 = AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 42 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 71, zu B II 2 b der Gründe mwN). Besteht im Betrieb eine zumutbare allgemeine Reisekostenregelung, so ist diese auch für Betriebsratsmitglieder anlässlich der Teilnahme an einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG verbindlich, wenn die Übernachtungs- und Verpflegungskosten vom Betriebsratsmitglied beeinflusst werden können. Eine andere Sichtweise verstößt gegen das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG. Es würde eine ungerechtfertigte Besserstellung der Betriebsratsmitglieder darstellen, wenn diese für die im Zusammenhang mit der Ausübung von Betriebsratstätigkeit anfallende Reisetätigkeit höhere Beträge als andere Arbeitnehmer bei betrieblich veranlassten Reisen beanspruchen könnten, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund besteht. Der sich aus § 40 Abs. 1 BetrVG ergebende Kostenerstattungsanspruch wird durch eine allgemein im Betrieb geltende Reisekostenregelung nur dann nicht begrenzt, wenn der Betriebsrat und das Betriebsratsmitglied auf die entstehenden Reisekosten keinen Einfluss haben ( -, zu B II 2 der Gründe; - 6 ABR 66/81 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 24 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 57, zu II 2 a der Gründe; - 1 ABR 104/73 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 10 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 21, zu II der Gründe; - 1 ABR 98/73 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 6 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 18, zu II 2 der Gründe). In diesem Fall bedarf es jedoch einer besonderen Darlegung, aus welchen Gründen der Betriebsrat die Auswahl einer Schulungsveranstaltung, bei der die Reisekosten über die Sätze einer im Betrieb geltenden allgemeinen Reisekostenregelung hinausgehen, für erforderlich halten durfte.

II. Danach hat das Landesarbeitsgericht den Antrag des Betriebsrats unter Berücksichtigung der sich aus der betrieblichen Reisekostenregelung iVm. dem LRKG BW ergebenden Vorgaben zu Recht abgewiesen. Der Betriebsrat kann keine weitergehende Erstattung von Übernachtungs- oder Verpflegungskosten an das zu 3) beteiligte Betriebsratsmitglied beanspruchen.

1. Zwischen den Beteiligten besteht weder Streit darüber, dass die Schulungsveranstaltung "Umweltschutz im Betrieb" vom 19. bis in W die Voraussetzungen des § 37 Abs. 6 BetrVG erfüllt, noch dass die Teilnahme des Beteiligten zu 3) auf einem ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss beruht.

2. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts besteht im Betrieb des Arbeitgebers eine allgemeine Reisekostenregelung, die eine Erstattung von Reisekosten auf der Grundlage der Regelungen des LRKG BW vorsieht und für alle betrieblich veranlassten Reisen verbindlich ist.

3. Das Landesarbeitsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der im Betrieb des Arbeitgebers allgemein geltenden Reisekostenregelung um eine zumutbare Erstattungsregelung handelt. Das Merkmal der Zumutbarkeit soll sicherstellen, dass die mit der Schulungsveranstaltung verbundene Reisetätigkeit wie eine vergleichbare betrieblich veranlasste Reisetätigkeit vom Geltungsbereich der im Betrieb geltenden Reisekostenregelung erfasst wird. Dies ist vorliegend der Fall. Die auf dem LRKG BW beruhende Regelung erfasst die Erstattung von Aufwendungen für dienstlich veranlasste Reisen mit einer mehrtägigen Ortsabwesenheit und einer auswärtigen Unterbringung (§ 1 Abs. 1, § 4 LRKG BW).

4. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Kosten für die Unterkunft und die Verpflegung anlässlich des Seminars "Umweltschutz im Betrieb" von dem Beteiligten zu 3) beeinflussbar waren. Die Unterbringung im Tagungshotel und die Buchung der von dort angebotenen Konferenzpauschale war den Teilnehmern von dem Seminarveranstalter freigestellt.

5. Ein über 60 Euro pro Übernachtung hinausgehender Erstattungsanspruch besteht nicht.

a) Die Erstattung von Übernachtungskosten richtet sich nach der Regelung in § 10 LRKG BW. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 LRKG BW iVm. Nr. 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Finanzministeriums zum Landesreisekostengesetz (LRKG VwV) vom (GABl. S. 417) idF der VV vom (GABl. S. 654) zu § 10 LRKG BW sind bei Übernachtungen in Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern durch Belege nachgewiesene Unterkunftskosten bis zum Doppelten des Gesamtbetrags des nach § 10 Abs. 2 LRKG BW zustehenden pauschalen Übernachtungsgeldes erstattungsfähig. Nach der genannten Vorschrift sind ohne Begründung der Notwendigkeit bis zu 200 vom Hundert und damit 40 Euro je Übernachtung ohne Frühstück und, soweit die Notwendigkeit der entstandenen Auslagen im Erstattungsantrag zusätzlich begründet wird, bis zu 300 vom Hundert und damit 60 Euro je Übernachtung erstattungsfähig. Nach § 10 Abs. 3 Satz 2 LRKG BW werden darüber hinausgehende Mehrkosten nur in besonders begründeten Ausnahmefällen erstattet.

b) Das Landesarbeitsgericht hat einen Ausnahmefall, der nach § 10 Abs. 3 Satz 2 LRKG BW eine über 60 Euro hinausgehende Erstattung rechtfertigen könnte, zutreffend verneint. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann die Notwendigkeit der Übernachtung in dem Tagungshotel nicht allein mit den Besonderheiten von Schulungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG begründet werden. Es ist ohne Darlegung von besonderen Umständen nicht als erforderlich iSd. § 40 Abs. 1 BetrVG anzusehen, dass das Betriebsratsmitglied auch in dem Hotel übernachtet, in dem die Schulung stattfindet. Zwar trifft es nach Kenntnis des Senats zu, dass bei Schulungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG der Gedanken- und Erfahrungsaustausch über die Betriebsratsarbeit unter den Seminarteilnehmern nach Beendigung des eigentlichen Seminarprogramms fortgesetzt wird. Dies macht eine Übernachtung des Betriebsratsmitglieds in dem Tagungshotel jedoch selbst dann nicht erforderlich, wenn auch der sich an die Beendigung des Seminarprogramms anschließende Austausch in den Räumen des Tagungshotels stattfindet. An der Teilnahme an diesen Zusammentreffen ist das Betriebsratsmitglied nicht gehindert, wenn es an einem anderen, entweder fußläufig oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbaren Hotel am Tagungsort übernachtet. Es ist von dem insoweit darlegungspflichtigen Betriebsrat oder dem beteiligten Betriebsratsmitglied nicht dargetan worden, dass für den Beteiligten zu 3) eine entsprechende Unterbringungsmöglichkeit in W nicht zur Verfügung gestanden hat.

6. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht entschieden, dass der Betriebsrat die Erstattung von weiteren Verpflegungsaufwendungen nicht verlangen kann. Nach der allgemeinen Reisekostenregelung des Arbeitgebers sind nicht die entstandenen Verpflegungsaufwendungen, sondern nur die reisebedingten Verpflegungsmehraufwendungen erstattungsfähig. Dies führt dazu, dass zwar ein über die im LRKG BW enthaltenen Pauschbeträge hinausgehender Erstattungsanspruch nicht besteht, aber andererseits die nach § 40 Abs. 1 BetrVG zulässige Anrechnung eines Teils der tatsächlichen Verpflegungsaufwendungen als Haushaltsersparnis entfällt. Den sich danach für die Abwesenheitszeiten des Beteiligten zu 3) zwischen dem 19. und ergebenden Betrag von 72 Euro hat der Arbeitgeber dem Betriebsratsmitglied unstreitig erstattet. Eine weitergehende Erstattungsmöglichkeit für die reisebedingten Mehraufwendungen sieht das LRKG BW nicht vor.

Fundstelle(n):
NAAAC-49999

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein