BVerwG Beschluss v. - 6 B 10.07

Leitsatz

Für Streitigkeiten über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen mit einem Auftragswert unterhalb der in der Vergabeverordnung genannten Schwellenwerte ist nicht der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten, sondern der ordentliche Rechtsweg gegeben.

Gesetze: GVG § 17a Abs. 4; GVG § 17b Abs. 2; VwGO § 40 Abs. 1

Instanzenzug: VG Gelsenkirchen VG 12 K 2383/06 vom OVG Münster OVG 15 E 1/07 vom Fachpresse: ja BVerwGE: ja

Gründe

I

Die Beklagte schrieb im Juni 2006 das Vorhaben "Neubau, Erneuerung, Änderung und Unterhaltung von Straßenbeleuchtungs-, Verkehrsbeleuchtungs- und Verkehrssignalanlagen" in ihrem Stadtgebiet für eine Laufzeit von 12 Monaten öffentlich aus. Die Klägerin und die Beigeladene gaben hierauf bis zum Ablauf der Angebotsfrist jeweils ein Angebot ab. Nachfolgend teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihr Angebot könne nicht gewertet werden. Dagegen hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht erhoben mit dem Begehren, der Beklagten aufzugeben, unter Beachtung der Auffassung des Gerichts erneut über die Erteilung des Zuschlags in dem Vergabeverfahren zu entscheiden. Die Beklagte hat geltend gemacht, der Verwaltungsrechtsweg sei nicht gegeben. Das Verwaltungsgericht hat den Verwaltungsrechtsweg für zulässig erklärt. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beklagten.

II

1. Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist begründet. Für die Klage ist der Verwaltungsrechtsweg nicht gegeben. Es handelt sich nicht um eine der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte unterliegende öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Vielmehr liegt eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit vor, für die nach § 13 GVG der ordentliche Rechtsweg eröffnet ist.

a) Der Rechtsstreit unterfällt nicht der Sonderzuweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit gemäß § 104 Abs. 2 Satz 1 GWB. Nach dieser Vorschrift können Rechte aus § 97 Abs. 7 GWB sowie sonstige Ansprüche gegen öffentliche Auftraggeber, die auf die Vornahme oder Unterlassung einer Handlung in einem Vergabeverfahren gerichtet sind, außer vor den Vergabeprüfstellen nur vor den Vergabekammern und dem Beschwerdegericht (Oberlandesgericht) geltend gemacht werden. Diese Regelung gilt gemäß § 100 Abs. 1 GWB nur für Aufträge, welche die Schwellenwerte des § 2 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung - VgV) in der Fassung vom (BGBl I S. 170) erreichen oder übersteigen. Das ist hier nicht der Fall.

b) Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird (GmS-OGB, Beschlüsse vom - GmS-OGB 1/85 - BGHZ 97, 312 <313 f.>, vom - GmS-OGB 1/86 - BGHZ 102, 280 <283> und vom - GmS-OGB 1/88 - BGHZ 108, 284 <286>; BVerwG 5 C 33.91 - BVerwGE 96, 71 <73> = Buchholz 436.0 § 12 BSHG Nr. 24 S. 2 f.; BVerwG 3 B 78.05 - NJW 2006, 2568; - NJW 2000, 1042). Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient (GmS-OGB, Beschlüsse vom a.a.O. S. 314 und vom a.a.O.; a.a.O.). Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit kann aber auch auf einem Gleichordnungsverhältnis beruhen. Gleichordnungsverhältnisse sind öffentlich-rechtlich, wenn die das Rechtsverhältnis beherrschenden Rechtsnormen nicht für jedermann gelten, sondern Sonderrecht des Staates oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben sind, das sich zumindest auf einer Seite nur an Hoheitsträger wendet ( a.a.O. S. 286 f.; a.a.O.).

c) Nach diesen Grundsätzen ist (auch) für Streitigkeiten in Vergabeverfahren, die nicht in den Anwendungsbereich der §§ 97 ff. GWB fallen, weil sie Aufträge unterhalb der Schwellenwerte betreffen, der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet (so zu Recht OVG Schleswig, Beschlüsse vom - 2 L 153/98 - NordÖR 1999, 512 und vom - 3 O 24/06 - juris; OVG Lüneburg, Beschlüsse vom - 7 OA 168/05 - NVwZ-RR 2006, 845 und vom - 7 OB 105/06 - NVwZ-RR 2006, 843; 1 L 59.06 - DVBl 2006, 1250; VGH Mannheim, Beschluss vom - 6 S 1522/06 - juris; - SächsVBl 2005, 301; - WuW 2006, 218; VG Osnabrück, Beschluss vom - 1 B 26/06 - n.v.; - WuW 2006, 862; Dabringhausen, VergabeR 2006, 462 <464 ff.>; Dörr, DÖV 2001, 1014 <1024>; Gröning, ZWeR 2005, 276 <280 ff.>; Heilshorn/Tanneberger, BWGZ 2006, 813 <817>; Irmer, VergabeR 2006, 159 <163 ff.>; Jaeger, ZWeR 2006, 366 <380 ff.>; Kanther, HGZ 2007, 9 <10>; Köster, NZBau 2006, 540 <542 f.>; Losch, VergabeR 2006, 298 <306 f.>; Pietzcker, NVwZ 1983, 121 <124 f.>; ders., NJW 2005, 2881 <2882>; ders., ZfBR 2007, 131 <134 f.>; Ruthig, NZBau 2005, 497 <499 ff.>; Schneider/Häfner, AbfallR 2005, 181 <182 f.>; dies., DVBl 2005, 989 <990 f.>; Tomerius/Kiser, VergabeR 2005, 551 <556 ff.>; Wilke, NordÖR 2006, 481 <485>). Diese Rechtsauffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs, wonach sich die öffentliche Hand bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in aller Regel auf dem Boden des Privatrechts bewegt, so dass für Streitigkeiten über die hierbei vorzunehmende Auswahl des Vertragspartners nicht der Verwaltungsrechtsweg, sondern der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist ( GmS-OGB 1/85 - a.a.O. S. 316 f.; BVerwG 2 C 109.55 - BVerwGE 5, 325 <326 f.>, vom - BVerwG 7 C 227.57 - BVerwGE 7, 89 <90 f.>, vom - BVerwG 8 C 160.60 - BVerwGE 14, 65 <71 f.> = Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 42 S. 76, vom - BVerwG 7 C 80.67 - BVerwGE 35, 103 <104 f.> = Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 88 S. 11 f. und vom - BVerwG 7 C 37.70 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 122 S. 54 f.; - NJW 1967, 1911). Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei der Entscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags keine gesetzliche Verpflichtung zu bevorzugter Berücksichtigung eines bestimmten Personenkreises zu beachten ist. Der in der neueren Rechtsprechung und Literatur vertretenen Gegenauffassung (OVG Koblenz, Beschlüsse vom - 7 B 10356/05 - DVBl 2005, 988 und vom - 2 B 11024/06 - DÖV 2007, 39; OVG Münster, Beschlüsse vom - 15 E 1188/05 - NVwZ-RR 2006, 223, vom - 15 E 453/06 - NVwZ 2006, 1083 und vom - 15 E 880/06 - NVwZ-RR 2006, 842; OVG Bautzen, Beschluss vom - 2 E 270/05 - ZfBR 2006, 511; - ZfBR 2005, 504; VG Trier, Beschluss vom - 2 L 794/05.TR - juris; VG Neustadt, Beschlüsse vom - 4 L 1715/05.NW - WuW 2006, 456 und vom - 4 L 210/06.NW - juris; - NWVBl 2006, 470; - juris; VG Meiningen, Beschluss vom - 2 E 613/06 Me - juris; Braun, SächsVBl 2006, 249 <256 ff.>; Bungenberg, WuW 2005, 899 <902 ff.>; Frenz, VergabeR 2007, 1 <14>; Hermes, JZ 1997, 909 <915>; Hölzl/Gabriel, AbfallR 2005, 259 <262 f.>; Huber, JZ 2000, 877 <882>; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 40 Rn. 25a; Niestedt/Hölzl, NJW 2006, 3680 <3682>; Niestedt/Hellriegel, VergabeR 2005, 479 <480 f.>; Prieß/Hölzl, ZfBR 2005, 593; Pünder, VerwArch 95 <2004>, 38 <57>; Rennert, DVBl 2006, 1252 f.; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 40 Rn. 339 f.; U. Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, 2005, S. 1024 ff. <S. 1035>) folgt der Senat aus den nachstehenden Gründen nicht:

aa) Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge wird der Staat als Nachfrager am Markt tätig, um einen Bedarf an bestimmten Gütern und Dienstleistungen zu decken. In dieser Rolle als Nachfrager unterscheidet er sich nicht grundlegend von anderen Marktteilnehmern ( - NJW 2006, 3701 <3702 Rn. 52>). Die von der öffentlichen Hand abgeschlossenen Werk- und Dienstverträge gehören ausschließlich dem Privatrecht an (Urteile vom a.a.O. S. 326, vom a.a.O. S. 72 bzw. S. 76 und vom a.a.O. S. 105 bzw. S. 12; - BGHZ 36, 91 <96>, vom a.a.O. und vom - VI ZR 251/73 - NJW 1977, 628 <629>; OVG Lüneburg, Beschluss vom a.a.O. S. 844; Gröning, a.a.O. S. 280; Gurlit, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, § 29 Rn. 6; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 17 Rn. 31; Sodan, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 40 Rn. 334; Vygen, in: Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B, 15. Aufl. 2006, Einl. Rn. 10). Das gleiche gilt für das dem Abschluss des Vertrages vorausgehende Vergabeverfahren, das der Auswahl der öffentlichen Hand zwischen mehreren Bietern dient. Mit der Aufnahme der Vertragsverhandlungen entsteht zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den Bietern ein privatrechtliches Rechtsverhältnis, welches bis zur Auftragsvergabe an einen der Bieter andauert. Die öffentliche Hand trifft in diesem Vergabeverfahren eine Entscheidung über die Abgabe einer privatrechtlichen Willenserklärung, die die Rechtsnatur des beabsichtigten bürgerlich-rechtlichen Rechtsgeschäfts teilt. Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist als einheitlicher Vorgang insgesamt dem Privatrecht zuzuordnen (Urteil vom a.a.O. S. 72 bzw. S. 77; - BGHZ 49, 77 <80>; Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 40 Rn. 250; ders., in: Erichsen/Ehlers, a.a.O., § 3 Rn. 47; Gurlit, in: Erichsen/Ehlers, a.a.O., § 29 Rn. 6; Jaeger, a.a.O. S. 381; Maurer, a.a.O. § 17 Rn. 31; Siegel, DÖV 2007, 237 <241 f.>; Ziekow/Siegel, ZfBR 2004, 30 <32 f.>).

bb) Die privatrechtliche Einordnung der Vergabe öffentlicher Aufträge entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Grundsätzen der Haftung bei einer öffentlichen Ausschreibung. Danach kommt mit der Ausschreibung und der Beteiligung des Bieters am Ausschreibungsverfahren ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis zu Stande, das die Parteien zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet und auf beiden Seiten Sorgfaltspflichten begründet, deren Verletzung Schadensersatzansprüche auslösen kann, etwa wenn der öffentliche Auftraggeber im weiteren Verlauf des Ausschreibungs- und Vergabeverfahrens die Vorschriften des öffentlichen Vergaberechts zum Nachteil des Bieters nicht einhält ( - BGHZ 139, 259 <260 ff.>, vom - X ZR 282/02 - NJW 2004, 2165 und vom - X ZR 115/04 - ZfBR 2007, 40 <41>). Der Bundesgerichtshof ordnet das im Vergabeverfahren bestehende vertragsähnliche Vertrauensverhältnis und einen hieraus entstehenden Schadensersatzanspruch - zu Recht - ersichtlich dem Privatrecht zu. Nichts anderes gilt für den hier geltend gemachten (Primär-)Anspruch auf ordnungsgemäße Auswahl im Vergabeverfahren.

cc) Für die Bestimmung des Rechtswegs ist es unerheblich, dass die öffentliche Hand bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auch - zumindest mittelbar - öffentliche Aufgaben wahrnimmt und dass die Abgrenzung zur Wirtschaftsförderung und -lenkung im Einzelfall fließend sein kann (vgl. hierzu Kopp, BayVBl 1980, 609 <611>; Sodan, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 40 Rn. 334 f.). Aus der Tatsache, dass staatliche Maßnahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen, kann nicht ohne Weiteres der Schluss gezogen werden, dass die öffentliche Hand sich auch öffentlich-rechtlicher Mittel zur Erreichung dieser Ziele bedient (Urteile vom a.a.O. S. 105 bzw. S. 12 und vom a.a.O. S. 74 bzw. S. 4; BVerwG 5 B 26.93 - BVerwGE 94, 229 <232> = Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 267 S. 53). Die öffentliche Verwaltung kann die ihr anvertrauten öffentlichen Aufgaben, wenn und soweit keine öffentlich-rechtlichen Normen oder Rechtsgrundsätze entgegenstehen, auch in der Form und mit den Mitteln des Privatrechts erfüllen ( BVerwG 4 C 18.91 - BVerwGE 92, 56 <64 f.> = Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 61 S. 55 und vom a.a.O. S. 74 bzw. S. 4; Beschlüsse vom a.a.O. S. 231 f. bzw. S. 53 f. und vom - BVerwG 3 B 10.00 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 286 S. 3; - BGHZ 91, 84 <95 f.>). Maßgeblich für die Zuordnung eines Rechtsverhältnisses zum öffentlichen Recht oder zum Privatrecht ist nicht das Ziel, sondern die Rechtsform staatlichen Handelns; ist diese - wie hier - privatrechtlich, so ist es grundsätzlich auch die betreffende Streitigkeit (Sodan, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 40 Rn. 316).

dd) Für den Rechtsweg ebenfalls nicht entscheidend ist der Umstand, dass die öffentliche Hand im Vergabeverfahren öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegt, die für Privatpersonen nicht in entsprechender Weise gelten. Ob und in welchem Umfang bei der Auswahl eines Vertragspartners durch die öffentliche Hand eine derartige Bindung besteht, ist keine Frage des Rechtswegs, sondern der zu treffenden Sachentscheidung ( a.a.O. S. 316 f.). Das Zivilrecht wird insoweit als "Basisrecht" von den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Bindungen überlagert (Pietzcker, NVwZ 1983, 121 <122 und 124 f.>; ders., ZfBR 2007, 131 <134 f.>). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs wird dort, wo sich der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben privater Gestaltungsformen bedient, die Privatrechtsordnung lediglich in einzelnen Punkten durch öffentlich-rechtliche Bindungen ergänzt, modifiziert und überlagert, ohne dass darum das Verwaltungshandeln selbst dem öffentlichen Recht zuzuordnen wäre (sog. Verwaltungsprivatrecht); infolgedessen haben über derartige öffentlich-rechtliche Bindungen des privatrechtlichen Verwaltungshandelns die ordentlichen Gerichte im Rahmen ihrer Zuständigkeit mit zu entscheiden (Beschlüsse vom - BVerwG 7 B 120.89 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 244 = NVwZ 1990, 754 und vom - BVerwG 7 B 30.90 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 103 = NVwZ 1991, 59; a.a.O. S. 96 f., vom - XI ZR 195/02 - BGHZ 155, 166 <173 ff.> und vom - V ZR 158/05 - NVwZ 2007, 246; Beschluss vom a.a.O. S. 1043). Die Frage, welcher Rechtsweg für Streitigkeiten bei der "unterschwelligen" Vergabe öffentlicher Aufträge gegeben ist, hängt vor diesem Hintergrund nicht entscheidend davon ab, ob Vergaberecht öffentliches Recht ist (vgl. zu Letzterem Rennert, DVBl 2006, 1252 ff.; U. Stelkens, a.a.O., S. 414 ff.).

Insbesondere die Bindung der im Vergabeverfahren vorzunehmenden Auswahl an das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG führt nicht dazu, dass das Rechtsverhältnis zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den Bietern als öffentlich-rechtlich anzusehen ist. Jede staatliche Stelle hat unabhängig von der Handlungsform den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten ( a.a.O. S. 3703 Rn. 64). Diese Bindung kann daher für die Qualifizierung eines Rechtsverhältnisses als öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich nicht entscheidend sein. Andernfalls wäre nahezu jedes Rechtsverhältnis zwischen der öffentlichen Verwaltung und dem Bürger angesichts der umfassenden Bindung an Art. 3 Abs. 1 GG als öffentlich-rechtlich anzusehen; für die Annahme privatrechtlichen Handelns der öffentlichen Hand bliebe letztlich kein Raum mehr ( a.a.O. S. 1252; Dörr, a.a.O. S. 1024). Öffentlich-rechtliche Bindungen der Verwaltung, die im Kern nur aus der Bindung an den Gleichheitssatz bestehen, führen nicht dazu, deren Handeln als öffentlich-rechtlich einzustufen und den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten zu bejahen. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge besteht die Bindung der öffentlichen Hand im Kern aber allein in der Bindung an den Gleichheitssatz, welcher verlangt, dass jeder Bewerber eine faire Chance erlangt, nach Maßgabe der für den jeweiligen Auftrag wesentlichen Kriterien und des vorgesehenen Verfahrens berücksichtigt zu werden (vgl. a.a.O. S. 3703 Rn. 65). Diese Anforderungen an die Wettbewerbsgleichheit der Bieter berühren indes nicht die privatrechtlichen Grundlagen des Rechtsverhältnisses zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den Bietern und machen die Streitigkeit zwischen dem unterlegenen Bieter und dem öffentlichen Auftraggeber deshalb nicht zu einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dies alles gilt auch mit Blick auf die dem europäischen Gemeinschaftsrecht zu entnehmenden Gebote der Gleichheit und Nichtdiskriminierung, denen der Europäische Gerichtshof bestimmte Anforderungen an das bei der Vergabe von binnenmarktrelevanten Aufträgen einzuhaltende Verfahren (Transparenz, Unparteilichkeit) entnimmt (vgl. dazu die Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinie fallen, vom , ABl Nr. C 179, S. 2, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs).

Etwas anderes folgt auch nicht aus den haushaltsrechtlichen Bindungen der öffentlichen Hand bei der Vergabe von Aufträgen. Das Oberverwaltungsgericht hat auf § 25 Abs. 1 der Gemeindehaushaltsverordnung NRW (GemHVO NRW) hingewiesen, wonach der Vergabe von Aufträgen eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen muss, soweit nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine beschränkte Ausschreibung oder eine freihändige Vergabe rechtfertigen. Nach § 25 Abs. 2 GemHVO NRW sind bei der Vergabe von Aufträgen in einer finanziellen Größenordnung unterhalb der durch die Europäische Union festgelegten Schwellenwerte die Vergabebestimmungen anzuwenden, die das Innenministerium bekannt gibt. Nach Nr. 4 der insoweit einschlägigen "Vergabegrundsätze für Gemeinden (GV) nach § 25 Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO) (Kommunale Vergabegrundsätze)" (RdErl. d. Innenministeriums vom , MBl NRW 2006, 222) sollen bei Aufträgen über Bauleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte grundsätzlich die Teile A (Abschnitt 1), B und C der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) in der jeweils geltenden Fassung angewendet werden. Derartige haushaltsrechtliche Regelungen - wie auch § 55 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) - sind reines Innenrecht und binden den öffentlichen Auftraggeber allein im Innenverhältnis, nicht aber im Außenverhältnis gegenüber den Bietern. Das Haushaltsrecht dient nicht der Sicherung des Wettbewerbs oder der Einrichtung einer bestimmten Wettbewerbsordnung für das Nachfrageverhalten des Staates. Ziel der haushaltsrechtlichen Vorgaben ist vielmehr ein wirtschaftlicher und sparsamer Umgang mit Haushaltsmitteln, der im öffentlichen Interesse liegt. Der Wettbewerb der Anbieter um einen ausgeschriebenen Auftrag wird als Mittel genutzt, um dieses Ziel zu erreichen, ist aber nicht selbst Ziel der haushaltsrechtlichen Normen ( a.a.O. S. 3703 Rn. 62).

Die Einordnung des allgemeinen Haushaltsrechts als Innenrecht wird durch die Gesetzgebungsmaterialien zum Vergaberechtsänderungsgesetz (VgRÄG) vom (BGBl I S. 2512) bestätigt, mit dem das sog. Kartellvergaberecht der §§ 106 ff. GWB a.F. (jetzt: §§ 97 ff. GWB) für die Vergabe oberhalb der Schwellenwerte in das GWB eingefügt wurde. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollten die Bieter mit § 106 Abs. 7 GWB a.F. (jetzt: § 97 Abs. 7 GWB) erstmals ein subjektives Recht auf Einhaltung der Vorschriften über die öffentliche Auftragsvergabe erhalten (BTDrucks 13/9340 S. 1 f.). Der Gesetzgeber ist also davon ausgegangen, dass es sich bei den haushaltsrechtlichen Vorschriften über die Vergabe von Aufträgen allein um Innenrecht handelt.

Ist der Geltungsanspruch der einschlägigen haushaltsrechtlichen Vorschriften mithin auf den staatlichen Innenbereich beschränkt, so können diese Vorschriften allenfalls mittelbar in der Weise in das Außenverhältnis zwischen den staatlichen Auftraggebern und den Bietern hineinwirken, dass sie eine entsprechende Verwaltungspraxis nach sich ziehen, welche ihrerseits Grundlage von Ansprüchen der Bieter auf Gleichbehandlung ist. Allein mit einer auf dem Gleichheitssatz beruhenden Bindung der öffentlichen Hand kann jedoch, wie bereits ausgeführt, die Qualifizierung des betroffenen Rechtsverhältnisses als öffentlich-rechtlich nicht begründet werden, weil die öffentliche Hand umfassend - und damit auch bei privatrechtlichem Handeln - an den Gleichheitssatz gebunden ist.

Aus demselben Grund kommt es auch nicht auf den Umstand an, dass der Vergabe öffentlicher Aufträge im Bausektor regelmäßig die VOB/A zu Grunde gelegt wird. Die VOB/A ist - jedenfalls außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 97 ff. GWB (vgl. Vygen, in: Ingenstau/Korbion, a.a.O., Einl. Rn. 37) - nicht wie eine Rechtsnorm anzuwenden (vgl. - BGHZ 116, 149 <151>; - juris). Eine Bindung der öffentlichen Auftraggeber an die VOB/A im Außenverhältnis gegenüber den Bietern wird demzufolge ebenfalls nur über Art. 3 Abs. 1 GG und den hieraus abzuleitenden Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung bewirkt ( a.a.O. S. 3703 Rn. 65; a.a.O. S. 152).

ee) Eine öffentlich-rechtliche Einordnung der Beziehungen zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den Bietern lässt sich schließlich auch nicht durch Heranziehung der so genannten Zweistufentheorie (vgl. dazu bereits Urteile vom a.a.O. S. 90 ff. und vom a.a.O. S. 67 f. bzw. S. 73) erreichen. Die Zweistufentheorie ist nur dann zur rechtlichen Bewertung eines Vorgangs angemessen, wenn dieser durch eine Mehrphasigkeit der Aufgabenwahrnehmung gekennzeichnet ist (vgl. Beschluss vom a.a.O. S. 4). Das ist typischerweise dann der Fall, wenn die Entscheidung über das "Ob" einer öffentlichen Leistung - etwa die Gewährung einer Subvention - durch Verwaltungsakt erfolgt, während deren Abwicklung - das "Wie" - mittels eines privatrechtlichen Vertrages durchgeführt wird (vgl. Urteil vom a.a.O. S. 68 bzw. 73; Sodan, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 40 Rn. 327). Die Entscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags unterscheidet sich hiervon jedoch wesentlich. Das Vergabeverfahren ist nämlich seiner Struktur nach gerade nicht zweistufig; vielmehr erfolgt die Entscheidung über die Auswahl zwischen mehreren Bietern im Regelfall unmittelbar durch den Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages mit einem der Bieter durch Zuschlag (vgl. § 28 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A). Hiernach fehlt es an einem Anknüpfungspunkt für eine "erste Stufe", auf der eine - nach öffentlichem Recht zu beurteilende - selbstständige "Vergabeentscheidung" fallen könnte. Durch die Anwendung der Zweistufentheorie auf die Vergabe öffentlicher Aufträge würde vielmehr ein einheitlicher Vorgang künstlich in zwei Teile aufgespalten. Die öffentlich-rechtlichen Bindungen, vor allem die Bindung an den Gleichheitssatz, denen die öffentliche Hand bei der Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegt, zwingen nicht zur Annahme einer "ersten Stufe" bei der Auftragsvergabe in Form einer gesonderten "Vergabeentscheidung". Die öffentlich-rechtliche Überlagerung der privatrechtlichen Auftragsvergabe kann vielmehr ohne Weiteres nach den Grundsätzen des Verwaltungsprivatrechts bewältigt werden, indem die ordentlichen Gerichte über die Ergänzungen, Modifizierungen und Überlagerungen des Privatrechts durch öffentlich-rechtliche Bindungen mit zu entscheiden haben.

ff) Die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG fordert ebenfalls kein anderes Ergebnis, denn ihr Normbereich ist für den Rechtsschutz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nicht einschlägig. Öffentliche Aufträge werden nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne dieser Vorschrift vergeben ( a.a.O. S. 3702 Rn. 50 ff.). Zudem ist anerkannt, dass der Zivilrechtsweg und der Verwaltungsrechtsweg, wie sich schon aus der Auffangzuständigkeit der ordentlichen Gerichte nach Art. 19 Abs. 4 Satz 2 GG ergibt, unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes prinzipiell gleichwertig sind (Beschluss vom a.a.O.). Soweit in der Rechtsprechung auf Art. 19 Abs. 4 GG als Argument für den Verwaltungsrechtsweg hingewiesen wird, kann dem daher nicht gefolgt werden. Ebenso unergiebig ist Art. 19 Abs. 4 GG für die Frage, ob von einer Zweistufigkeit des Vergabeverfahrens auszugehen ist. Entscheidend für die Effektivität des Rechtsschutzes bei der "unterschwelligen" Vergabe öffentlicher Aufträge ist - sofern man entsprechend den Regelungen im sog. Kartellvergaberecht (vgl. § 114 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 123 Satz 4 GWB) auch hier von einem Ausschluss des Primärrechtsschutzes nach Erteilung des Zuschlags ausgeht - nicht die Zweistufigkeit des Verfahrens, sondern die rechtzeitige Information der Mitbieter über die beabsichtigte Auswahlentscheidung (vgl. Sauer/Hollands, NZBau 2006, 763 <765>).

2. Der Rechtsstreit ist hiernach an das im Zivilrechtsweg sachlich und örtlich zuständige Landgericht Essen zu verweisen (§ 17a Abs. 2, § 71 Abs. 1, § 23 Nr. 1 GVG, § 17 Abs. 1 ZPO).

3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Eine Kostenentscheidung ist hier nicht gemäß § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG entbehrlich. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG gilt im Fall der Verweisung durch das Beschwerdegericht nicht, denn die Kosten im "Verfahren vor dem angegangenen Gericht" sind nur die Kosten des erstinstanzlichen Gerichts. Das Beschwerdegericht hat daher über die Kosten eines Beschwerdeverfahrens nach § 17a Abs. 4 Satz 3 und 4 GVG selbst eine Kostenentscheidung zu treffen (vgl. BVerwG 1 DB 34.92 - BVerwGE 103, 26 <32>; - NJW 1993, 2541; M. Wolf, in: MünchKomm, ZPO, 2. Aufl. 2001, § 17b GVG Rn. 10; a.A. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 41 <§§ 17 - 17b GVG> Rn. 45).

4. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW 2007 S. 2275 Nr. 31
NWB-Eilnachricht Nr. 22/2007 S. 1840
ZIP 2007 S. 1832 Nr. 38
JAAAC-47371