BFH Beschluss v. - III B 8/06

Verstoß gegen den klaren Akteninhalt; Rüge fehlerhafter Beweiswürdigung; keine Revisionszulassung bei Verkennung der Voraussetzungen für den Betriebsausgabenabzug

Gesetze: FGO § 96 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3; EStG § 4 Abs. 4

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 1993 bis 1996 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Beide erzielten in den Streitjahren u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen.

Der Kläger war alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der Firma T, deren Gewerbe in dem Transport von Autoteilen für die Firma M bestand. In 1992 erhielt die T von M einen Exklusivvertrag für die Auslieferung der Autoteile an alle M-Händler in der Bundesrepublik Deutschland. Die Klägerin betrieb in der Zeit von 1980 bis 1996 unter der Firma L ein Einzelunternehmen, das u.a. die logistische Unterstützung und Kontrollaufgaben für die T zum Gegenstand hatte und dementsprechend auch gegenüber der T abrechnete.

Beginnend mit dem Monat April 1994 bis einschließlich Dezember 1996 verbuchte die Klägerin u.a. an ihre Firma L gerichtete Rechnungen der G und M. H. Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) über monatliche Beträge von jeweils 62 500 DM zuzüglich Umsatzsteuer (entsprechend 750 000 DM zuzüglich 84 375 DM Umsatzsteuer pro Kalenderjahr).

Gesellschafter der GbR sind die Söhne von H, der bis zu seinem Ausscheiden aus Altersgründen Leiter der Abteilung für Logistik, Teile und Zubehör bei M war. Die Firma führte in ihrem Briefkopf folgende Gewerbe auf: „Logistische Dienstleistungen / Fahrradverleih und -verkauf / Videoverleih und -verkauf / Sportbootverleih”. Die für die Klägerin erbrachten Leistungen wurden in den Rechnungen durch die Formulierung „Wir berechnen Ihnen laut den Vereinbarungen für die entsprechenden Tätigkeiten….” oder die Formulierung „Monatsrechnungsbetrag für den Vereinbarungen entsprechende Tätigkeiten ... .” bezeichnet. Die Klägerin machte die Nettobeträge als Betriebsausgaben und die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Sie trug vor, die Zahlungen beruhten auf einem von der GbR erbrachten Qualitätsmanagement und einer entsprechenden Qualitätskontrolle, welche die Firma L für die T erbringen sollte. Die Dienstleistungen der GbR seien mündlich vereinbart und im März 1994 auch im Schriftverkehr zwischen der Firma L und der GbR festgehalten worden.

Die Umsätze der Firma L bewegten sich in den Jahren 1994 bis 1996 zwischen ca. 1,5 Mio. DM und 2,1 Mio. DM. In den Kalenderjahren 1994 und 1995 erzielte die Klägerin hieraus jeweils einen gewerblichen Gewinn von 788 000 DM bzw. 124 000 DM, wohingegen sie im Veranlagungszeitraum 1996 einen gewerblichen Verlust von 141 000 DM erklärte.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) folgte den Steuererklärungen der Kläger für 1994 auch insoweit, als er die von der GbR für den Zeitraum von April bis Dezember 1994 in Rechnung gestellten Beträge von insgesamt 562 500 DM zuzüglich Umsatzsteuer zum Betriebsausgaben- und Vorsteuerabzug zuließ. Dabei blieb es auch nach einer u.a. für das Jahr 1994 durchgeführten Betriebsprüfung.

Für die Veranlagungszeiträume 1995 und 1996 erließ das FA im Anschluss an eine Betriebsprüfung hingegen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Steuerbescheide betreffend Einkommensteuer, den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag und Umsatzsteuer, in denen es u.a. den jeweils entsprechend geltend gemachten Betriebsausgaben- und Vorsteuerabzug versagte unter Hinweis darauf, dass eine betriebliche Veranlassung der Zahlungen nicht erkennbar sei. Die Einsprüche gegen die geänderten Steuerbescheide blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme insoweit ebenfalls ab. In Würdigung aller Umstände des Einzelfalls seien die Voraussetzungen für den begehrten Betriebsausgabenabzug i.S. von § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht erfüllt. Daher seien die Zahlungen der Klägerin an die GbR auch bei der Höhe des Gewerbeertrags gemäß § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Das FG sei nach der Beweisaufnahme nicht von der betrieblichen Veranlassung der Zahlungen überzeugt. Bei der Einkommensteuer 1994 sei im Wege einer Saldierung nach § 177 AO mit anderen im Klageverfahren anhängigen Streitpunkten ebenfalls der Betriebsausgabenabzug der geltend gemachten Zahlungen zu versagen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde berufen sich die Kläger sinngemäß zunächst auf den Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten als Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Ferner entsprächen die Schlussfolgerungen des FG aus den festgestellten Tatsachen nicht den allgemeinen Grundsätzen der Beweiswürdigung und seien mit den Natur- und Denkgesetzen unvereinbar. Schließlich habe das FG zu Unrecht den geltend gemachten Betriebsausgaben- und Vorsteuerabzug versagt.

II. Die Beschwerde, die sinngemäß lediglich die geltend gemachten Zahlungen an die GbR und somit nicht das Jahr 1993 umfasst, ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).

1. Die Verfahrensrüge greift nicht durch.

a) Die Kläger tragen insoweit im Wesentlichen vor, dem FG sei bekannt gewesen, dass eine private Mitveranlassung der streitbefangenen Zahlungen ausgeschlossen gewesen sei. Zwischen ihnen, den Klägern, und den Beteiligten der GbR hätten keinerlei private Beziehungen bestanden. Ausgehend von diesem Sachverhalt habe das FG in seinem Urteil zu Unrecht ausgeführt, dass die Zahlungen keinen betrieblichen, sondern „einen anderen Anlass hatten”.

Das FG sei ferner zu Unrecht davon ausgegangen, dass die vorgelegten wechselseitigen „schriftlichen Bestätigungen” erst nachträglich erstellt worden seien. Auch dies widerspreche der Aktenlage. Vielmehr seien die Beteiligten als juristische Laien davon ausgegangen, dass gerade kein schriftlicher Vertrag zwischen der Firma L und der GbR geschlossen worden sei. Die schriftlichen Bestätigungen der zuvor getroffenen mündlichen Vereinbarung seien in der Akte „Schriftverkehr” eingeordnet gewesen. Daher seien die Beteiligten auch noch während der Betriebsprüfung von der fehlenden Existenz eines schriftlichen Vertrages ausgegangen. Vor diesem Hintergrund sei die vom FG aufgestellte Behauptung einer nachträglichen Erstellung der Schriftstücke weder aus vorhandenen schriftlichen Unterlagen, Zeugenaussagen oder sonstigen Beweismitteln erkennbar. Es komme hinzu, dass es in der Logistikbranche ganz offensichtlich generell üblich sei, Vereinbarungen nicht im Einzelnen schriftlich aufzunehmen. Dem FG habe eine wissenschaftliche Ausarbeitung des Instituts für Logistikrecht und Risk-management der Hochschule A vorgelegen, wonach 70 Firmen befragt worden seien, „welche Formvereinbarungen abgeschlossen würden”. Als Ergebnis sei festgehalten worden, dass die Mehrzahl der Logistikverträge nicht schriftlich vereinbart worden seien, sondern oft auf „Zuruf” mittels Fax, Mails, mündlich oder fernmündlich. Diese repräsentative Untersuchung habe das FG völlig außer Acht gelassen.

Schließlich habe das FG bei der Beweisaufnahme die Zeugen nach vorab getroffenen „Absprachen” befragt und den Zeugenaussagen allein deshalb keinen Glauben geschenkt. Angesichts des Umstandes, dass der Prozessbevollmächtigte selbst die bei ihm im Vorfeld der mündlichen Verhandlung stattgefundene Besprechung mit den Klägern und den Zeugen H dem Senatsvorsitzenden des FG fernmündlich mitgeteilt habe, sei die Annahme einer vorherigen „Absprache” der Zeugen nicht nachvollziehbar. Der Prozessbevollmächtigte habe den Zeugen lediglich die Aussage des Senatsvorsitzenden weitergeleitet, dass während der Beweisaufnahme eine umfangreiche Befragung stattfinden werde.

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten als solcher kein Verfahrensmangel (vgl. , BFH/NV 2005, 2023). Die Rüge eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten kann allerdings dahin zu verstehen sein, dass hiermit die Nichtbeachtung des § 96 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz FGO geltend gemacht wird, wonach das Gericht aus seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung heraus entscheidet. Diese Vorschrift verpflichtet das FG, den Inhalt der ihm vorliegenden Akten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen. Wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde legt, der dem schriftlich festgehaltenen Vortrag der Beteiligten nicht entspricht, oder eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt geblieben ist, ist § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt (, BFH/NV 2007, 741).

c) Das FG hat nicht gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen.

