Leitsatz
[1] Wirkt der Schuldner an der Änderung eines für ihn wirtschaftlich ungünstigen Vertrages mit und wird dieser durch den anderen Vertragsteil erfüllt, so begründet die Möglichkeit, dass andernfalls der Gegner vom Vertrag zurückgetreten wäre, keine objektive Benachteiligung der Gesamtvollstreckungs- oder Insolvenzgläubiger.
Gesetze: GesO § 10 Abs. 1 Nr. 1; InsO § 129; InsO § 133 Abs. 1
Instanzenzug: LG Erfurt 6 O 2356/99 vom OLG Jena 1 U 978/00 vom
Tatbestand
Die Schuldnerin kaufte am von der Beklagten den im Grundbuch von M. , Bl. 82570, eingetragenen Grundbesitz zum Preis von 4.169.000 DM. Die Schuldnerin beabsichtigte, auf diesen Flächen 120 Eigentumswohnungen zu errichten, aus deren Erlös auch der zunächst gestundete und seit Vertragsbeurkundung mit 4,5 % jährlich zu verzinsende Restkaufpreis von 1.577.500 DM getilgt werden sollte. Zur Sicherung des Restkaufpreises nebst Zinsen hatte die Schuldnerin nach dem Vertrag vom der Beklagten eine Bankbürgschaft zu stellen. Dieser Verpflichtung konnte die Schuldnerin infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht genügen. Sie zahlte jedoch an die Beklagte 522.500 DM zur Ablösung ihrer kaufvertraglichen Pflicht, zwei Eigentumswohnungen zu übertragen. Außerdem erbrachte die Schuldnerin in Erfüllung und Ablösung kaufvertraglich übernommener Bauverpflichtungen der Beklagten an die Drittbegünstigte Zahlungen in Höhe von 212.610,20 DM sowie Bauleistungen. Ferner übereignete sie der Drittbegünstigten Grundstücke.
In einer Besprechung vom einigten sich die Schuldnerin und die Beklagte formlos dahin, als Ersatz für die Bürgschaft eine Grundschuld auf dem verkauften Grundbesitz an rangbereiter Stelle eintragen zu lassen. Daraufhin bestellte die Beklagte in notarieller Urkunde vom eine gegen die jeweiligen Eigentümer vollstreckbare Grundschuld von 1.600.000 DM nebst 4,5 % Zinsen jährlich seit dem . Das Grundbuchamt trug die Belastungen am in die 120 Grundbuchblätter des haftenden gebäudelosen Wohnungseigentums ein. Die Beklagte verzichtete am auch in notarieller Urkunde gegenüber der Schuldnerin auf die im Kaufvertrag ausbedungene Sicherung des Restkaufpreises durch Bürgschaftsübergabe und bestimmte hierfür im Einvernehmen mit der Schuldnerin nunmehr die am eingetragene Eigentümergrundschuld.
Am schrieb das Grundbuchamt die Wohnungsgrundbücher auf die Schuldnerin um. Am wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und der Kläger zum Verwalter ernannt.
Gegen die von der Beklagten aus dem dinglichen Titel nunmehr betriebene Zwangsversteigerung hat der Verwalter die Vollstreckungsabwehrklage erhoben und dazu den Standpunkt vertreten, die in der Urkunde vom bestellte Grundschuld sei anfechtbar. Während der ersten Instanz hat der Kläger die Anfechtung durch Schriftsatz vom auf den gesamten Grundstückskaufvertrag nebst Änderungsvereinbarungen erstreckt. Er hat behauptet, die Schuldnerin habe in Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehandelt und die Beklagte dies gewusst. Die bestellte Grundschuld sei eine inkongruente Deckung. Ohne die Vertragsänderung wäre der Grundstückskauf nicht durchgeführt, sondern die bisherigen Leistungen rückabgewickelt worden.
Die Instanzgerichte sind dieser Rechtsauffassung des Klägers gefolgt. Das Berufungsgericht hat die Beklagte verurteilt, die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld nur Zug um Zug gegen Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages fortzusetzen. Dagegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision, mit welcher die Beklagte ihren Antrag auf Klagabweisung weiterverfolgt.
Gründe
Die Revision und die Berufung der Beklagten sind begründet. Dem Kläger steht kein Recht zur Abwehr der Zwangsvollstreckung zu, welche die Beklagte aus ihrem dinglichen Titel in den belasteten Grundbesitz der Masse betreibt. Die Klage kann danach keinen Erfolg haben.
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, die vom Geschäftsführer der Schuldnerin am formlos zugestandene Änderung des Kaufvertrages mit Besicherung des gestundeten Kaufpreisteils durch die am eingetragene Grundschuld habe zu einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung geführt und sei nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO anfechtbar. Der zugrunde liegende Kaufvertrag sei für die Schuldnerin mangels Werthaltigkeit des angekauften Grundbesitzes wirtschaftlich nachteilig gewesen. Die Bestellung des Grundpfandrechts habe die Masse gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Restkaufpreissicherung durch Bankbürgschaft verkürzt. Einen etwaigen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung könne die Beklagte dem anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch nicht entgegenhalten.
II.
Diese Annahmen des Berufungsgerichts beruhen auf Rechtsirrtum. Die nach § 794 Abs. 1 Nr. 5, §§ 795, 767 ZPO zulässige Vollstreckungsabwehrklage ist unbegründet. Der Kläger ist nicht berechtigt, die vollstreckbare Grundschuld der Beklagten anfechtungsrechtlich zurückzuverlangen. Soweit überhaupt eine Rechtshandlung der Schuldnerin in Frage steht, fehlt es an einer - auch bei der Absichtsanfechtung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO vorausgesetzten - objektiven Gläubigerbenachteiligung.
1. Nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO anfechtbar ist die dingliche Bestellung der am eingetragenen Eigentümergrundschuld; denn es handelte sich um eine Verfügung der Beklagten, nicht um eine Rechtshandlung der Schuldnerin. Nur für Rechtshandlungen des Schuldners kommt die Absichts- oder Vorsatzanfechtung in Betracht (BGHZ 155, 75, 83; 162, 143, 152). Die Verwandlung der Eigentümergrundschuld in ein Fremdrecht durch die Eigentumsumschreibung beruhte ebenfalls nicht auf einer Rechtshandlung der Schuldnerin. Sie war vielmehr gesetzliche Folge der Eigentumsumschreibung, für die bereits der Grundbuchantrag der Beklagten genügte.
2. Die am formlos vereinbarte Änderung der Restkaufpreissicherung durch eine Grundschuld anstelle der vorher ausbedungenen Bankbürgschaft war zwar eine Rechtshandlung der Schuldnerin. Sie war nach erklärter Auflassung im Kaufvertrag auch nicht nach § 313 BGB a.F. beurkundungsbedürftig und deshalb wirksam (vgl. , NJW 1985, 266). Die Gläubigergesamtheit ist indes durch diese Rechtshandlung nicht benachteiligt worden. Eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger liegt vor, wenn die Insolvenzmasse durch die anfechtbare Rechtshandlung verkürzt wird, sich mithin die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die fragliche Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGHZ 124, 76, 78 f). Dabei genügt im Rahmen von § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO eine mittelbare Benachteiligung, bei welcher sich der Nachteil erst nach Abschluss der Rechtshandlung durch das Hinzutreten weiterer Umstände ergibt (BGHZ aaO S. 79).
a) Hätte die Schuldnerin in die Vertragsänderung vom nicht eingewilligt, so wäre die zusätzliche Belastung vom mit der ursprünglichen Eigentümergrundschuld der Beklagten ein Rechtsmangel gewesen. Der Schuldnerin hätten dann trotz Eintragung als Eigentümerin Ansprüche nach den §§ 434, 440 Abs. 1, § 326 BGB a.F. zustehen können, die aber derzeit an ihrer eigenen Vertragsuntreue, der unterbliebenen Bürgschaftsübergabe, scheiterten (vgl. , WM 1968, 1299, 1302; v. - V ZR 43/83, aaO S. 267; v. - V ZR 141/92, WM 1994, 215, 216).
Für den Kläger würde die Geltendmachung des Rechtsmangels in diesem Fall bedeutet haben, dass er gemäß § 9 GesO Erfüllung des beiderseits noch nicht vollständig erfüllten Grundstückskaufvertrages (vgl. Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 17 Rn. 87; MünchKomm-InsO/Huber § 103 Rn. 135) gewählt hätte. Die Masse hätte dann nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GesO (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO) die gesicherte Kaufpreisschuld gleichfalls erfüllen oder die vereinbarte Bürgschaft stellen müssen. Der Bürge hätte für den Rückgriff gegen den Kläger mutmaßlich Sicherheit verlangt. Die Masse hätte dann außerdem auch die von der Beklagten mit der Vertragsänderung vom übernommene Grunderwerbssteuer zu tragen gehabt. Es ist nicht erkennbar, dass die Masse damit im Ergebnis besser gestanden haben würde.
b) Hätte sich die Beklagte ohne die Zustimmung der Schuldnerin zur Vertragsänderung keine Eigentümergrundschuld bestellt, so wäre der Notar auf Grund der ihm erteilten Weisung gemäß § 5 Abs. 4 dritter Spiegelstrich des Grundstückskaufvertrages vom wegen Nichtvorlage der Bürgschaft verpflichtet gewesen, den Grundbuchantrag zur Eintragung der Schuldnerin zurückzustellen. Dies hätte den Anspruch der Schuldnerin auf Eigentumsverschaffung unberührt gelassen.
Für den Kläger hätte die Verfolgung dieses Anspruchs gegen die Beklagte im Stande der beiderseits unvollständigen Vertragserfüllung vom ebenfalls die Erfüllungswahl nach § 9 GesO bedeutet mit den in § 13 Abs. 1 Nr. 1 GesO (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO) bezeichneten Folgen.
Hätte der Kläger hier von der Erfüllungswahl abgesehen, so wäre der Restkaufpreisanspruch der Beklagten zwar nur einfache Gesamtvollstreckungsforderung gewesen. Die Masse hätte aber auch den gekauften Grundbesitz mit den Belastungen, wie sie vor dem bestanden, nicht erlangt. Der Kläger kann nicht verlangen, im Wege der Anfechtung so gestellt zu werden, als hätte die Beklagte ihre Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB) verloren. Denn diese bleibt dem Vertragspartner des Schuldners auch nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens erhalten (vgl. BGHZ 150, 353, 359; Jaeger/Henckel, aaO § 17 Rn. 6; MünchKomm-InsO/Kreft § 103 Rn. 17). Das Grundstückseigentum hätte mit dem Wertüberschuss des vertragsmäßigen Belastungsstandes vor der Änderung vom infolgedessen den Gesamtvollstreckungsgläubigern auch dann keine Zugriffsmöglichkeit geboten. Der Kläger hätte ferner die bereits erbrachten Leistungen der Schuldnerin trotz Ablehnung der Erfüllung nicht unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zur Masse zurückverlangen können; denn der Grundstückskaufvertrag blieb in der Lage vom Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bestehen (vgl. Motive der Konkursordnung, Reichstags-Drucks. II/200 Anlage S. 91 zu § 21 des Entwurfes; siehe außerdem BGHZ aaO).
c) Hätte die Beklagte sich veranlasst gesehen, wegen Nichtvorlage der Bürgschaft der Schuldnerin eine Nachfrist zu setzen und gemäß § 326 BGB a.F. Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, so hätte sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht die Frage gestellt, ob dieser Schadensersatzanspruch entsprechend § 38 KO gegen die Pflicht zur anfechtungsrechtlichen Rückgewähr eingewendet werden konnte, sondern die Vorfrage, ob die Anfechtung der Vertragsänderung trotz der Gefahr solcher Folgen überhaupt in Betracht kam. Dies ist zu verneinen.
Haftete die Schuldnerin der Beklagten auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Grundstückskaufvertrages vom , so konnte die Schuldnerin den wirtschaftlichen Nachteilen dieses Rechtsgeschäfts infolge des überhöhten Kaufpreises nicht entgehen. Die Beklagte hatte im Rahmen ihres Erfüllungsinteresses Anspruch auf den Gewinn. Nur wenn die Beklagte diesen Gewinn durch Erklärung des angedrohten Rücktritts vom Vertrag preisgegeben hätte, stand die Schuldnerin besser, wenn sie den Vertrag scheitern ließ.
Eine tatsächliche Feststellung, dass ohne Zustimmung der Schuldnerin zur Vertragsänderung die Beklagte den für sie ungünstigeren Rücktritt vom Vertrag erklärt hätte, hat das Berufungsgericht aber nicht getroffen. Es rechnet auch mit der Möglichkeit, dass die Beklagte, wie sie behauptet hat, vor Abgabe einer gestaltenden Erklärung anwaltlichen Rat eingeholt und sich dann für den Schadensersatzanspruch entschieden haben würde.
Ergänzender Aufklärung dieses Punktes bedarf es nicht. Ohnehin kann aus dem nur hypothetischen Rücktritt der Beklagten vom Kaufvertrag für den Fall, dass die vom Kläger beanstandete Vertragsänderung unterblieben wäre, nicht hergeleitet werden, die angefochtene Mitwirkung der Schuldnerin an dieser Änderung habe objektiv ihre Gläubiger benachteiligt. So, wie nur gedachte Geschehensabläufe die Ursächlichkeit einer Rechtshandlung für die Benachteiligung der Konkurs-, Gesamtvollstreckungs- oder Insolvenzgläubiger grundsätzlich nicht ausschließen (vgl. BGHZ 104, 355, 360; 123, 320, 325 f; 159, 397, 401; , NJW 2002, 1574, 1576 unter II. 2b; v. - IX ZR 263/03, WM 2005, 1712, 1714; v. - IX ZR 184/04, WM 2005, 2193, 2194 unter II. 2. b, cc), vermögen sie im Regelfall die Ursächlichkeit einer Rechtshandlung des Schuldners für die Benachteiligung seiner Gläubiger auch nicht zu begründen. Für eine abweichende Wertung gibt der Streitfall keinen Anhalt.
III.
Das Berufungsurteil erweist sich nicht unter anderem rechtlichen Gesichtspunkt als richtig (§ 561 ZPO). Insoweit kann offen bleiben, ob im tatsächlichen Verlauf der Änderung und Abwicklung des Grundstückskaufvertrages vom zur Zeit der Verfahrenseröffnung am ein beiderseits nicht vollständig erfüllter Vertrag vorlag. Voraussetzung hierfür wäre, dass die Verpflichtung der Beklagten zur Rückgabe ihrer Restkaufgeldsicherungsgrundschuld noch zur kaufvertraglichen Eigentumsverschaffung gehörte und nicht Teil eines verselbständigten Kreditgeschäfts war. Wäre danach im Streitfall von einer Ablehnung der Erfüllung durch den Kläger und einer nicht bevorrechtigten Restkaufpreisforderung der Beklagten auszugehen, könnte sie gleichwohl aus ihrem durch die vollstreckbare Grundschuld begründeten Absonderungsrecht in der Gesamtvollstreckung über das Vermögen der Schuldnerin Befriedigung suchen (vgl. § 26 Satz 2 KO).
IV.
Die Urteile der Vorinstanzen sind somit aufzuheben und die spruchreife Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 563 Abs. 3 ZPO abzuweisen.
Die Kosten sämtlicher Instanzen fallen nach § 91 ZPO dem Kläger zur Last.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 1273 Nr. 18
WM 2007 S. 1133 Nr. 24
ZIP 2007 S. 1164 Nr. 24
XAAAC-46766
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja