BSG Urteil v. - B 1 KR 25/06 R

Leitsatz

1. Um Versicherte zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung im gesetzlichen Rahmen ambulant im Krankenhaus zu behandeln, bedarf es keiner Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses.

2. Ein Versicherter kann von seiner Krankenkasse nur dann Kostenerstattung für eine selbst beschaffte ärztliche Behandlung beanspruchen, wenn er eine Abrechnung nach den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte erhalten hat (Fortführung von = BSGE 80, 181 = SozR 3-2500 § 13 Nr 14).

Gesetze: GOÄ J: 1982 § 1 Abs 1 ; GOÄ J: 1982 § 2 ; GOÄ J: 1982 § 4 Abs 1 ; GOÄ J: 1982 § 5 ; GOÄ J: 1982 § 6 Abs 2 ; GOÄ J: 1982 § 10 Abs 1 ; GOÄ J: 1982 § 12 Abs 1 ; SGB V § 13 Abs 3 S 1; SGB V § 116b Abs 2; SGB V § 116b Abs 3; SGB V § 116b Abs 4; SGB V § 135 Abs 1

Instanzenzug: SG Schleswig S 8 KR 52/04 vom LSG Schleswig L 5 KR 70/05 vom

Gründe

I

Der 1938 geborene Kläger, bei der beklagten Ersatzkasse krankenversichert, beantragte Ende Dezember 2003 durch seinen behandelnden Urologen Dr. L. , die Beklagte solle 8.275 € Kosten einer interstitiellen Brachytherapie mit Permanent-Seeds wegen Prostatakarzinoms im Anfangsstadium übernehmen. Diesen Betrag verlangt das "Ambulante Brachytherapiezentrum Schleswig-Holstein" (im Folgenden: A-Zentrum), das in den Räumen der Strahlentherapie/Nuklearmedizin des Kreiskrankenhauses Rendsburg seinen Sitz hat und dessen "Mitglied" Dr. L. ist, pauschal für eine solche Behandlung. Da der Kläger eine radikale Prostatektomie ablehne, sei die Monotherapie mit Seeds "zwingend die Therapie der Wahl für diesen Patienten". Dabei werden radioaktive Jod-Teilchen in den Körper eingebracht und verbleiben dort lebenslang, um den Tumor vor Ort zu bestrahlen. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da der Gemeinsame Bundesausschuss die Behandlung mit dieser neuen Methode bisher noch nicht empfohlen habe (Bescheid vom ).

Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, "die beantragte Therapie" sei "ambulant". Seine Frau müsse "sonst in ein Pflegeheim". Laut Dr. L. sei die Therapie seit 2004 ausdrücklich zur integrierten Versorgung vorgesehen. Deshalb verhandele das A-Zentrum zur Zeit über die Zulassung zur Behandlung. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom ). Am unterzog sich der Kläger im A-Zentrum der gewünschten Therapie. Er bezahlte die Rechnung über pauschal 8.275 €, die alle Kosten umfassen sollte.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte dazu verurteilt, dem Kläger 8.275 € zu erstatten. Dass der Gemeinsame Bundesausschuss über den Prüfungsantrag von April 2002 noch nicht entschieden habe, begründe einen Systemmangel (Urteil vom ). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Die Beklagte habe zu Unrecht die vom Kläger zugleich in stationärer Form begehrte Behandlung abgelehnt. Die Therapie gehöre seit 2004 zu den stationären Leistungen, weil seitdem hierfür die DRG-Position "M 07 Z" bestehe. Dr. L. habe dies nicht wissen müssen. Deshalb habe er seine Aufklärungspflicht gegenüber dem Kläger nicht verletzt, selbst wenn er auf die Möglichkeit stationärer Behandlung nicht hingewiesen habe (Urteil vom ).

Zur Begründung ihrer Revision rügt die Beklagte sinngemäß die Verletzung von § 13 und § 39 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), der Auslegungsgrundsätze für Willenserklärungen und der gerichtlichen Aufklärungspflicht. Das LSG habe weder Tatsachen festgestellt, die seine Auslegung des klägerischen Leistungsantrags rechtfertigten, noch solche, die die Notwendigkeit einer Behandlung im Krankenhaus und mit der interstitiellen Brachytherapie begründeten.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom und des Sozialgerichts Schleswig vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

II

Die zulässige Revision der beklagten Ersatzkasse ist begründet.

Zu Unrecht hat das SG die Beklagte zur Kostenerstattung verurteilt und das LSG die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Kläger kann Erstattung von 8.275 € nicht verlangen. Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten für die im März 2004 durchgeführte Brachytherapie ist allein § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V (in der seit geltenden Fassung des Art 5 Nr 7 Buchst b Neuntes Buch Sozialgesetzbuch Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom , BGBl I 1046). Die Norm bestimmt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Weder hat die Beklagte die beantragte Leistung zu Unrecht abgelehnt (vgl dazu 1.) noch sind dem Kläger erstattungsfähige Kosten entstanden (vgl dazu 2.).

1. Der Kostenerstattungsanspruch gemäß § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8, RdNr 14 - Interstitielle Brachytherapie; zuletzt - RdNr 11 mwN - LITT, zur Veröffentlichung vorgesehen). Daran fehlt es. Die allein begehrte Behandlung im A-Zentrum (dazu a) konnte der Kläger nicht als Dienst- und Sachleistung in Natur beanspruchen (dazu b).

a) Der Antrag des Klägers war sinngemäß ausschließlich darauf gerichtet, die Beklagte solle die Kosten einer interstitiellen Brachytherapie bei Dr. L. im A-Zentrum übernehmen. Zu dieser Auslegung ist der Senat befugt. Denn das LSG hat die hierfür maßgeblichen Tatsachen nicht berücksichtigt. Hat das Tatsachengericht die von ihm selbst festgestellten tatsächlichen Umstände für die Auslegung einer Willenserklärung nicht vollständig verwertet, muss das Revisionsgericht diese Umstände selbst in die Rechtsanwendung einbeziehen (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 8 RdNr 12, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen - Uterus-Arterien-Embolisation; BSG SozR 3-2200 § 1150 Nr 5 S 24; BSGE 75, 92, 96 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10 mwN). Hierbei sind auch die außerhalb der sprachlichen Erklärung liegenden Umstände zu berücksichtigen, sofern sie gegenüber dem Empfänger der Erklärung in irgendeiner Weise Ausdruck gefunden haben (BSG SozR 5070 § 10a Nr 3; BSG SozR 3-1500 § 73 Nr 2).

Die vom Senat vorgenommene Auslegung rechtfertigt sich aus den folgenden, vom LSG nicht einbezogenen Tatsachen: Der Kostenübernahmeantrag war genau auf den Betrag von 8.275 € gerichtet, jenen Pauschalbetrag also, den das A-Zentrum für die interstitielle Brachytherapie üblicherweise berechnet. Dem Antrag lag eine vorgedruckte dokumentierte Patienteninformation des A-Zentrums bei. Sie verwies für Rückfragen auf die Telefonnummer des behandelnden Arztes Dr. L. , der "Mitglied" des A-Zentrums ist. Der Kläger hatte Vertrauen zu Dr. L. gefasst. Er überließ es diesem Arzt sogar, den Kostenübernahmeantrag für sich zu stellen und auch den Widerspruch ergänzend zu begründen.

Schließlich entsprach es dem Interesse des Klägers, die Behandlung nach der von ihm gewünschten Methode wohnortnah im Rahmen ambulanter Krankenhausbehandlung im A-Zentrum zu erhalten. Eine stationäre Leistung wollte der Kläger ausdrücklich nicht, um die vorübergehende Einweisung seiner Ehegattin in ein Pflegeheim zu vermeiden. Positive Anhaltspunkte dafür, der Kläger habe auch eine Behandlung in stationärer Form für die hochspezialisierte Leistung beantragt, die gerade nicht in allen Krankenhäusern der Allgemeinversorgung angeboten wird, hat das LSG denn auch selbst gar nicht festgestellt. Es war aus Rechtsgründen aber auch ausgeschlossen, dass der Kläger die interstitielle Brachytherapie als vertragsärztliche Leistung erhielt. Das war Dr. L. offenkundig geläufig. Denn er wies darauf hin, die Therapie sei im Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG, BGBl I 2190) "ausdrücklich zur integrierten Versorgung" vorgesehen. Das A-Zentrum verhandle noch mit dem Verband der Angestellten-Krankenkassen über einen Vertragsschluss. Damit wollte Dr. L. allem Anschein nach die Chance nutzen, von der zum in Kraft getretenen Regelung des § 116b Abs 2 - 4 SGB V noch vor Vertragsschluss Gebrauch zu machen.

Es verstand sich bei diesem Antrag von selbst, dass Dr. L. den Kläger nicht als Vertragsarzt behandeln wollte. Das LSG hat dementsprechend nicht festgestellt, dass Dr. L. überhaupt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen oder entsprechend ermächtigt ist. Ihm als nach dieser Methode behandelndem Urologen musste klar sein, dass die interstitielle Brachytherapie mit Permanent-Seeds als neue Behandlungsmethode nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung war, da der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine positive Empfehlung über den Nutzen der Methode abgegeben hatte (vgl § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V und hierzu BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 15 mwN - Interstitielle Brachytherapie; vgl generell zu § 135 SGB V zuletzt - RdNr 12 ff mwN - LITT). Hoffnungen darauf, das in § 135 Abs 1 SGB V aufgestellte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt durch Hinweis auf ein so genanntes Systemversagen zu durchbrechen, konnte sich der Kläger ebenfalls nicht machen. In Fällen des Systemversagens ist die in § 135 Abs 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben. Deshalb muss in solchen Fällen die Möglichkeit bestehen, dieses Verbot zu überwinden (vgl zuletzt zB - SozR 4-2500 § 27 Nr 10 - RdNr 23 ff - Neuropsychologische Therapie; - RdNr 18 - LITT, beide mwN). Anhaltspunkte dafür, dass sich die antragsberechtigten Stellen oder der Gemeinsame Bundesausschuss aus sachfremden bzw willkürlichen Erwägungen mit der Materie nicht oder zögerlich befasst haben, hat der Kläger nicht vorgetragen. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Darauf hat er sich denn auch nicht berufen. Auch die Verfahrensdauer beim Gemeinsamen Bundesausschuss gibt für ein Systemversagen nichts her. Der Senat hat es bei komplexen Leistungen nicht für gerechtfertigt erachtet, allein wegen einer Verfahrensdauer von mehr als drei Jahren den Schluss auf eine unsachgemäße Verfahrensweise zu ziehen (BSGE 88, 51, 61 f = SozR 3-2500 § 27a Nr 2 S 21; weitere Nachweise zuletzt in - SozR, aaO, RdNr 32 - Neuropsychologische Therapie). Erst recht konnte der Kläger hier - bei einem Zeitraum von weniger als zwei Jahren zwischen dem Antrag an den Bundesausschuss von April 2002, dem Antrag auf Kostenübernahme von Dezember 2003 und dem Behandlungszeitpunkt im März 2004 - nichts aus diesem Gesichtspunkt für sich ableiten (vgl näher zum Fehlen eines Systemversagens bei der interstitiellen Brachytherapie BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8, RdNr 29 - 35). Auch auf Verfassungsrecht hätte sich der Kläger insoweit nicht mit Aussicht auf Erfolg berufen können (vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8, RdNr 36 mwN - Interstitielle Brachytherapie).

Für den Kläger kam die gewünschte Behandlung in ambulanter Form mangels Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 135 Abs 1 SGB V mithin rechtmäßig nur als ambulante Krankenhausbehandlung nach § 116b Abs 2 bis 4 SGB V in Betracht. Hierfür gelten die rechtlichen Grenzen, die § 135 Abs 1 SGB V vertragsärztlichen Leistungen zieht, nicht in gleicher Weise. Vielmehr können die Krankenkassen, die Landesverbände der Krankenkassen oder die Verbände der Ersatzkassen mit zugelassenen Krankenhäusern Verträge über die ambulante Erbringung hochspezialisierter Leistungen sowie zur Behandlung seltener Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen schließen, sofern diese Leistungen und diese Behandlung in dem Katalog des § 116b Abs 3 SGB V enthalten sind. In den Verträgen ist das Nähere über die Durchführung der Versorgung, insbesondere der Nachweis der Einhaltung der sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses, zu regeln (§ 116b Abs 2 SGB V). Der Katalog nach Abs 3 Satz 1 umfasst gemäß Nr 1 auch die Brachytherapie als hochspezialisierte Leistung. Nur für die sächlichen und personellen Mindestanforderungen an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses verweist § 116b Abs 3 Satz 2 SGB V auf § 135 SGB V. Das bedeutet im Gegenschluss, dass im Übrigen die Anforderungen des § 135 SGB V nicht erfüllt sein müssen. Der Gesetzgeber hat den Katalog in § 116b Abs 3 SGB V konzipiert, damit die Krankenkassen und die Krankenhäuser möglichst bald nach Inkrafttreten des Gesetzes von der Öffnung der Krankenhäuser nach Abs 2 Gebrauch machen können (vgl Begründung zum Gesetzentwurf eines GMG der Fraktionen SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks 15/1525 S 120 zu § 116b Abs 3). Welche Leistungen damit erfasst werden sollten, beleuchtet auch das Zusammenspiel mit den weiteren Leistungen, die nach Abs 4 zukünftig in den Katalog aufgenommen werden können. Voraussetzung für die Aufnahme einer Leistung in den Katalog ist ua, dass der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit belegt sind und die Erbringung im Krankenhaus medizinisch notwendig ist (vgl Begründung zum Gesetzentwurf eines GMG, BT-Drucks 15/1525 S 120 zu § 116b Abs 4).

b) Die Beklagte hat den Antrag auf Kostenerstattung für die Behandlung im A-Zentrum - ungeachtet fehlender Feststellungen des LSG zur Indikation - zu Recht abgelehnt. Denn das A-Zentrum hatte über diese Leistungen gerade noch keinen Vertrag geschlossen, war mithin kein zugelassener Leistungserbringer (zur fehlenden Rückwirkung von Zulassungsentscheidungen vgl -, USK 2006-14 = GesR 2006, 368, mwN).

2. Ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers scheidet darüber hinaus auch deshalb aus, weil ihm keine erstattungsfähigen Kosten entstanden sind. Der Kläger war keiner rechtswirksamen Vergütungsforderung von Dr. L. ausgesetzt, möglicherweise schon deswegen, weil die behandelnden Ärzte ihre Aufklärungspflichten verletzt haben (dazu a), jedenfalls aber deshalb, weil es an einer Abrechnung gefehlt hat, die eine solche Forderung auszulösen vermag (dazu b).

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats setzt der Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V voraus, dass dem behandelnden Arzt gegen den Versicherten, der sich die Leistung selbst verschafft hat, ein rechtswirksamer Vergütungsanspruch aus der Behandlung erwachsen ist (vgl dazu zB BSGE 79, 125, 127 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 52; BSGE 80, 181, 182 = SozR 3-2500 § 13 Nr 14 S 68; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 17 S 78; BSGE 86, 66, 69 = SozR 3-2500 § 13 Nr 21 S 89; BSGE 93, 94, 102 = SozR 4-2500 § 13 Nr 4 S 30; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 8 RdNr 25 - zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; zuletzt - RdNr 35 f mwN - LITT - zur Veröffentlichung vorgesehen, abgrenzend zu nicht tragenden Ausführungen im Urteil des 3. Senats des - SozR 4-2500 § 13 Nr 10). Verletzt der behandelnde Arzt seine Aufklärungspflichten, kann dies zum Ausschluss eines Vergütungsanspruchs des Arztes und damit dazu führen, dass in der Person des Versicherten ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V von vornherein nicht entsteht (vgl zuletzt -, RdNr 35 mwN - LITT). Nähere Feststellungen dazu, von wem in welchem Umfang der Kläger vor Durchführung der interstitiellen Brachytherapie aufgeklärt worden ist, hat das LSG nicht getroffen. Dessen hätte es aber bedurft.

Es liegt nahe, dass keine ausreichende Risikoaufklärung erfolgt ist. Der dem Kostenübernahmeantrag des Klägers beigefügte Vordruck des A-Zentrums über die Aufklärung geht nicht hinreichend auf die Operationsrisiken ein. Die ärztliche Begründung des Antrags zitiert im Wesentlichen die Methode befürwortende amerikanische Quellen. Sie klärt jedoch über die abweichenden Positionen nicht auf, die der interstitiellen Brachytherapie wegen ihrer Nachteile im Vergleich zur Prostatektomie kritisch gegenüberstehen (vgl auch BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 32 ff). Das hätte für das LSG Anlass sein müssen, dem tatsächlichen Umfang der erfolgten ärztlichen Aufklärung nachzugehen. Um den Rahmen der in Betracht kommenden Risiken und damit den konkreten Umfang der gebotenen Aufklärung zu erkennen, bedarf ein Gericht regelmäßig sachverständiger Hilfe, soweit ihm die eigene Sachkunde fehlt. Nur ergänzend weist der erkennende Senat darauf hin, dass es entgegen der Ansicht des LSG zum unabdingbaren Fachwissen eines Gebietsarztes gehört, zu beurteilen, ob und aus welchen Gründen eine Behandlung in seinem Fachgebiet ambulant, als ambulante Krankenhausbehandlung oder stationär zu erfolgen hat.

b) Ein Vergütungsanspruch gegen den Kläger ist für Dr. L. jedenfalls nicht entstanden, weil es an einer ordnungsgemäßen Abrechnung fehlt. Geht es - wie hier - um die Kosten einer ärztlichen Behandlung, so besteht ein Vergütungsanspruch des Arztes nur, wenn dem Patienten darüber eine Abrechnung nach den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ, neugefasst durch Bekanntmachung vom , BGBl I 210; zuletzt geändert durch Art 17 Gesetz vom , BGBl I 3320) erteilt worden ist (zur Notwendigkeit einer Abrechnung nach den Vorschriften der GOÄ vgl BSGE 80, 181 = SozR 3-2500 § 13 Nr 14; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 17 S 78 f; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 8 RdNr 25 mwN). Bei der ärztlichen Gebührenordnung handelt es sich um ein für alle Ärzte geltendes zwingendes Preisrecht. Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich, verletzt insbesondere weder die Kompetenzordnung des Grundgesetzes noch die Berufsfreiheit der Ärzte (Art 12 Abs 1 GG; BVerfGE 68, 319, 327 ff = SozR 5515 § 11 Nr 1 S 2 = NJW 1985, 2185 ff; BVerfG NJW 1992, 737; NJW 2005, 1036, 1037; BGH NJW 2006, 1879 ff). Vorbehaltlich eines anders lautenden Bundesgesetzes verpflichtet § 1 Abs 1 GOÄ alle Ärzte, die Vergütungen für ihre beruflichen Leistungen nach der GOÄ zu berechnen. Die ärztlichen Leistungen sind in einem Gebührenverzeichnis erfasst (vgl § 4 Abs 1 GOÄ) und innerhalb des durch § 5 GOÄ festgelegten Gebührenrahmens zu bewerten. Selbstständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, können nach § 6 Abs 2 GOÄ entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden. Erst mit der Erteilung einer den Vorschriften der Verordnung entsprechenden Rechnung wird die Vergütung fällig (§ 12 Abs 1 GOÄ). Vorher trifft den Patienten keine Zahlungsverpflichtung. Nach § 10 Abs 1 GOÄ können neben den für die einzelnen ärztlichen Leistungen vorgesehenen Gebühren als Auslagen nur die dort unter Nr 1 - 4 aufgeführten Positionen berechnet werden. Die Berechnung von Pauschalen ist nicht zulässig.

Nach § 2 Abs 1 GOÄ kann durch Vereinbarung eine durch diese Verordnung abweichende Gebührenhöhe festgelegt werden (Satz 1). Die Vereinbarung einer abweichenden Punktzahl (§ 5 Abs 1 Satz 2 GOÄ) oder eines abweichenden Punktwerts (§ 5 Abs 1 Satz 3 GOÄ) ist nicht zulässig (Satz 3). Gemäß § 2 Abs 2 GOÄ ist eine Vereinbarung nach Abs 1 Satz 1 nach persönlicher Absprache im Einzelfall zwischen Arzt und Zahlungspflichtigem vor Erbringung der Leistung des Arztes in einem Schriftstück zu treffen. Dieses muss neben der Nummer und der Bezeichnung der Leistung, dem Steigerungssatz und dem vereinbarten Betrag auch die Feststellung enthalten, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist. Weitere Erklärungen darf die Vereinbarung nicht enthalten. Der Arzt hat dem Zahlungspflichtigen einen Abdruck der Vereinbarung auszuhändigen. Nach § 2 Abs 3 Satz 1 GOÄ ist für Leistungen nach den Abschnitten A, E, M und O eine Vereinbarung nach Abs 1 Satz 1 unzulässig. Der Abschnitt O betrifft die Strahlendiagnostik, Nuklearmedizin, Magnetresonanztomographie und Strahlentherapie. Zur Strahlentherapie (IV.) gehört auch die Brachytherapie (4.) mit umschlossenen Radionukliden, für die ggf eine Analogbewertung in Betracht kommt (zum Streit vgl Empfehlung des Ausschusses "Gebührenordnung" der Bundesärztekammer, DÄBl 2005, A-2659 und PKV Publik 9/2005, 106 f).

Die von Dr. L. ausgestellte Rechnung nennt schon keine im Gebührenverzeichnis aufgeführte Leistung und enthält weder eine Bewertung nach § 5 GOÄ noch eine Analogbewertung nach § 6 Abs 2 GOÄ. Sie enthält auch keine Position zum Ersatz von Auslagen, sondern benennt lediglich einen umfassenden Pauschalpreis. Es ist aber gerade unzulässig, anstelle der Vergütung von Einzelleistungen ein Pauschalhonorar ohne Bezugnahme auf das Leistungsverzeichnis der GOÄ in Rechnung zu stellen und den Auslagenersatz zu pauschalieren (vgl BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 17 S 79 mwN; BVerfG NJW 1992, 737; BGH NJW 2006, 1879 ff). Trotzdem - ohne positive Kenntnis dieser Rechtslage - geleistete Zahlungen kann der Patient vom Arzt selbst dann zurückfordern, wenn er sich mit dem Operationsergebnis zufrieden gezeigt hat (vgl BGH, NJW 2006, 1879 ff).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Fundstelle(n):
FAAAC-47355