Vielmehr hat das FG im Tatbestand seines Urteils den Vortrag der Klägerin, wonach es zu den Zeugen H keine freundschaftlichen, sondern nur intensive geschäftliche Kontakte gebe, ausdrücklich aufgenommen. Daraus geht hervor, dass das FG den Akteninhalt insoweit in seine Entscheidungsgründe einbezogen und damit auch berücksichtigt hat. Entgegen der Auffassung der Kläger führt dies aber nicht zwangsläufig zum begehrten Betriebsausgaben- bzw. Vorsteuerabzug der streitbefangenen Zahlungen. Das FG hat in den Entscheidungsgründen seines Urteils hierzu ausdrücklich hervorgehoben, dass angesichts der Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls —also insbesondere auch anderer Tatsachen— der geltend gemachte steuerliche Abzug zu versagen war.

Hinsichtlich der vertraglichen Absprachen zwischen dem Einzelunternehmen der Klägerin und der GbR hat das FG den Akteninhalt im Tatbestand seines Urteils ebenfalls zutreffend und vollständig dargestellt. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang beanstandete Vermutung des FG, die schriftlichen Bestätigungen vom März 1994 seien möglicherweise erst nachträglich erstellt worden, ist Teil der materiell-rechtlichen Beweiswürdigung, die keinen Verfahrensfehler in diesem Sinne begründen kann (vgl. auch nachfolgend unter Ziffer 2). Darüber hinaus hat das FG nicht maßgeblich auf diese Vermutung abgestellt, sondern in den Entscheidungsgründen seines Urteils ausdrücklich unabhängig vom Fertigungszeitpunkt der schriftlichen Bestätigungen den begehrten steuerlichen Abzug der Zahlungen versagt. Die Form der vertraglichen Absprachen und damit zugleich auch das von den Klägern angeführte wissenschaftliche Gutachten der Hochschule A zur Mündlichkeit von Verträgen im Logistikbereich waren somit entgegen der Auffassung der Kläger nicht entscheidungserheblich.

Schließlich hat das FG auch hinsichtlich der vom Prozessbevollmächtigten der Kläger erwähnten Besprechung im Vorfeld der mündlichen Verhandlung mit den Zeugen H den Akteninhalt zutreffend berücksichtigt, da es seiner Entscheidung dieses tatsächlich stattgefundene und von den Zeugen in der Beweisaufnahme zusätzlich bestätigte Gespräch zugrunde gelegt hat. Die von den Klägern beanstandete Würdigung der Zeugenaussagen im Lichte einer vorher erfolgten Abstimmung der Inhalte ist wiederum eine Frage materiellen Rechts, die nicht zu einem Verfahrensfehler führt (vgl. auch nachfolgend unter Ziffer 2).

2. Soweit sich die Kläger mit ihrem Vorbringen darüber hinaus gegen die Beweiswürdigung durch das FG wenden, liegt kein die Zulassung der Revision rechtfertigender Grund vor. Denn die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Prüfung im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde entzogen (ständige Rechtsprechung, vgl. hierzu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 82, m.w.N.).

3. Mit ihrem Vortrag, das FG habe die Voraussetzungen für die Zulassung des Betriebsausgabenabzugs nach § 4 Abs. 4 EStG dem Grunde und der Höhe nach verkannt, wenden sich die Kläger im Kern gleichfalls gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Urteils, wobei sie ihre Rechtsauffassung an die Stelle derjenigen des FG setzen. Dieses Vorbringen ist daher auch nicht geeignet, die Zulassung der Revision zu rechtfertigen.

Da sich das FG im Übrigen bei der Beurteilung des Betriebsausgabenbegriffs an zutreffenden Grundsätzen orientiert hat (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 25. Aufl., § 4 Rz 28 ff., m.w.N.), besteht ferner kein Anhaltspunkt für einen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung, der ausnahmsweise zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO führt (vgl. , BFH/NV 2006, 1285).

4. Die in dem Schriftsatz vom erhobene Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG gemäß § 76 Abs. 1 FGO ist erst nach Ablauf der Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht worden und damit ebensowenig geeignet, die Zulassung der Revision zu begründen (, BFH/NV 2007, 474).

Fundstelle(n):
EAAAC-46930