Berechtigtes Interesse für eine Nichtigkeitsfeststellungsklage; Ersetzung von Zusammenveranlagungsbescheiden durch getrennte Veranlagungen; Bestellung eines Betreuers
Gesetze: FGO § 41; FGO § 115 Abs. 2; AO § 34; AO § 79; AO § 122; BGB § 1902
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Senat sieht von der Darstellung des Tatbestandes gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ab.
II. Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO innerhalb der Beschwerdefrist dargetan.
1. a) Soweit der Kläger Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend macht, wird damit kein Zulassungsgrund dargetan. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein können; denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten.
b) Einen sog. qualifizierten Rechtsanwendungsfehler, der ausnahmsweise die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO erfordert, hat der Kläger weder schlüssig dargetan, noch sind angesichts der Würdigung des Sachverhalts durch das Finanzgericht (FG) Anhaltspunkte hierfür ersichtlich.
Für einen derartigen Mangel eines angefochtenen Urteils kommen nur offensichtlich materielle oder formelle Fehler des FG im Sinne einer willkürlichen Entscheidung in Betracht. Dazu reicht indes nicht eine bloß fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles aus (, BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).
c) Soweit der Kläger ausdrücklich auch die Streitjahre 1991, 1992 sowie 1994 und 1995 anficht und nachdem die im Wege der getrennten Veranlagung ergangenen Steuerbescheide für diese Jahre aufgehoben und durch eigenständige Zusammenveranlagungsbescheide, die Gegenstand der Aufhebungsklage zu Az. 4 K 84/05 (Nichtzulassungsbeschwerde Az. VIII B 126/06) sind, ersetzt worden sind, ist ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung von deren Unwirksamkeit i.S. des § 41 Abs. 1 2. Alternative FGO weder erkennbar noch vom Kläger schlüssig dargetan worden. Die aufgeworfenen Fragen sind somit für diese Streitjahre im Rahmen dieses Verfahrens nicht (mehr) entscheidungserheblich.
d) Soweit sich die Fragen für einzelne Streitjahre (1989, 1990, 1993 und 1996) stellen können, liegen die Voraussetzungen für einen qualifizierten Rechtsanwendungsfehler indes offensichtlich nicht vor.
Die Bestellung eines Betreuers führt, sofern der Betreute nicht geschäftsunfähig oder nur beschränkt geschäftsfähig ist, auch im Aufgabenkreis des Betreuers nicht zur Geschäftsunfähigkeit nach § 104 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bzw. zur Handlungsunfähigkeit i.S. von § 79 der Abgabenordnung (AO) des Betreuten. Innerhalb des Wirkungskreises ist der Betreuer gesetzlicher Vertreter (§ 1902 BGB) mit der Folge des Zustandekommens einer Doppelzuständigkeit (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 79 AO Rz 21; Erman/ Holzhauer, BGB, 11. Aufl., § 1902 Rz 18), die im Verwaltungsverfahren und im finanzgerichtlichen Verfahren gemäß § 79 Abs. 3 AO i.V.m. § 53 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu lösen ist (vgl. , BFH/NV 1996, 289; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 79 AO Rz 21; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler —HHSp—, § 79 AO Rz 68). Der Betreuer vertritt den Betreuten innerhalb des ihm übertragenen Aufgabenkreises unabhängig von dessen Geschäftsfähigkeit. Bei der Anordnung der Betreuung kommt es nicht auf die Geschäftsunfähigkeit an, sondern auf die mangelnde Fähigkeit zur Besorgung der eigenen Angelegenheiten. Die Anordnung der Betreuung hat somit auch keinen Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten (vgl. BFH-Beschlüsse vom III R 37/03, BFH/NV 2006, 1325; vom IV B 130/04, BFH/NV 2005, 574; Palandt/Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl., Einf. vor § 1896, Rz 13).
Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes —VwZG— (bis zum § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG a.F.) sind, soweit der Aufgabenkreis des Betreuers reicht, Zustellungen an den bestellten Betreuer vorzunehmen. Die Regelung ist durch Art. 7 § 2 des Betreuungsgesetzes vom (BGBl I 1990, 2002) in § 7 VwZG a.F. als Satz 2 als Sonderregelung für betreute Personen eingefügt worden (Schwarz in HHSp, § 6 VwZG Rz 1 und 9).
Gehört, wie das FG festgestellt hat, auch die Erfüllung steuerlicher Pflichten zum Aufgabenkreis des Betreuers, so ist er auch Zustellungsempfänger. Als gesetzlicher Vertreter hat der Betreuer innerhalb seines ihm übertragenen Wirkungskreises die steuerlichen Pflichten des Betreuten wahrzunehmen (§ 34 Abs. 1 AO; vgl. Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 79 AO Rz 21; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 34 AO Rz 5). Die verantwortliche Entgegennahme eines Verwaltungsaktes ist eine solche Verfahrenshandlung (vgl. auch , BFHE 183, 13, BStBl II 1997, 595).
Die Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 VwZG ist entsprechend auch auf die einfache Bekanntgabe nach § 122 Abs. 1 AO anzuwenden. Der , BFHE 184, 232, BStBl II 1998, 266, 268) hat z.B. auch den Rechtsgedanken der Heilung von Mängeln der —förmlichen— Zustellung gemäß § 9 VwZG a.F. (jetzt § 8 VwZG) entsprechend auf einfache Bekanntgabemängel angewandt. Nichts anderes gilt bezüglich des hinter der Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 VwZG stehenden Rechtsgedankens für die einfache Bekanntgabe an den Betreuer. Anderenfalls könnte der Zweck einer Betreuung nämlich nicht erreicht werden, wenn dem unter Betreuung stehenden Steuerpflichtigen auch Steuerbescheide wirksam bekannt gegeben werden könnten (vgl. Beschluss des , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2002, 1566, rkr.; zustimmend Schwarz in HHSp, § 6 VwZG Rz 9; weiter gehend Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 79 Rz 21, der auch die Bekanntgabe an den Betreuten zulassen will; ebenfalls Söhn in HHSp, § 79 AO Rz 11, 68 und 71). Selbst wenn eine alternative Bekanntgabe zulässig wäre, mithin eine Bekanntgabe nicht zwingend an den Betreuer vorgenommen werden müsste, so könnte jedenfalls die Bekanntgabe an den Betreuer nicht als eine willkürliche, jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrende Ermessensentscheidung gewertet werden.
Soweit der Kläger sich auf die Regelung des Bekanntgabeerlasses vom beruft, ist diese durch die Regelung des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom (BStBl I 1991, 398) und die weiteren Änderungen des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 122 längst überholt. Zum gültigen Bekanntgabeerlass hat der Kläger indes keine Ausführungen gemacht. Ausdrückliche Regelungen für die Bekanntgabe an den gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen enthält der AEAO zu § 122 unter Tz. 2.2 im Übrigen nur, soweit der Inhaltsadressat geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. Eine Selbstbindung für die Fälle von Bekanntgaben an unter Betreuung stehende volljährige und geschäftsfähige Steuerpflichtige kann somit nicht eingetreten sein.
2. Rechtsfortbildung
a) Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts ist insbesondere in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Erforderlich ist eine Entscheidung des BFH nur dann, wenn die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt und die Frage nach dem „Ob” und ggf. „Wie” der Rechtsfortbildung klärungsbedürftig ist. Es gelten insoweit die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO höchstrichterlich entwickelten strengen Darlegungsanforderungen. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen. Es reicht weder —für sich allein— aus, dass die Rechtsfrage bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden ist, noch genügt die Behauptung, das FG habe sachlich unrichtig entschieden (, BFH/NV 2006, 1256).
b) Der Kläger hat hinsichtlich der aufgeworfenen Rechtsfragen, nämlich der Bekanntgabe von Verwaltungsakten im Rahmen von Betreuungsverhältnissen und eines —verengten— Ermessensspielraums bei geschäftsfähigen Betreuten keinen Meinungsstreit unter Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und den veröffentlichten Auffassungen im Fachschrifttum aufgezeigt, der eine (weitere) Klärung durch den BFH über den Einzelfall hinaus als erforderlich erscheinen ließe.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1630 Nr. 9
FAAAC-49672