BGH Urteil v. - IV ZR 3/06

Leitsatz

[1] Die Rechtskraft eines auf Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente beschränkten Urteils erstreckt sich nicht auf die vertraglich neben der Rente zugesagten Überschussanteile.

Gesetze: ZPO § 322 Abs. 1

Instanzenzug: LG Hamburg 332 O 123/05 vom OLG Hamburg 9 U 119/05 vom

Tatbestand

Der Kläger fordert von der Beklagten, bei der er im Juli 1994 eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung genommen hat, die Zahlung der vertraglich zugesagten Überschussanteile. Die Beklagte hat den Versicherungsvertrag mit Schreiben vom angefochten, weil sie vom Kläger bei Abschluss des Versicherungsvertrages über Kniebeschwerden arglistig getäuscht worden sei.

Die Beklagte war zuvor mit Schreiben vom vom Vertrag zurückgetreten, weil ihr bei Antragstellung Rückenbeschwerden des Klägers verschwiegen worden seien. Seine Klage auf Zahlung der vierteljährlichen Berufsunfähigkeits-Rente von 3.000 DM führte zu einer am rechtskräftig gewordenen, antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten. In dem Betrag von 3.000 DM sind Überschussanteile nicht enthalten.

Das Landgericht hat die Klage auf Überschussanteile abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht meint, der Anspruch auf die Überschussanteile, die bei Berufsunfähigkeit die Rente erhöhen, sei von dem Anspruch auf die Rente selbst nicht zu trennen. Demgemäß nähmen die Überschussanteile, auch wenn sie im Vorprozess nicht ausdrücklich tituliert worden seien, an der Rechtskraft des seinerzeit ergangenen Urteils teil. Folglich sei die Beklagte mit dem Anfechtungseinwand präkludiert.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Zwar besteht die Wirkung der Rechtskraft (§ 322 Abs. 1 ZPO), wenn die im ersten Prozess rechtskräftig entschiedene Rechtsfolge im zweiten Prozess nicht die Hauptfrage, sondern eine Vorfrage darstellt, in der Bindung des nunmehr entscheidenden Gerichts an die Vorentscheidung. Die Bindung beschränkt sich aber auf den Streitgegenstand des früheren Rechtsstreits, der durch den dortigen prozessualen Anspruch und den ihm zu Grunde liegenden Lebenssachverhalt bestimmt wird (st. Rspr., vgl. - NJW 2003, 3058 unter II 1 a; vom - V ZR 46/93 - NJW 1995, 967 unter II 1).

Hier ist im Vorprozess nur über die im Versicherungsvertrag vereinbarte Grundrente in Höhe von 3000 DM im Vierteljahr entschieden worden. Der aus demselben Versicherungsvertrag folgende Anspruch auf Überschussanteile ist im Klageantrag und in dem rechtskräftig gewordenen Urteil dagegen nicht berücksichtigt worden; dazu hat der Kläger auch nicht vorgetragen. Mithin beschränkt sich die Rechtskraft der Entscheidung im Vorprozess auf den Anspruch auf eine vierteljährliche Rente von 3000 DM bis zum Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit.

Die Revision macht daher mit Recht geltend, dass das Berufungsgericht den Anfechtungseinwand nur dann nicht hätte zu prüfen brauchen, wenn im Vorprozess im Wege einer Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO das Bestehen des vorgreiflichen Rechtsverhältnisses insgesamt festgestellt worden wäre. Daran fehlt es hier aber. Das Berufungsurteil weist auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine in diese Richtung gehende Auslegung des rechtskräftig gewordenen Urteils im Vorprozess auf. Dass sowohl die Rente von vierteljährlich 3000 DM als auch die Überschussanteile materiell-rechtlich auf einem einheitlichen Anspruch auf die Versicherungsleistung beruhen, reicht dafür nicht aus.

3. Das Berufungsgericht wird daher über den Anfechtungseinwand zu entscheiden haben.

Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 1433 Nr. 20
OAAAC-48778

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein