BFH Beschluss v. - II B 88/06

Schlüssige Darlegung einer Divergenzrüge; Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Übergehen eines Beweisantrags; Rügeverlust

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3; FGO § 76

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit ihre Begründung überhaupt den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.

1. Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO)

a) Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) durch Übergehen des im Schriftsatz vom „höchstvorsorglich” gestellten Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens kann schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen, weil die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) die unterlassene Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) nicht gerügt hat.

Die Verletzung der Sachaufklärungspflicht gehört zu den verzichtbaren Verfahrensmängeln (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der ZivilprozessordnungZPO—). Das Rügerecht geht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren. Hat das FG die beantragten Beweise weder vor noch in der mündlichen Verhandlung erhoben, muss dieses Unterlassen in der mündlichen Verhandlung gerügt werden (, BFH/NV 2006, 1844, m.w.N.).

b) Mit der Rüge, das FG habe aus der Reihenfolge der Buchungsnummern nicht die zutreffenden Schlüsse gezogen, macht die Klägerin keinen Verfahrensmangel, sondern einen materiell-rechtlichen Fehler geltend, der keinen Grund für die Zulassung der Revision darstellt (BFH-Beschlüsse vom II B 135/04, BFH/NV 2006, 306, und vom XI B 178/05, BFH/NV 2007, 477, ständige Rechtsprechung).

c) Soweit das Vorbringen der Klägerin dahin zu verstehen sein sollte, dass sie auch in weiteren Punkten eine nicht hinreichende Aufklärung des Sachverhalts durch das FG geltend machen wolle, fehlen Ausführungen zur Frage eines Rügeverlusts nach § 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO sowie zu den konkreten Tatsachen, die eine weitere Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätte, und zur Entscheidungserheblichkeit dieser Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 306). Die Unterschriften des inzwischen verstorbenen Vaters der Klägerin und des Sachbearbeiters der Sparkasse auf dem Auszahlungsbeleg vom konnten schon deshalb nicht mit Unterschriften auf dem Überweisungsauftrag/Zahlschein-Kassenbeleg gleichen Datums verglichen werden, weil der zuletzt genannte Beleg keine Unterschriften enthält.

2. Divergenz

a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidungen sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen. Dabei ist insbesondere auch auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handele (BFH-Beschlüsse vom VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, und vom VIII B 2/06, BFH/NV 2007, 450).

b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin hat keine tragenden, abstrakten Rechtssätze aus den von ihr geltend gemachten Divergenzentscheidungen einerseits und der Vorentscheidung andererseits so gegenübergestellt, dass eine Abweichung erkennbar wird. Sie hat auch nicht dargelegt, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handele. In dem von ihr angeführten Beschluss des Großen Senats des (BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570) ging es um den Maßstab, nach dem zu entscheiden ist, ob die Vollziehung eines auf Steuerhinterziehung gestützten Steuerbescheids auszusetzen ist, und nicht um die Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren, wenn das FG wie im Streitfall aufgrund der tatsächlichen Umstände zu der Überzeugung gelangt ist, dass Steuerhinterziehung oder mindestens eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliege. Worin die Abweichung zu dem von der Klägerin angeführten (BFH/NV 2003, 1404) bestehen soll, ist nicht erkennbar.

3. Verletzung materiellen Rechts

Mit ihren Einwendungen gegen die Richtigkeit der Vorentscheidung macht die Klägerin keinen Grund für die Zulassung der Revision geltend. Sie bringt selbst nicht vor, dass die Vorentscheidung an einem sog. qualifizierten Rechtsanwendungsfehler leide, d.h. offensichtlich materielle oder formelle Fehler im Sinne einer willkürlichen Entscheidung aufweise (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25; vom VII B 344/03, BFHE 206, 226, BStBl II 2004, 896; vom V B 9/04, BFH/NV 2006, 248; in BFH/NV 2007, 450, und vom VIII B 61/06, BFH/NV 2007, 451).

Fundstelle(n):
DAAAC-47279