Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: EGGVG §§ 23 ff.; EGGVG § 23 Abs. 1 Satz 1; EGGVG § 29 Abs. 1 Satz 2; FGG § 12; VwGO § 40 Abs. 1; ZPO § 50
Instanzenzug: OLG Frankfurt/Main 20 VA 11/05 vom
Gründe
I. Der Antragsteller wandte sich im November 2005 an das Amtsgericht Kassel - Insolvenzgericht - und bat, künftig bei der Bestellung von Insolvenzverwaltern berücksichtigt zu werden. Er verwies auf seine langjährige Tätigkeit als Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts und seine Qualifikation als Fachanwalt für Steuerrecht; die erforderlichen Kenntnisse im Insolvenzrecht habe er auf Fortbildungsveranstaltungen erworben. Das Amtsgericht Kassel antwortete mit Schreiben vom , das die vier dort tätigen Insolvenzrichter unterzeichnet hatten, dem Antragsteller könnten derzeit keine Aufträge als Insolvenzverwalter erteilt werden, ohne die vorhandenen 15 bzw. 18 überwiegend schon langjährig beschäftigten und mit ihrem Bürobetrieb besonders darauf eingerichteten Insolvenzverwalter zu benachteiligen. Eine feste Liste der Verwalter/innen werde allerdings nicht geführt, da sich jederzeit der Bedarf für die Beschäftigung anderer Verwalter/innen ergeben könne. Seine Bewerbung sei zu den Akten genommen; die Frage seiner Eignung könne zunächst zurückgestellt werden.
Dagegen hat der Antragsteller am beim Oberlandesgericht Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt mit dem Inhalt, unter Aufhebung der in dem Schreiben vom enthaltenen Maßnahme "die Antragsgegner" zu verpflichten, ihn bei der Bestellung von Insolvenzverwaltern zu berücksichtigen; hilfsweise festzustellen, dass das Amtsgericht verpflichtet sei, bei der Bestellung von Insolvenzverwaltern neue Bewerber zu berücksichtigen.
II. Das Oberlandesgericht hält den Antrag im Ergebnis für statthaft und auch im Weiteren für zulässig und möchte über ihn in der Sache entscheiden. Es hat dazu ausgeführt: Die Entschließung über die Aufnahme eines Bewerbers in die Liste derjenigen Anwälte, aus der die Insolvenzrichter im Einzelfall den aus ihrer Sicht am besten geeigneten Insolvenzverwalter auswählten und bestellten (Vorauswahlverfahren), sei unter Berücksichtigung der Entscheidung des (NJW 2004, 2725 = BVerfGK 4, 1-11) keine spruchrichterliche Tätigkeit, sondern als Justizverwaltungshandeln zu qualifizieren, für das der Rechtsweg nach den §§ 23 ff. des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) eröffnet sei. Es handele sich - entsprechend der Rechtslage im Verwaltungsprozess - um einen Akt des Trägers der öffentlichen (Justiz-)Verwaltung, für den die Behörde handele. Antragsgegner sei daher das Land Hessen.
Darin sieht es sich im Widerspruch zu einer Entscheidung des (ZIP 2007, 342), wonach der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die zuständigen Insolvenzrichter "in ihrer Gesamtheit" zu richten sei. Zwar stehe dem Insolvenzrichter nicht erst bei der Bestellung des Insolvenzverwalters, sondern auch schon im Vorauswahlverfahren ein weites, in richterlicher Unabhängigkeit ausgeübtes Auswahlermessen zu. Eingriffe der Justizverwaltung in richterliche Entschließungen seien nicht möglich, eine im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG ergehende und gegen die Justizverwaltung (Land Hessen) gerichtete Entscheidung wäre mangels fachlicher Weisungsbefugnis nicht umsetzbar. Überdies sei der angefochtene Bescheid der Landesjustizverwaltung gar nicht erst zurechenbar, weil sie auf seinen Erlass keinen Einfluss habe nehmen können. Indes sei zweifelhaft, ob das Insolvenzgericht, das letztlich nur aus jeweils mit einem Einzelrichter besetzten, unabhängig voneinander tätigen Abteilungen bestehe, nach den Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) beteiligungsfähig wäre, selbst wenn die angegriffene Entscheidung von den Insolvenzrichtern "in ihrer Gesamtheit" getragen werde.
Das Oberlandesgericht hat auf dieser Grundlage die Sache dem Bundesgerichtshof gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG zur Entscheidung vorgelegt. Es hält die Klärung der prozessualen Frage für geboten, wer im Verfahren wie dem vorliegenden als Antragsgegner zu bezeichnen und formell zu beteiligen ist. Von der Beantwortung dieser Frage hänge unter anderem die Aufklärung der für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen (§ 12 FGG) und die Umsetzbarkeit der im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG getroffenen Entscheidung ab, wobei für das Begehren des Antragstellers in der Sache Erfolgsaussicht bestehe, jedenfalls soweit dieses auf die Aufhebung des Bescheides vom gerichtet sei.
III. Die Vorlage ist nicht zulässig. Die Sache war daher an das Oberlandesgericht zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückzugeben.
1. Zu den Voraussetzungen einer zulässigen Vorlage nach § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG gehört, dass das vorlegende Oberlandesgericht von einer aufgrund des § 23 EGGVG ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Dabei ist der Bundesgerichtshof an die Auffassung des Oberlandesgerichts gebunden, dass es einer Stellungnahme zu der von diesem herausgestellten Rechtsfrage bedarf (BGHZ 105, 395, 398). Unbeschadet dessen hat er zu prüfen, ob in der streitigen Rechtsfrage ein Abweichungsfall vorliegt. Das Erfordernis der Abweichung beinhaltet insbesondere, dass die begehrte Stellungnahme für die zu treffende Entscheidung des Falles erheblich sein muss. Dazu hat das Oberlandesgericht darzutun, dass die Befolgung der abweichenden, von ihm vertretenen Rechtsansicht zu einer anderen Fallentscheidung führen würde. Es ist also eine Abweichung im Ergebnis erforderlich, eine lediglich abweichende Begründung reicht nicht aus (vgl. Senatsbeschlüsse vom - IV ARZ(VZ) 1/92 - bei juris abrufbar Tz. 9; vom - IV ARZ(VZ) 1/93 - VersR 1994, 73 unter II 3; vom - IV AR(VZ) 2/97 - ZIP 1998, 961 unter II 1). Eine solche Entscheidungserheblichkeit ist hier nicht ersichtlich.
2. Nach dem vom Oberlandesgericht Köln eingenommenen Standpunkt, den das vorlegende Oberlandesgericht nicht teilt, hat der Antragsteller einen zulässigen Antrag eingereicht. Denn er wendet sich ausdrücklich gegen das von den Insolvenzrichtern unterzeichnete Schreiben des und begehrt zumindest in seinem Hauptantrag, "die Antragsgegner" zu verpflichten, ihn künftig bei der Bestellung von Insolvenzverwaltern zu berücksichtigen. Mit "den Antragsgegnern" sind, wie aus dem Gesamtzusammenhang der Antragsschrift erkennbar wird, die Insolvenzrichter in Person gemeint. Auch das vorlegende Oberlandesgericht hat das Begehren des Antragstellers in diesem Sinne aufgefasst. Aus seiner Sicht folgt daraus ein prozessualer Mangel in der Bezeichnung des Antragsgegners, der sich indes ohne weiteres durch Auslegung beheben lässt. Entsprechend ist das Oberlandesgericht verfahren. Es hat die Sache an das Land Hessen als dem Träger der Landesjustizverwaltung, vertreten durch die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht, weitergeleitet und diese Vorgehensweise in einer gerichtlichen Verfügung dem Antragsteller mitgeteilt.
Der Antrag ist daher im rechtlichen Ergebnis statthaft, gleich welche Auffassung zugrunde gelegt wird. Hinzu tritt, was auch das vorlegende Oberlandesgericht erkennt, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vor dem Hintergrund landesrechtlicher Besonderheiten für Nordrhein-Westfalen (§ 5 des Gesetzes zur Ausführung der VwGO; dazu auch Düsseldorf OLGR 2007, 21) ergangen ist, die sich auf die Justizverwaltung für das Land Hessen von vornherein nicht übertragen lassen.
3. Dem Oberlandesgericht ist weiter nicht darin zu folgen, dass der nach § 12 FGG von Amts wegen aufzuklärende Sachverhalt durch die Vorlagefrage berührt wird.
a) Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG entscheiden über die Rechtmäßigkeit von Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten unter anderem auf dem Gebiet des Zivilprozesses - dessen Regeln das Insolvenzverfahren folgt (§ 4 InsO) - getroffen werden (Justizverwaltungsakte), auf Antrag die ordentlichen Gerichte. Dieser besonderen Rechtswegregelung liegt die Annahme zugrunde, dass die ordentlichen Gerichte den Verwaltungsmaßnahmen in den aufgeführten Gebieten sachlich näher stehen als die Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit und über die zur Nachprüfung justizmäßiger Verwaltungsakte erforderlichen zivil- und strafrechtlichen Erkenntnisse und Erfahrungen verfügen. Die Bestimmung ist als Ausnahme zu § 40 Abs. 1 VwGO eng auszulegen (Senatsbeschlüsse vom - IV AR(VZ) 1/07 - unter III 1; vom - IV AR(VZ) 1/03 - NJW 2003, 2989 unter 4 m.w.N.; BVerwG NJW 2007, 1478 Tz. 17).
b) Es entspricht einhelliger Auffassung, dass der Begriff der Justizbehörde im funktionellen Sinne zu verstehen ist, wenn es darum geht, ob die jeweils in Rede stehende Amtshandlung in Wahrnehmung einer Aufgabe vorgenommen worden ist, die der jeweiligen Behörde als ihre spezifische Aufgabe auf einem der in § 23 EGGVG genannten Rechtsgebiete zugewiesen ist (vgl. BGHZ 105, 395, 399; Dresden OLGR 2004, 394; OLG Koblenz ZInsO 2005, 718; SchlHOLG NJW 2005, 1664; OLG Stuttgart ZIP 2006, 342; HansOLG ZInsO 2005, 1170; KG ZIP 2006, 294; OLG München ZVI 2005, 318; OLG Nürnberg ZIP 2007, 80; OLG Hamm Rpfleger 1974, 228; OLG Düsseldorf aaO und ZIP 2006, 2137; Löwe/Rosenberg/Böttcher, StPO 25. Aufl. § 23 EGGVG Rdn. 2; Karlsruher Kommentar zur StPO/Schoreit, 5. Aufl. § 23 EGGVG Rdn. 10 f.; Kissel/Mayer, GVG 4. Aufl. § 23 EGGVG Rdn. 13/14). Davon geht auch das vorlegende Oberlandesgericht aus. Es hat zutreffend die Insolvenzrichter ihrer Funktion nach als Justizbehörde angesehen. Soweit sie in dieser Eigenschaft tätig geworden sind, unterliegt ihr Handeln der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Kontrolle (vgl. aaO; Beschlüsse vom , ZIP 2006, 1355 und vom , ZIP 2006, 1541 und 1954). Dabei ist jedoch, was das Oberlandesgericht verkennt, die Einordnung der getroffenen Maßnahme als Justizverwaltungshandeln mit daraus folgender Justitiabilität nach §§ 23 ff. EGGVG von ihrer inhaltlichen Rechtfertigung auf Grundlage des vom Bundesverfassungsgericht entwickelten sachlichen Prüfungsmaßstabes zu trennen. Es steht daher schon deshalb nicht zu befürchten, eine nur eingeschränkte Überprüfbarkeit ( aaO) des durch die Insolvenzrichter als Justizbehörde erlassenen Justizverwaltungsaktes führe dazu, dass dieser - obwohl auf das Handeln eines seiner Organe zurückzuführen - dem Träger der Landesjustizverwaltung nicht zurechenbar wäre.
4. Lediglich ergänzend verweist der Senat auf Folgendes:
a) Im Verwaltungsprozess, aus dem die Justizverwaltungsakte ausgegliedert sind, kommt einzelnen Behörden neben natürlichen und juristischen Personen - hier dem Land Hessen als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts - nur dann die Fähigkeit zu, am Verfahren beteiligt zu sein, wenn das Landesrecht dies bestimmt (§ 61 Nr. 1, 3 VwGO, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Gibt es eine solche Regelung nicht, ist gegen den Rechtsträger zu klagen, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat (Kopp/Schenke, VwGO 14. Aufl. § 78 Rdn. 3). § 5 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung des Landes Nordrhein-Westfalen spricht den Behörden diese Beteiligungsfähigkeit zu, nicht hingegen das Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung für das Land Hessen. Dem entsprechend geht die Anordnung über die Vertretung des Landes Hessen im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz vom (JMBl. Hessen 482) in Fortführung der Anordnung vom (JMBl. Hessen 179) für Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, ebenso aber auch für Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG, von einer Beteiligung des Landes Hessen aus, und zwar unabhängig davon, von welcher Justizbehörde die angegriffene Maßnahme stammt.
b) Im Zivilprozess findet sich in § 50 ZPO eine vergleichbare Regelung. Behörden sind auch hier nur kraft besonderer gesetzlicher Bestimmungen Partei und allein insoweit parteifähig (Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl. § 50 Rdn. 25). § 29 EGGVG verweist allerdings nicht auf die Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung oder der Zivilprozessordnung, sondern ordnet die entsprechende Anwendung des Gesetzes über die Freiwillige Gerichtsbarkeit an. Auch in Verfahren, die nach den Regeln der Freiwilligen Gerichtsbarkeit geführt werden, ist indes das Rechtsträgerprinzip nicht außer Kraft gesetzt. Grundsätzlich können nur rechtsfähige Rechtsträger am Verfahren beteiligt sein. Behörden, die keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen, sind lediglich parteifähig, wenn ihnen die Fähigkeit zugesprochen ist, sich an einem Verfahren zu beteiligen. Dies setzt eine entsprechende gesetzliche Regelung voraus, durch die die fehlende Parteifähigkeit ersetzt wird (vgl. Keidel/Zimmermann, FGG 15. Aufl. § 13 Rdn. 51; Jansen/Müther, FGG 3. Aufl. § 6 Rdn. 7).
Soweit sich in der Kommentarliteratur der Hinweis findet, bei der Anfechtung von Justizverwaltungsakten sei "Beteiligte" die Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen habe (vgl. Jansen/v. König, aaO § 13 Rdn. 11 unter Verweis auf Jansen/Müther, aaO), liegt darin nicht die Aufgabe des Rechtsträgerprinzips. Selbst wenn danach eine einzelne Behörde formell beteiligungsfähig sein sollte, bedeutet dies nicht, dass nicht auch der - zudem rechtsfähige - übergeordnete Rechtsträger Beteiligter sein kann. Die Frage stellt sich allein dahin, ob auch ohne besondere gesetzliche Regelung die Behörde, von der der angegriffene Justizverwaltungsakt stammt, beteiligungsfähig ist. Nicht aber kann der gegenteilige Schluss gezogen werden, nur die Behörde könne - unter Ausschluss des Rechtsträgers, dessen organisatorische Einheit sie ist - formell Beteiligter sein.
Fundstelle(n):
ZIP 2007 S. 1379 Nr. 29
RAAAC-49052
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein