Leitsatz
[1] a) Das Besprühen des Bodens mit Unkrautvernichtungsmitteln erfüllt regelmäßig nicht den Tatbestand des § 22 Abs. 1 WHG.
b) Die Anlagenhaftung des § 22 Abs. 2 WHG ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen Stoffe gegen oder ohne den Willen des Inhabers aus der Anlage in ein Gewässer gelangen. Sie umfasst vielmehr auch einen bestimmungsgemäßen Gebrauch der Anlage, durch den eine Gewässerverunreinigung verursacht wird.
c) Zum Begriff des Inhabers einer Anlage im Sinne des § 22 Abs. 2 WHG.
Gesetze: WHG § 22
Instanzenzug: LG Offenburg 2 O 30/02 vom OLG Karlsruhe 14 U 35/04 vom
Tatbestand
Die vier Kläger nehmen die Beklagten als Gesamtschuldner wegen Verunreinigung des Grundwassers mit Herbiziden auf Schadensersatz in Anspruch. Die Kläger verfügen jeweils über Erlaubnisse oder Bewilligungen zur Förderung von Mineralwasser aus in Bad P. gelegenen Quellen. Sie nutzen diese teils durch Abfüllung und Veräußerung des Wassers oder Verwendung im eigenen Betrieb, teils im Wege der Verpachtung.
Die Beklagte zu 1 betreibt als Rechtsnachfolgerin der Deutschen Bundesbahn die im Renchtal durch Bad P. führende Eisenbahnstrecke mit dem Bahnhof Bad P. . Die frühere Beklagte zu 2 war von der Bahnverwaltung in zwei Rahmenverträgen für die Jahre 1980 bis 1983 und 1983 bis 1987 mit Spritzleistungen zur chemischen Aufwuchsbekämpfung auf den Streckengleisen beauftragt. Die Spritzmaßnahmen erfolgten auf freier Strecke sowie auf dem durchgehenden Gleis des Bahnhofs Bad P. durch einen Spritzzug, der aus einer Lokomotive, einem Wohnwagen, Vorratswagen für Herbizide und Wasser sowie einem Spritzwagen bestand. Bis Anfang 1983 stellte die Deutsche Bundesbahn vertragsgemäß den gesamten Spritzzug mit einem Maschinenwärter, dem Triebfahrzeugführer und dem Zugführer, während die Beklagte zu 2 das zur Bedienung erforderliche Fachpersonal, die Herbizide und den Düsensatz bereitzustellen hatte. Ab März 1983 stellte die Bundesbahn nur noch das Triebfahrzeug mit dem Triebfahrzeugführer, einen Zugführer, einen Wohn- und Schlafwagen sowie einen Vorratswagen für die Spritzmittel; die Beklagte zu 2 war in diesem Zeitraum Eigentümerin der Tank- und Kesselwagen einschließlich der Spritzvorrichtungen. Im Bahnhofsbereich - mit Ausnahme des durchgehenden Gleises - führte die Deutsche Bundesbahn bis zum Jahre 1983 die Unkrautbekämpfung selbst durch. Ab 1984 übernahm diese Aufgabe ebenfalls die Beklagte zu 2 unter Einsatz eines sogenannten Zweiwegefahrzeugs, eines umgebauten Unimogs mit aufmontiertem Spritztank. Die Bahn stellte dafür nach den Vertragsbestimmungen die Herbizide, Wasser und einen Skl(Schwerkleinwagen)-Führer.
1988 wurden von der Chemischen Untersuchungsanstalt O. in zahlreichen Quellen der Kläger Verunreinigungen mit den Pflanzenbehandlungsmitteln Bromacil und Hexazinon festgestellt. Daraufhin ergingen gegen die Klägerinnen zu 1 und 3 Nutzungsuntersagungen, weil die Voraussetzungen für die Anerkennung als natürliches Mineralwasser nach der Mineral- und Tafelwasserverordnung vom (BGBl. I S. 1036) nicht mehr gegeben seien. Für die Kontaminierung des Grundwassers haben die Kläger die Spritzmaßnahmen der Beklagten verantwortlich gemacht und mit der Klage Feststellung einer Ersatzpflicht beider für sämtliche Schäden beantragt. Das Landgericht hat den Anträgen zunächst gegenüber der Beklagten zu 2 durch ein rechtskräftig gewordenes Teil-Versäumnisurteil entsprochen und sodann im streitigen Verfahren auch der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat deren Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte zu 1 ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Gründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht bejaht eine Haftung der Beklagten zu 1 aus § 22 Abs. 2 WHG und führt dazu aus:
Die Beklagte zu 1 sei Mitinhaberin sowohl des Spritzzugs als auch des Zweiwegefahrzeugs gewesen. Der Spritzzug habe in seiner Gesamtheit eine funktionelle Einheit gebildet und sei daher als einheitliche Anlage im Sinne des § 22 Abs. 2 WHG anzusehen. Deren Inhaber sei neben der Beklagten zu 2 auch die Deutsche Bundesbahn gewesen. Diese habe den Einsatz des Spritzzugs finanziert und die Verfügungsgewalt über ihn dadurch ausgeübt, dass sie den Triebwagenführer gestellt habe. Außerdem habe die Bahn auch den Spritzwagen in Gebrauch gehabt, falls man diesen als selbständige Einheit aufzufassen hätte, selbst wenn sie ihn durch Personal der Beklagten zu 2 habe bedienen lassen, und zwar, da dies gegen Entgelt geschehen sei, auf eigene Rechnung. Sie habe weiter hierüber die Verfügungsgewalt ausgeübt, weil sie durch Stellung von Lok- und Zugführer den Einsatz ermöglicht und Ort und Zeit zumindest mitbestimmt habe. Dass das Zweiwegefahrzeug gleichfalls auf Rechnung auch der Bundesbahn betrieben worden sei, stehe angesichts dessen, dass die Beklagte zu 2 es gegen Entgelt zur Verfügung gestellt habe, außer Frage. Die Bahn habe darüber hinaus den Einsatz des Fahrzeugs veranlasst sowie einen Lotsen dafür gestellt und es hierdurch mit der erforderlichen Verfügungsgewalt in Gebrauch gehabt.
Davon abgesehen sei die Frage, ob die Deutsche Bundesbahn Mitinhaberin des Zweiwegefahrzeugs gewesen sei, nicht entscheidungserheblich. Denn die Aussage des gerichtlichen Sachverständigen, dass sich das Schadensbild auch so ergeben hätte, wenn erst seit 1984 die Ausbringung der Schadstoffe stattgefunden hätte, besage nicht, dass das Schadensbild nur mit einer Schadstoffausbringung seit 1984 vereinbar sei. Zumindest die in allen Brunnen vorgefundenen und für eine Nutzungsuntersagung ausreichenden Bromacil-Kontaminierungen könnten nicht von den nach Auffassung der Beklagten zu 1 allein der Beklagten zu 2 zuzurechnenden Bahnhofsspritzungen ab 1984 herrühren.
Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1 sei ferner die Anwendbarkeit der Vorschrift nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Herbizide von der Beklagten bewusst und gewollt gespritzt worden seien. § 22 Abs. 2 WHG setze nicht voraus, dass die Stoffe ohne menschliches Zutun aus der Anlage gelangt seien, sondern nur, dass sie nicht in zielgerichteter - und dann eine Haftung nach § 22 Abs. 1 WHG auslösender - Weise in ein Gewässer gelangt seien. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Begriffe "Einbringen" und "Einleiten" in Absatz 2 keine andere Bedeutung hätten als in Absatz 1, und im Übrigen aus dem Bestreben des Gesetzgebers, einen umfassenden Schutz des Wassers und eine entsprechende Haftung für solche Schäden zu erzielen, die infolge einer Änderung seiner Beschaffenheit entständen. Dass die Herbizide im Streitfall aber weder aufgrund eines gewässerbezogenen Verhaltens noch zweckgerichtet dem Grundwasser zugeführt worden seien, habe das Landgericht zutreffend ausgeführt.
Umstände, die in der Frage des Ursachenzusammenhangs eine Bindung an die Beweiswürdigung des Landgerichts und die von ihm festgestellten Tatsachen entfallen ließen, seien - wie näher dargelegt wird - nicht ersichtlich. Entsprechendes gelte für die Verneinung eines Mitverschuldens der Kläger.
II.
Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision im Wesentlichen stand.
1. Eine Verhaltenshaftung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 WHG lehnt das Berufungsgericht im Anschluss an das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts mit Recht ab.
a) Nach dieser Vorschrift ist derjenige, der in ein Gewässer Stoffe einbringt oder einleitet oder auf ein Gewässer derart einwirkt, dass die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers verändert wird, zum Ersatz des daraus einem anderen entstehenden Schadens verpflichtet. Das betrifft auch Verunreinigungen des Grundwassers (Senatsurteile BGHZ 103, 129, 132 f.; 124, 394, 395 und vom - III ZR 89/97 - NJW 1999, 3203, 3204). Für die Tatbestandserfüllung genügt indes die bloße Verursachung nicht. Einbringen, Einleiten oder Einwirken im Sinne des § 22 Abs. 1 WHG erfordern vielmehr nach der Rechtsprechung des Senats ein auf die Gewässerbenutzung zweckgerichtetes Verhalten. Ein haftungsbegründendes Handeln liegt demnach erst bei einem Tun (oder Unterlassen) vor, das nach seiner objektiven Eignung darauf abzielt, dass Stoffe in oberirdische Gewässer oder in das Grundwasser gelangen, wobei ein funktioneller Zusammenhang mit einer Gewässerbenutzung vorliegen muss. Das ist regelmäßig nur der Fall bei Handlungen, die unmittelbar auf ein Gewässer einwirken, nicht auch bei solchen, die lediglich mittelbar die Beschaffenheit des Wassers beeinflussen (BGHZ 124, 394, 396 f.; ebenso wohl Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 1102; Czychowski/Reinhardt, WHG, 8. Aufl. 2003, § 22 Rn. 7; Schwendner in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG und AbwAG, Stand Dezember 2004, § 22 WHG Rn. 18).
b) Diese Voraussetzungen sind beim Besprühen des Bodens mit Pflanzenschutzmitteln im üblichen Umfang grundsätzlich ebenso wenig gegeben wie beim Verstreuen von Salz im Zuge des winterlichen Straßendienstes (hierzu BGHZ 124, 394, 398 f.). Unkrautbekämpfungsmaßnahmen zielen regelmäßig objektiv nicht darauf ab, dass die Herbizide in das Grundwasser gelangen; sie sollen allein die oberen Bodenschichten mit dem darin befindlichen Wurzelwerk erreichen. Ob und wann sie trotzdem in das Grundwasser sickern oder mit dem Niederschlagswasser in oberirdische Gewässer gespült werden, ist zunächst ungewiss. Eine unmittelbar auf ein Gewässer bezogene Einwirkung lässt sich unter diesen Umständen auch nicht dadurch begründen, dass man, wie es die Kläger im Berufungsverfahren vertreten haben (so etwa auch VGH Kassel NVwZ-RR 2002, 376, 377; vgl. auch BVerfGE 58, 300, 303; BVerwGE 27, 176, 178), sämtliches unter der Erdoberfläche befindliche Bodenwasser zum Grundwasser zählt. Jedenfalls für den heutigen Rechtszustand ergibt sich aus der in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG (in der Fassung des Siebten Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes vom , BGBl. I S. 1914, 2711) enthaltenen Legaldefinition, dass auf der Erdoberfläche versickerndes Wasser erst mit dem Eintreffen in der Sättigungszone rechtlich zum Grundwasser wird (vgl. Czychowski/Reinhardt, aaO, § 1 Rn. 39). Diese Gesetzesfassung ist zwar auf den Streitfall noch nicht anwendbar. Sie hat aber richtigerweise den überkommenen Begriff des Grundwassers nicht verändert (Czychowski/Reinhardt, aaO m.w.N.; s. auch OVG Münster ZfW 1992, 456, 457). Auch früher rechnete deshalb die in der Sickerzone vorhandene Bodenfeuchtigkeit nicht zum Grundwasser. Damit übereinstimmend verneint die herrschende Meinung den Tatbestand des § 22 Abs. 1 WHG beim Versprühen von Unkrautbekämpfungsmitteln in zulässigen Mengen oder bei der üblichen landwirtschaftlichen Düngung (Breuer, aaO, Rn. 1104; ders., AgrarR 1985 Beilage II S. 2, 10; Hofmann/Kollmann in v. Lersner/Berendes, Handbuch des deutschen Wasserrechts, Stand Januar 2005, C 10 E § 22 WHG Rn. 14; Kotulla, WHG, 2003, § 22 Rn. 8; v. Mutius, AgrarR 1985 Beilage II S. 11, 16 f.; Pochwalla, AgrarR 1984, 308, 309; Preusker, ZfW 1982, 261, 271; Rösgen, AgrarR 1983, 141, 152 f.; wohl auch Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 13 Rn. 226; zu §§ 38, 39 WHG: - NJW 1966, 1570; abweichend Marburger, AgrarR 1990 Beilage III S. 7, 14; Nick, AgrarR 1984, 297, 303; Paetz, Die Umwelthaftung der Landwirte, 1995, S. 78 ff.; Salzwedel, NuR 1983, 41, 49 f.; Schimikowski, VersR 1992, 923, 925; differenzierend Landsberg/Lülling, Umwelthaftungsrecht, 1991, § 22 WHG Rn. 12).
2. Es greift hier jedoch die Anlagenhaftung des § 22 Abs. 2 WHG ein.
a) Gelangen aus einer Anlage, die bestimmt ist, Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten, derartige Stoffe in ein Gewässer, ohne in dieses eingebracht oder eingeleitet zu sein, so ist der Inhaber der Anlage zum Ersatz des daraus einem anderen entstehenden Schadens verpflichtet (§ 22 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 WHG). Der Begriff der Anlage ist weit gefasst. Es fallen darunter alle ortsfesten oder ortsveränderlichen Einrichtungen, mit denen im Allgemeinen für eine gewisse Dauer die in der Vorschrift aufgeführten Zwecke mit technischen Mitteln verfolgt werden, also Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, in der dargelegten Weise wassergefährdende Stoffe herzustellen, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten (Senatsurteil BGHZ 57, 257, 259 f.). Das trifft, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei feststellt, sowohl auf die hier zur Beförderung der Herbizide eingesetzten Spritzzüge als auch auf das im Bahnhofsbereich für denselben Zweck benutzte Zweiwegefahrzeug zu. Dabei ist der Spritzzug mit dem Berufungsgericht als Funktionseinheit und deshalb als einheitliche Anlage zu werten.
b) § 22 Abs. 2 WHG ist auch dann anwendbar, wenn die Stoffe bei einem bestimmungsgemäßen Gebrauch der Anlage freigesetzt werden und im weiteren Verlauf in ein Gewässer gelangen. Auf Unfälle, Betriebsstörungen oder sonstige Fälle, in denen die wassergefährdenden Stoffe gegen oder ohne den Willen des Inhabers aus der Anlage austreten, ist der Anwendungsbereich der Vorschrift entgegen der Revision nicht beschränkt
aa) Der Wortlaut der Norm umfasst ohne weiteres die hier maßgebende Fallgestaltung. Die in den Quellen der Kläger festgestellten Rückstände von Unkrautvernichtungsmitteln entstammen nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen zumindest teilweise den mit den Spritzzügen vorgenommenen Maßnahmen zur Bekämpfung des Pflanzenaufwuchses. Mangels unmittelbarer Einwirkung auf ein Gewässer ist dabei, wie ausgeführt, auch der Fall eines "Einleitens" oder "Einbringens" im Sinne des § 22 Abs. 1 WHG nicht gegeben. Darüber hinausgehende Einschränkungen enthält der gesetzliche Tatbestand nicht, insbesondere nimmt er ein bewusstes und kontrolliertes Freisetzen der Stoffe, wie hier, soweit es dessen ungeachtet an einem "Einleiten" oder "Einbringen" im Sinne des Absatzes 1 fehlt, nicht aus.
bb) Zu einer restriktiveren Auslegung geben auch die Gesetzesmaterialien keinen Anlass. Die Anlagenhaftung des jetzigen § 22 Abs. 2 WHG geht auf einen Vorschlag des 2. Sonderausschusses - Wasserhaushaltsgesetz - des Deutschen Bundestags zurück (vgl. zur Entstehungsgeschichte BGHZ 47, 1, 4 ff.). Diesem Ausschuss mögen zwar andere Fälle vor Augen gestanden haben. Nach seinem Verständnis begründete - über die seinerzeit bereits in der Regierungsvorlage enthaltene Verhaltenshaftung (heute § 22 Abs. 1 WHG) hinaus - unter Umständen auch das Betreiben von Anlagen, aus denen Stoffe "ohne Zutun oder gegen den Willen des Inhabers" (Hervorhebung nicht im Original) in ein Gewässer gelangen, eine erhebliche Gefährdung Dritter. So könne die Auslaugung giftiger Abraumhalden oder der Bruch von Rohrleitungen die Wasserbenutzung durchgreifend schädigen (Schriftlicher Ausschussbericht BT-Drucks. II/3536, S. 14 zu § 25a des Entwurfs). Das besagt aber nicht, dass sich die Ersatzpflicht nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers auf solche Fälle beschränken sollte, zumal es das erklärte Ziel der Haftungserweiterung war, die ständig wachsenden Gefahren aus der Verunreinigung der Wasserläufe und des Grundwassers verschärft zu bekämpfen (Schriftlicher Bericht aaO). Durch die Ergänzung der Haftungstatbestände um die jetzt in § 22 Abs. 2 WHG enthaltene Anlagenhaftung hat der Gesetzgeber vielmehr einen umfassenden Gewässerschutz erstrebt (BGHZ 47, 1, 7; 124, 394, 397). Hiermit wäre eine Ausnahme für den bewussten und gewollten Betrieb einer wassergefährdenden Anlage angesichts der mit der Verwendung der Anlage verbundenen, nicht immer beherrschbaren Gefahren unvereinbar. Der Senat folgt darin der im Fachschrifttum heute ganz überwiegend vertretenen Auffassung (Czychowski/Reinhardt, aaO, § 22 Rn. 47; Kotulla, WHG, 2003, § 22 Rn. 44, 49; Landsberg/Lülling, Umwelthaftungsrecht, 1991, § 22 WHG Rn. 57; Marburger, AgrarR 1990 Beilage III S. 7, 14 f.; Paetz, Die Umwelthaftung der Landwirte, 1985, S. 90 ff.; Preusker, ZfW 1982, 261, 271 f.; Rösgen, AgrarR 1983, 141, 153; Salzwedel NuR 1983, 41, 50; Schimikowski, VersR 1992, 923, 925 f.; Thieme/Frhr. von und zu Franckenstein, DÖV 1997, 667, 668; a.A. - Umdruck S. 8 = ZfW Sonderheft 1985 Nr. 103 [LS]; v. Mutius, AgrarR 1985 Beilage II S. 11, 17; differenzierend Breuer, aaO Rn. 1139; s. auch allgemein zur Abgrenzung der Tatbestände von § 22 Abs. 1 und 2 WHG Versen, Zivilrechtliche Haftung für Umweltschäden, 1994, S. 211).
Ob für die ordnungsmäßige landwirtschaftliche Bodenbearbeitung aus verfassungsrechtlichen Gründen etwas anderes gelten könnte (in diesem Sinne v. Mutius aaO), ist hier nicht zu entscheiden. Auf mangelnde Rechtswidrigkeit üblicher Maßnahmen der landwirtschaftlichen Boden- und Pflanzenbehandlung (so Breuer aaO) ließe sich allerdings nicht abstellen. Denn die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in geschützte Rechte ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nicht handlungs-, sondern erfolgsbezogen zu beurteilen (vgl. - NJW 1996, 3205, 3207 m.w.N.).
c) Nicht frei von Rechtsfehlern bezeichnet das Berufungsgericht indessen die Beklagte zu 1 als Mitinhaberin sämtlicher von den Beklagten zur Unkrautbekämpfung gebrauchter Anlagen. Richtig ist dies nur für den Spritzzug, nicht dagegen für das von der früheren Beklagten zu 2 im Bahnhofsbereich eingesetzte Zweiwegefahrzeug.
aa) Inhaber einer Anlage im Sinne des § 22 Abs. 2 WHG ist derjenige, der sie für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt; dies kann auf mehrere Beteiligte zugleich zutreffen (Senatsurteile BGHZ 80, 1, 4; 142, 227, 231, 234 und vom - III ZR 89/97 - NJW 1999, 3203; Czychowski/Reinhardt, aaO, § 22 Rn. 50; Zeitler in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, aaO, Stand Juli 2000, § 22 Rn. 41).
bb) Nach den tatrichterlichen Feststellungen erfüllte die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1 diese Voraussetzungen hinsichtlich des Spritzzugs nicht nur bis Anfang 1983, sondern auch für den folgenden Zeitraum. Vor dem März 1983 stellte diese den gesamten Spritzzug mit dem Lok- und dem Zugführer, während die Beklagte zu 2 lediglich das zur Bedienung der Spritzeinrichtungen erforderliche Fachpersonal, die Herbizide und den Düsensatz zur Verfügung stellte. Die Deutsche Bundesbahn besaß damit als Eigentümerin des Zuges hierüber die tatsächliche Verfügungsgewalt; sie zog gleichzeitig die Nutzungen und trug die Kosten der Einsätze. Das zieht auch die Revision nicht in Zweifel.
Ab März 1983 stellte die Bahn allerdings nur noch das Triebfahrzeug mit dem Lokomotivführer, einen Wohn- und Schlafwagen sowie einen Vorratswagen für die Unkrautvernichtungsmittel. Alles Übrige, insbesondere die Spritzvorrichtungen, standen nunmehr im Eigentum der Beklagten zu 2, die auch das sonstige Personal bereitstellte. Der Fall hat hierin Berührungspunkte mit der vom Senat in BGHZ 80, 1 entschiedenen Fallgestaltung, in der es um eine verunglückte Zugmaschine mit Tankauflieger ging. Der erkennende Senat hat dort den auftraggebenden Spediteur als Inhaber des Tankaufliegers angesehen und die Frage, ob daneben auch der Halter der Zugmaschine Mitinhaber des Aufliegers sei, offen gelassen. Für die vorliegende Fallgestaltung ist eine solche Mitinhaberschaft der Bahn zu bejahen. Der Zug erhielt seine Funktionstauglichkeit als "Spritzzug" zum Versprühen der Herbizide während des Fahrens notwendig erst durch die von der Bundesbahn gestellte und von ihr auch nach der Eingliederung in den Zug eigenverantwortlich betriebene Lokomotive. Die Bahn bestimmte damit neben der Beklagten zu 2 über Zeit und Ort des Einsatzes und besaß auf diese Weise einen Teil der erforderlichen Verfügungsgewalt über die gesamte Anlage, und sie trug insoweit unmittelbar deren Kosten. Das genügt, um ihr insgesamt eine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit für die gemeinsam geschaffene Gefahrenlage zuzurechnen.
cc) Anders verhält es sich hingegen mit dem von der Beklagten zu 2 im Bahnhofsbereich eingesetzten Zweiwegefahrzeug. Dieses Fahrzeug gehörte allein der Beklagten zu 2. Die Bahn stellte hierfür vertraglich allein die Herbizide, das Wasser und einen Lotsen (Schwerkleinwagenführer), der die Einhaltung der bahntechnischen Erfordernisse zu gewährleisten hatte. Ihre dadurch am Rande gleichfalls begründeten Steuerungsmöglichkeiten waren aber zu gering, als dass es gerechtfertigt erschiene, von einem Gebrauch des Fahrzeugs auch auf ihrer Seite und einer eigenen Verfügungsgewalt hierüber zu sprechen. Rechtsirrtümlich ist darüber hinaus der Hinweis des Berufungsgerichts, die Beklagte zu 2 habe der Beklagten zu 1 das Fahrzeug gegen Entgelt zur Verfügung gestellt und es darum "auf Rechnung" auch der Bahn betrieben. Wenn im Zusammenhang mit der Frage nach dem Inhaber einer Anlage (oder beispielsweise dem Halter eines Fahrzeugs im Sinne des § 7 StVG) geprüft wird, wer die Kosten der Sache trägt, kann es lediglich um die unmittelbar mit ihrem Betrieb verbundenen Aufwendungen und Lasten gehen. Der Umstand, dass bei einem vertraglichen Einsatz der Anlage für Dritte dieser - eingeschlossen in der Gesamtvergütung - regelmäßig mittelbar auch die Kosten der Anlage trägt, macht ihn nicht zu deren Inhaber. Die Weiterbelastung der Kosten lässt sich nicht einmal als Indiz hierfür in Anspruch nehmen.
d) Gleichwohl stellt sich insoweit die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis als richtig dar. Nach den tatrichterlichen Feststellungen sind von den unter Einsatz der Spritzzüge, für die auch die Beklagte zu 1 die Verantwortung trägt, vorgenommenen Unkrautbekämpfungsmaßnahmen Bromacil und Hexazinol in die Mineralwasserquellen der Kläger gelangt. Das betrifft wegen des nur von den Spritzzügen besprühten durchgehenden Gleises auch den Bahnhofsbereich unter Einschluss des Zeitraums ab 1983 oder 1984. Die hiergegen erhobenen Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet; von einer näheren Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen. Aus diesen Gründen ist die Beklagte zu 1 für die Kontaminierung des Grundwassers vor und nach 1983 neben der Beklagten zu 2 ersatzpflichtig, ohne dass sich ihr Anteil sicher feststellen ließe, und haftet darum mit dieser gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2, Abs. 1 Satz 2 WHG als Gesamtschuldnerin (vgl. dazu Senatsurteile BGHZ 57, 257, 261 ff.; 142, 227, 237 f.).
e) Im Rahmen der hier erhobenen Feststellungsklage genügt es, dass der Eintritt eines Schadens als Folge der Rechtsverletzung möglich oder wahrscheinlich ist (vgl. BGHZ 166, 84, 90 Rn. 27 sowie - NJW-RR 2007, 601 f. Rn. 6 und 14). Daran ist nicht zu zweifeln, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung des geförderten Wassers als Mineralwasser, wie die Revision meint, nicht vorgelegen hätten. Die amtliche Anerkennung nach § 3 Abs. 1 der Mineral- und Tafelwasserverordnung war erteilt. Dieser begünstigende Verwaltungsakt hat für den vorliegenden Rechtsstreit Bindungswirkung.
f) Ebenso wenig ist den Klägern ein bereits im Feststellungsprozess zu berücksichtigendes Mitverschulden anzulasten (§ 254 BGB). Das gilt insbesondere für ein etwa übermäßiges Abpumpen des Grundwassers durch die Kläger. Unabhängig davon, dass die wasserrechtlich festgelegten Fördermengen nicht zum Schutz des Schädigers vor den Folgen einer Gewässerverunreinigung bestimmt sind, lassen sich wesentliche Auswirkungen derartiger Eingriffe nach den Ausführungen des Berufungsurteils nicht feststellen. Die von der Revision angenommene Pflicht der Kläger, nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB potentielle Schädiger auf die Gefahr eines ungewöhnlich großen Schadens hinzuweisen, liegt schon deswegen fern, weil die Förderung von Mineralwasser im Raum Bad P. allgemein bekannt war. Zudem ist nicht ersichtlich, warum die Kläger die noch im Rechtsstreit nur mit erheblichen Schwierigkeiten aufzuklärenden Kausalabläufe seinerzeit besser als die Beklagte zu 1 selbst hätten beurteilen können.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
GAAAC-48772
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja