Leitsatz
[1] a) Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für das Einspruchsverfahren nach § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in den vom bis zum geltenden Fassungen ist nicht verfassungswidrig.
b) Auch im Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren setzt die Prüfung, ob der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig ist, die Auslegung des Patentanspruchs voraus. Dazu ist zu ermitteln, was sich aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt.
Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 19 Abs. 4; PatG 2002/2004 § 147 Abs. 3; PatG § 1; PatG § 21 Abs. 1 Nr. 1
Instanzenzug: Bundespatentgericht 20 W(pat) 305/03 vom
Gründe
I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist Inhaberin des am angemeldeten deutschen Patents 199 22 068 (Streitpatents), das ein "Verfahren und (ein) System zum Übermitteln von Symbolen von einem Sender zu einem Empfänger" betrifft und 24 Patentansprüche umfasst. Patentanspruch 1 lautet (Nummerierung der Verfahrensschritte hinzugefügt):
Verfahren zum Übermitteln von Symbolen von einem Sender zu einem Empfänger, mit den Schritten:
[1] sendeseitig wird ein bestimmtes Symbol ausgewählt;
[2] sendeseitig wird ein dem ausgewählten Symbol zugeordneter, dieses vollständig bezeichnender sprachlicher Ausdruck (Text) ermittelt;
[3] dem sprachlichen Ausdruck (Text) wird eine Kennung hinzugefügt, die den sprachlichen Ausdruck als verschlüsseltes Symbol kennzeichnet;
[4] der gekennzeichnete sprachliche Ausdruck (Text) wird als Zeichenfolge von dem Sender zu dem Empfänger gesendet;
[5] empfangsseitig wird das dem gekennzeichneten sprachlichen Ausdruck (Text) zugeordnete Symbol aus einem Speichermittel ausgewählt und
[6] das ausgewählte Symbol wird auf einer Anzeigeeinrichtung des Empfängers dargestellt.
Die Einsprechende hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Das Bundespatentgericht, vor dem das Einspruchsverfahren nach § 147 Abs. 3 PatG durchgeführt worden ist, hat das Patent widerrufen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Patentinhaberin.
II. Die Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung statthaft (§ 147 Abs. 3 Satz 5 i.d.F. vom i.V.m. § 100 Abs. 1 PatG) und auch im Übrigen zulässig.
Sie eröffnet die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses nach Art einer Revision (BGHZ 133, 18, 19 - Informationssignal). Diese Nachprüfung ist inhaltlich nicht auf die Nachprüfung der Entscheidung des Bundespatentgerichts beschränkt, von einer Aussetzung des Verfahrens abzusehen.
Das Patentgericht hat im Tenor des angefochtenen Beschlusses eine unbeschränkte Zulassung der Rechtsbeschwerde ausgesprochen. Aus den Gründen ergibt sich, dass die Rechtsbeschwerde "zur Klärung der Frage, ob das Gericht einem Aussetzungsantrag im Hinblick auf eine erhobene Verfassungsbeschwerde auch dann stattzugeben habe, wenn aus seiner Sicht keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Norm bestünden" zugelassen worden ist. Daraus ergibt sich jedoch keine Beschränkung der Nachprüfung.
Zwar kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde, ebenso wie die der Revision (s. dazu BGHZ 53, 152, 155; 101, 276, 278; 111, 158, 166; , NJW-RR 2007, 182, 183), auf einen abgrenzbaren Teil des Beschwerdeverfahrens beschränkt werden (BGHZ 88, 191, 193 - Ziegelsteinformling I; Sen.Beschl. v. - X ZB 1/96, GRUR 1997, 360, 361 - Profilkrümmer; v. - X ZB 4/01, GRUR 2003, 781 - Basisstation; v. - X ZB 34/03, GRUR 2005, 143 - Rentabilitätsermittlung; st. Rspr.). Dabei muss es sich aber um einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes handeln, der Gegenstand einer Teilentscheidung sein könnte oder auf den der Rechtsbeschwerdeführer selbst die Rechtsbeschwerde beschränken könnte. Dies ist hier nicht der Fall.
Die Entscheidung des Gerichts über die Aussetzung des Verfahrens ist im patentgerichtlichen Verfahren zwar durch gesonderten Beschluss möglich. Sie ist aber nicht gesondert anfechtbar, weder in Fällen, in denen das Patentgericht wie im Streitfall über den Einspruch in erster Instanz entscheidet noch in Fällen, in denen es im Beschwerde- bzw. im Nichtigkeitsverfahren (vgl. hierzu § 110 Abs. 6 PatG) die Aussetzung des Verfahrens gesondert beschließt. Nach § 99 Abs. 2 PatG findet eine Anfechtung der Entscheidungen des Patentgerichts nur statt, soweit das Patentgesetz sie zulässt. Das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde, das § 252 ZPO im Zivilprozess erster Instanz in Fällen der Aussetzung eröffnet, ist im patentgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen. Die Rechtsbeschwerde nach § 100 PatG ist nur statthaft gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 73 oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden worden ist. Eine Zwischenentscheidung über die Aussetzung ist keine Entscheidung über die Beschwerde oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf des Patents und unterliegt damit nicht der Rechtsbeschwerde. Ein abtrennbarer Teil des Streitstoffes liegt demnach nicht vor, so dass die Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht auf den rechtlichen Teilaspekt der Aussetzung begrenzt werden kann.
III. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent mit der Begründung widerrufen, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Das Bundespatentgericht hat hierzu ausgeführt: Aus der US-Patentschrift 5 784 001 sei ein Verfahren zum Übermitteln von Symbolen von einem Sender zu einem Empfänger bekannt. Beim Sender werde aus mehreren zur Verfügung stehenden Symbolen ein bestimmtes Symbol (z.B. ein Telefonsymbol "TELEPHONE", Fig. 2, 4) ausgewählt und ein dem ausgewählten Symbol zugeordneter numerischer Ausdruck (z.B. "01", Fig. 2) ermittelt. Diesem numerischen Ausdruck werde eine Kennung ("#") hinzugefügt, die den numerischen Ausdruck als verschlüsseltes Symbol kennzeichne. Der so gekennzeichnete numerische Ausdruck ("#01") werde von dem Sender zu dem Empfänger gesendet. Alternativ zu einem gekennzeichneten numerischen Ausdruck (z.B. "#01") könne auch ein das Symbol bezeichnender sprachlicher Ausdruck (key word "CALL" oder "PHONE") zum Empfänger gesendet werden. Beim Empfänger würden die vom Sender übermittelten Wörter bzw. sprachlichen Ausdrücke mit gespeicherten Schlüsselwörtern verglichen. Stimme ein Wort der übermittelten Nachricht mit einem gespeicherten Schlüsselwort (z.B. "CALL" oder "PHONE") überein, werde auf dem Display des Empfängers sowohl das dem Schlüsselwort (z.B. "PHONE") entsprechende Symbol (Telefonsymbol) als auch das Schlüsselwort selbst ("PHONE") dargestellt. In Fig. 20 sei ein Beispiel gezeigt, bei dem die übermittelte Nachricht ausschließlich aus den sprachlichen Ausdrücken "CALL" und "HOME" bestehe, während auf dem Display des Empfängers nur die beiden zugeordneten Symbole (Telefonsymbol und Haussymbol) und nicht die zugehörigen Schlüsselwörter "CALL" und "HOME" dargestellt würden. Wolle der Fachmann - ein Dipl.-Ing. (FH) für Informatik mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Software für Datenübertragungseinrichtungen - dieses Beispiel ausführen, so müsse er eine Anzeige der sprachlichen Ausdrücke "CALL" und "HOME" unterbinden. Dazu liege es für den Fachmann auf der Hand, jeden einzelnen sprachlichen Ausdruck genauso wie die numerischen Ausdrücke mit einer Kennung (z.B. #) als verschlüsseltes Symbol zu kennzeichnen. Damit sei der Fachmann beim Gegenstand des Patentanspruchs 1 angelangt, ohne erfinderisch tätig zu werden.
2. Die Rechtsbeschwerde rügt, das Patentgericht habe rechtsfehlerhaft lediglich geprüft, ob der über den Inhalt der US-Patentschrift 5 784 001 hinausgehende Teil des Streitpatents auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, anstatt der Prüfung den Gegenstand des Streitpatents in seiner Gesamtheit zu unterziehen.
3. Der Angriff der Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
a) Zutreffend ist allerdings ihr Ausgangspunkt, dass sich die Prüfung, ob der Gegenstand des Patentanspruchs patentfähig ist (hier: ob er dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war), auf die im Patentanspruch geschützte technische Lehre in ihrer Gesamtheit beziehen muss und sich nicht auf einen Teil, wie etwa die kennzeichnenden Merkmale eines zweiteiligen Patentanspruchs, beschränken darf (BGHZ 147, 137, 141 - Trigonellin; Sen.Urt. v. - X ZR 15/82, GRUR 1984, 272, 274 - Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrichtung). Für die Prüfung dieses Gegenstandes reicht es nicht aus, zu untersuchen, ob sich der Wortlaut des Patentanspruchs auf eine Entgegenhaltung aus dem Stand der Technik oder einen Gegenstand, den der Stand der Technik dem Fachmann nahegelegt hat, lesen lässt. Vielmehr ist es grundsätzlich erforderlich, dass zunächst der Gegenstand des Patentanspruchs ermittelt wird, indem der Patentanspruch unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen aus der Sicht des von der Erfindung angesprochenen Fachmanns ausgelegt wird. Für die Prüfung der Patentfähigkeit im Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren gilt dies ebenso wie für das Nichtigkeitsverfahren (Sen.Urt. v. - X ZR 145/98, GRUR 2001, 232 - Brieflocher) und den Verletzungsprozess (BGHZ 159, 221, 226 - Drehzahlermittlung). Denn erst wenn diese Auslegung erfolgt ist, steht der Gegenstand der nachfolgenden Überprüfung auf Patentfähigkeit fest.
Die Auslegung ist Rechterkenntnis und demgemäß richterliche Aufgabe (BGHZ 160, 204, 213 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; BGHZ 166, 305, 311 - Vorausbezahlte Telefongespräche; Sen.Urt. v. - X ZR 74/05, Tz. 18 - Kettenradanordnung, für BGHZ bestimmt). Sie wird freilich, wie jede Auslegung, auf tatsächlicher Grundlage getroffen, zu der neben den objektiven technischen Gegebenheiten auch ein bestimmtes Vorverständnis der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen sowie Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen und methodische Herangehensweise dieser Fachleute gehören, die das Verständnis des Patentanspruchs und der in ihm verwendeten Begriffe bestimmen oder jedenfalls beeinflussen können (BGHZ 164, 261, 268 - Seitenspiegel). Zu ermitteln ist, was sich aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt (Sen.Urt. "Kettenradanordnung" aaO; Melullis, Festschrift für Eike Ullmann, S. 503, 512 f.).
b) Das Bundespatentgericht hat sich nicht in erkennbarer Weise mit dem richtigen Verständnis des Patentanspruchs befasst. Im Streitfall erweist sich dies jedoch im Ergebnis als unschädlich, da die Auslegung, die das Rechtsbeschwerdegericht selbständig vornehmen kann (st. Rspr.; s. nur BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild; BGHZ 160, 204, 213 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung), nicht ergibt, dass der Patentanspruch insgesamt oder hinsichtlich einzelner Merkmale anders zu verstehen ist als das Bundespatentgericht auf der Grundlage des Anspruchswortlauts angenommen hat. Weiterer tatsächlicher Feststellungen, die im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht getroffen werden könnten, bedarf es hierzu nicht; auch die Rechtsbeschwerde macht insoweit nichts geltend.
c) Die Streitpatentschrift betrifft ein Verfahren zum Übermitteln von Symbolen von einem Sender zu einem Empfänger.
Sie bezeichnet es als beispielsweise bei Mobiltelefonen bekannt, beim Übersenden einer Nachricht vom Sender ausgewählte Symbole als solche zu übermitteln. Aus der veröffentlichten internationalen Patentanmeldung WO 97/10429 sei ferner ein Verfahren zum Übermitteln von Symbolen von einem Sender zu einem Empfänger bekannt, bei dem sendeseitig ein Symbol ausgewählt werde, ein diesem zugeordneter sprachlicher Ausdruck (Text) ermittelt werde, dieser Text als Zeichenfolge vom Sender zum Empfänger gesendet werde, empfangsseitig das dem Text zugeordnete Symbol aus einem Speichermittel ausgewählt werde und dieses Symbol sodann auf einer Anzeigeeinrichtung dargestellt werde.
Als nachteilig sieht die Streitpatentschrift an diesen sowie einem weiteren bekannten Verfahren an, dass entweder die Symbole als solche übermittelt werden müssten, was eine erhebliche Datenmenge und entsprechende Übermittlungszeit erfordere, oder aber die Symbole nicht sicher als solche erkannt werden könnten.
Daraus ergibt sich im Wesentlichen in Übereinstimmung mit der im Streitpatent angegebenen Aufgabe das Problem, ein Verfahren anzugeben, das es erlaubt, die für die Übermittlung der Symbolinformation erforderliche Datenmenge zu reduzieren.
Diese Aufgabe soll durch die im Patentanspruch angegebenen Verfahrensschritte 1 bis 6 gelöst werden. Indem nicht das ausgewählte Symbol (Merkmal 1), sondern ein dieses vertretender Text übermittelt wird (Merkmale 2 und 4), kann die Datenmenge reduziert werden. Zugleich wird dadurch, dass dem Text eine Kennung hinzugefügt wird (Merkmal 3), sichergestellt, dass der übermittelte Text auf Empfängerseite eindeutig als Symbolinformation interpretiert (Merkmal 5) und das Symbol auf der Anzeigeeinrichtung des Empfängers dargestellt wird (Merkmal 6).
d) Hiernach hat das Bundespatentgericht jedenfalls im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 dem Fachmann durch die US-Patentschrift 5 784 001 nahegelegt war.
Nach seinen rechtsfehlerfreien und auch von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Ausführungen ist dieser Vorveröffentlichung ein Verfahren zu entnehmen, bei der sendeseitig einem bestimmten Symbol eine dieses bezeichnende Ziffernfolge zugeordnet ist. Dieser Ziffernfolge ist das Zeichen # vorangestellt, das die nachfolgenden Ziffern als Symbolcode kennzeichnet (Sp. 3 Z. 18-21). Die gesamte Zeichenfolge wird übermittelt, als Symbolcode erkannt und das Symbol auf der Anzeigeeinrichtung des Empfängers dargestellt (Sp. 3 Z. 38-42).
Dieses Verfahren unterscheidet sich von dem erfindungsgemäßen nur dadurch, dass die übermittelte Symbolinformation nicht, wie in Merkmal 2 angegeben, durch eine Buchstabenfolge ("Text"), sondern durch eine Ziffernfolge dargestellt wird. Abgesehen davon, dass, worauf das Bundespatentgericht abgehoben hat, bei dem vorbekannten Verfahren alternativ auch die Übermittlung von Schlüsselwörtern vorgesehen ist, kann dieser Unterschied jedoch keine erfinderische Tätigkeit begründen. Denn der "dem ausgewählten Symbol zugeordnete, dieses vollständig bezeichnende sprachliche Ausdruck (Text)" hat wie der Zifferncode im Stand der Technik nur die Funktion eines eindeutigen Symbolcodes, der mit einer geringen Datenmenge auskommt. Da der Symbolcode nicht dazu bestimmt ist, dem Empfänger als solcher angezeigt zu werden, sondern nur auf Empfängerseite wiederum eindeutig einem Symbol zugeordnet werden soll, das für den Empfänger sichtbar ist, liegt es auf der Hand, dass es unerheblich ist, ob der zur Symbolcodierung verwendete alphanumerische Code aus Ziffern oder aus Buchstaben besteht oder ob er ein Wort einer gesprochenen Sprache ergibt, sofern er nur eindeutig ist. Welcher Möglichkeit er sich bediente, stand daher im freien Belieben des Fachmanns.
III. Der Senat hat keinen Anlass gesehen, das Rechtsbeschwerdeverfahren entsprechend § 148 ZPO auszusetzen.
Hält das Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig, ist es gemäß § 100 Abs. 1 GG verpflichtet, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Wenn das entscheidungserhebliche Gesetz - wie hier - bereits Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde ist, ist eine Aussetzung in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO zulässig (BGHZ 162, 373, 376 - Aussetzung wegen Parallelverfahren; , RdE 2001, 20; v. - VIII ZR 337/97, NJW 1998, 1957). Es besteht aber keine Verpflichtung des Gerichts, das Verfahren in einem solchen Fall auszusetzen; es hat hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Eine Aussetzung kommt in einem derartigen Fall insbesondere dann in Betracht, wenn Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der betreffenden Vorschrift bestehen und die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit weder einfach noch ohne großen Zeitaufwand zu erledigen ist (so in dem vom Bundesgerichtshof zur Aussetzung wegen behaupteter Verfassungswidrigkeit des Stromeinspeisungsgesetzes entschiedenen Fall, aaO NJW 1998, 1957). Bestehen hingegen keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der entscheidungserheblichen Vorschrift, hat grundsätzlich das Interesse der Verfahrensbeteiligten, die nicht auf eine Aussetzung angetragen haben, an einer zügigen Erledigung des Verfahrens Vorrang. So ist es auch hier, denn § 147 Abs. 3 PatG in den bis zum geltenden Fassungen des Gesetzes ist verfassungsgemäß.
Die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG ist nicht verletzt. Das Einspruchsverfahren vor dem Bundespatentgericht ermöglicht es jedem Dritten, die Rechtmäßigkeit der Erteilung eines Patents, das seinem Inhaber ein gegenüber jedem Dritten wirkendes Ausschließlichkeitsrecht verleiht, durch ein unabhängiges Gericht überprüfen zu lassen. Der Gesetzgeber ist nach dem Grundgesetz nicht gehalten, die diese Überprüfung abschließende gerichtliche Entscheidung ihrerseits einer Nachprüfung zugänglich zu machen, denn Art. 19 Abs. 4 GG garantiert nur den Rechtsweg, nicht aber einen Instanzenzug (BVerfGE 49, 329, 343; 87, 48, 61; 92, 365, 410; 96, 27, 39; st. Rspr.).
Es ist auch nicht zutreffend, dass das Einspruchsverfahren vor dem Bundespatentgericht, wie die Patentinhaberin meint, materiell Verwaltungstätigkeit darstellte. Zwar kann im Einspruchsverfahren das Patent in den gesetzlichen Grenzen gestaltet werden. Das ändert aber nichts daran, dass das Einspruchsverfahren im Kern der gerichtlichen Überprüfung einer Verwaltungsentscheidung dient (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 14/7140, S. 60 f.; Sen.Beschl. v. - X ZB 14/97, GRUR 1999, 571, 572 - künstliche Atmosphäre; Schwendy/Keukenschrijver/Schuster in Busse, PatG, 6. Aufl., § 147 Rdn. 26 f.), indem es insbesondere die Nachprüfung ermöglicht, ob das Patentamt die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Patentfähigkeit des Gegenstands des Patents zutreffend bejaht hat (§ 21 Nr. 1 PatG), zu Recht angenommen hat, dass die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 21 Nr. 2 PatG), und zu Recht angenommen hat, dass der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung nicht hinausgeht (§ 21 Nr. 4 PatG). Das vom Gesetzgeber zeitweise suspendierte Einspruchsverfahren vor der Patentabteilung stellt aus verfassungsrechtlicher Sicht ein Vorverfahren dar, das - ähnlich dem Widerspruchsverfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung - es der Erteilungsbehörde ermöglicht, dem Rechtsschutzbegehren des Einsprechenden durch einen vollständigen oder teilweisen Widerruf des Patents abzuhelfen.
Ein solches Vorverfahren ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Es stand dem Gesetzgeber daher frei, es - zeitweise - abzuschaffen.
Gegen die zeitweise Suspendierung des Einspruchsverfahrens vor der Patentabteilung bestehen auch im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) keine Bedenken. Dass die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts davon abhängt, ob die Einspruchsfrist vor oder - wie im Streitfall - nach dem begonnen hat, liegt in der Natur einer verfahrensrechtlichen Regelung, die notwendigerweise einen Zeitpunkt bestimmen muss, von dem an sie Geltung beansprucht, und damit Sachverhalte, die in den einen Zeitraum fallen, anders behandeln muss als diejenigen, die den für den anderen Zeitraum geltenden Regeln unterliegen. Art. 3 Abs. 1 GG schützt jedoch nicht vor jeder Ungleichbehandlung, sondern nur vor der ungerechtfertigten Verschiedenbehandlung. Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; 88, 87, 96 f.; 101, 239, 269; st. Rspr.). Dass der Patentanmelder keinen oder nur begrenzten Einfluss darauf hat, wann die Einspruchsfrist gegen das ihm erteilte Patent beginnt, begründet keinen sachlichen Einwand gegen den vom Gesetzgeber gewählten Stichtag. Es war vielmehr sachgerecht und naheliegend, die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts davon abhängig zu machen, zu welchem Zeitpunkt ein Patent mit dem Einspruch angegriffen werden konnte.
Ebenso wenig ist der allgemeine Gleichheitssatz dadurch verletzt, dass dem Patentinhaber, dessen Patent durch das Bundespatentgericht widerrufen worden ist, ein weiterer Rechtsbehelf nur unter den Voraussetzungen des § 100 PatG zu Gebote steht, während der Einsprechende das aufrechterhaltene Patent noch mit der Nichtigkeitsklage angreifen kann. Mit der Nichtigkeitsklage stellt der Gesetzgeber jedem Dritten die Möglichkeit zur Verfügung, die Rechtsbeständigkeit eines Patents auch dann zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen, wenn die Einspruchsfrist abgelaufen und ein Einspruchsverfahren nicht mehr anhängig ist. Da die Verletzungsgerichte an die Erteilung eines Patents gebunden sind, solange das Patent nicht (rechtskräftig) widerrufen oder für nichtig erklärt ist, ermöglicht das Gesetz damit jederzeit die Überprüfung, ob das erteilte Ausschließlichkeitsrecht von jedermann zu beachten ist oder nicht. Daraus lässt sich nicht herleiten, auch dem Patentinhaber, dessen Patent mit der Folge widerrufen worden ist, dass die Wirkungen des Patents als von Anfang an nicht eingetreten gelten (§ 21 Abs. 3 Satz 1 PatG), müsse eine "zweite Chance" eingeräumt werden.
Da auch das Bundespatentgericht keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm hatte, hat es seinerseits rechtsfehlerfrei davon abgesehen, das Einspruchsverfahren auszusetzen.
IV. Die Rechtsbeschwerde ist hiernach mit der Kostenfolge des § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG zurückzuweisen.
Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
LAAAC-49618
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja