Leitsatz
[1] Die Betriebsparteien können den Anspruch auf eine Sozialplanabfindung im Falle einer vom Arbeitgeber veranlassten Eigenkündigung des Arbeitnehmers an die Voraussetzung knüpfen, dass dem Arbeitnehmer zuvor ein - unzumutbares - Arbeitsplatzangebot gemacht wurde.
Gesetze: BetrVG § 112 Abs. 1 Satz 2; BetrVG § 75 Abs. 1 Satz 1
Instanzenzug: ArbG München 7 Ca 6572/04 vom LAG München 5 Sa 383/05 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan.
Der am geborene Kläger war vom bis zum auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin, der W S VersicherungsGesellschaft, zuletzt im Servicezentrum M zu einem Bruttomonatseinkommen von 2.808,02 Euro beschäftigt.
Die Unternehmen der W-Gruppe, zu denen auch die Beklagte zählte, bildeten jedenfalls ab 1995 mit den Unternehmen der D-Gruppe unter dem Dach einer Holding einen Konzern. Vor dem Hintergrund von Umstrukturierungen und strategischer Neuausrichtung vereinbarte die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat am einen "Rahmeninteressenausgleich". Dieser enthält ua. folgende Regelungen:
"1. Geltungsbereich
Dieser Rahmeninteressenausgleich gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ... wegen der Maßnahmen im Zusammenhang mit der strategischen Neuausrichtung der Unternehmen. ...
2. Ziele und Strukturen
Kern der strategischen Neuausrichtung sind die weitere Umsetzung der Bildung von Geschäftsfeldern (Zielgruppen) ... sowie die Nutzung von Synergien ... Der Gesamtbetriebsrat nimmt dabei zur Kenntnis, dass damit eine Reduzierung von Arbeitsplätzen verbunden ist.
Kernelemente der strategischen Neuausrichtung sind die höhere Kundenorientierung und ein konsequentes Kostenmanagement mit folgenden Elementen:
Kundenorientierte Organisation
Neuer Marktauftritt
Opera/Kosten
Kompass
Profit Center Organisation
..."
Nach Nr. 7 des Rahmeninteressenausgleichs gilt zur Vermeidung oder Milderung möglicher wirtschaftlicher Nachteile der "mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossene ... Sozialplan vom heutigen Tage". Der Sozialplan vom enthält ua. folgende Regelungen:
"§ 2 Geltungsbereich
Dieser Sozialplan findet Anwendung auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, soweit diese ab in einem ungekündigten und unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden haben.
...
§ 3 Nachteilsausgleich
1. Allgemeine Anspruchsvoraussetzungen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis infolge der im Rahmeninteressenausgleich vom heutigen Tage genannten unternehmerischen Maßnahmen endet, sei es durch arbeitgeberseitige (Änderungs-)Kündigung, einen arbeitgeberseitig veranlassten Aufhebungsvertrag oder durch Eigenkündigung nach Erhalt eines Angebots eines unzumutbaren Arbeitsplatzes, erhalten Leistungen, deren Höhe sich entsprechend nachfolgenden Regelungen ermittelt.
Gleichermaßen anspruchsberechtigt sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte Beendigungs-/Änderungs-Kündigung endet, auch wenn der Beendigungsgrund nicht im Zusammenhang mit den im Rahmeninteressenausgleich genannten unternehmerischen Maßnahmen steht.
...
§ 4 Entfallen der Abfindung bei zumutbarem Arbeitsplatzangebot
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Angebot eines zumutbaren neuen Arbeitsplatzes nicht annehmen und deren Arbeitsverhältnis deshalb endet, haben keinen Anspruch auf Leistungen gemäß § 3.
Ein neuer Arbeitsplatz ist zumutbar, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
...
3. Regionale Zumutbarkeit
Die Entfernung zwischen bisherigem und neuem Arbeitsort darf höchstens 50 km betragen.
...
4. Formelle Zumutbarkeit
Diese ist gegeben, wenn die Unternehmen ein schriftliches Angebot für einen neuen Arbeitsplatz unterbreitet haben, in dem
- die von dem Stelleninhaber zu erfüllenden Aufgaben,
- die gestellten besonderen Anforderungen,
- die betriebliche Stellung,
- die wesentlichen Arbeitsumstände,
- die für den angebotenen Arbeitsplatz vorgesehene Vergütung sowie die vorgesehene tarifliche Eingruppierung
angegeben werden.
...
§ 11 Inkrafttreten und Dauer
Dieser Sozialplan tritt mit seiner Unterzeichnung in Kraft. Er ist erstmals zum kündbar."
Auf einer Informationsveranstaltung am 26. und teilte die Beklagte den Arbeitnehmern des Servicezentrums M mit, dieses solle zum geschlossen werden; seine Aufgaben würden auf die Zentren H, K und W verlagert. Den Mitarbeitern wurde eine Weiterbeschäftigung in einem dieser Zentren zugesagt. In einem an alle Mitarbeiter des Servicezentrums gerichteten Schreiben vom erläuterte die Beklagte die personellen Auswirkungen der geplanten Maßnahmen. In dem Schreiben heißt es:
"Welche Mitarbeiter von welchen personellen Maßnahmen zu welchem Zeitpunkt persönlich betroffen sein werden, hängt auch vom Ergebnis unserer noch bevorstehenden Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat ... ab. ... Nach unseren Planungen sollen zum sämtliche Arbeiten des Servicezentrums auf die anderen Standorte verlagert sein. Dies wird nicht auf einmal, sondern nur sukzessive möglich sein. ... Dies müssen wir u.a. dadurch steuern, dass wir die Zeitpunkte des Wechsels von Mitarbeitern an andere Standorte selbst bestimmen. (Wir weisen darauf hin), dass ein Wechsel eines Mitarbeiters vor dem von uns bestimmten Zeitpunkt nicht in unserem Interesse wäre und daher zum Verlust der Ansprüche aus dem Sozialplan führen würde."
Mit Schreiben vom bat der Kläger um Aufhebung seines Arbeitsvertrags zum . Mit Schreiben vom selben Tag teilte ihm die Beklagte mit, sie habe zurzeit keinen Grund, ihm einen Aufhebungsvertrag anzubieten, und brauche ihn, um ihren Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu können. Daraufhin kündigte der Kläger mit Schreiben vom sein Arbeitsverhältnis zum . Die Beklagte bestätigte mit Schreiben vom den Eingang des Kündigungsschreibens und nahm die Beendigung zum zur Kenntnis.
Am schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat einen Teilinteressenausgleich "Opera" ua. hinsichtlich der Schließung des Servicezentrums M.
Mit der am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Zahlung einer Abfindung iHv. 19.572,56 Euro nebst Zinsen verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, sein Arbeitsverhältnis sei auf Grund arbeitgeberseitig veranlasster Eigenkündigung beendet worden. Die Beklagte habe mit den auf der Informationsveranstaltung vom 26./ gemachten Zusagen einer Weiterbeschäftigung auch bereits einen unzumutbaren Arbeitsplatz angeboten. Ein weiteres Angebot habe er nicht abwarten müssen. Die in Betracht kommenden Arbeitsplätze seien angesichts der Entfernung von weit mehr als 50 km alle unzumutbar gewesen. Im Übrigen verstoße der Sozialplan, soweit er einen Abfindungsanspruch im Falle einer Eigenkündigung anders als beim Aufhebungsvertrag zusätzlich von dem Erhalt eines unzumutbaren Arbeitsplatzes abhängig mache, gegen den nach § 75 BetrVG zu beachtenden Gleichbehandlungsgrundsatz.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, 19.572,56 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 4 % seit dem zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen. Ein Abfindungsanspruch des Klägers sei nicht entstanden. Im Falle einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers sei nach dem Sozialplan das vorherige Angebot eines unzumutbaren Arbeitsplatzes notwendige Anspruchsvoraussetzung. Daran fehle es. Außerdem sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht von ihr veranlasst; sie habe vielmehr durch die Ablehnung des Aufhebungsvertrags deutlich gemacht, eine Vertragsbeendigung zu diesem Zeitpunkt nicht zu wollen. Sie habe auf Grund des weiteren Beschäftigungsbedarfs einen sachlichen Grund für diese Ablehnung gehabt. Zumindest sei ein entstandener Abfindungsanspruch nach § 24 ihres Haustarifvertrags (MTV) wegen Versäumung der darin geregelten Ausschlussfrist verfallen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Klage weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen habe die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Abfindungsanspruch nach § 3 Nr. 1 des Sozialplans. Sein Arbeitsverhältnis hat durch keinen der in dieser Bestimmung genannten Tatbestände geendet. Der Beklagten ist es nicht verwehrt, sich hierauf zu berufen.
I. Nach § 3 Nr. 1 des Sozialplans entsteht im Falle einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers ein Abfindungsanspruch erst, wenn ihm der Arbeitgeber zuvor einen unzumutbaren Arbeitsplatz angeboten hat. Diese Regelung ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen den auch für Betriebsparteien geltenden Gleichbehandlungsgrundsatz.
1. Die Betriebsparteien haben bei Sozialplänen - wie auch sonst bei Betriebsvereinbarungen - den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu beachten, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Dieser zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrunds ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (vgl. - BAGE 114, 179, zu 3 a der Gründe; - 1 AZR 254/04 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 175 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 14, zu II 1 b aa der Gründe, auch zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen). Macht ein Sozialplan den Anspruch auf die Sozialplanabfindung allein von der rechtlichen Beendigungsform des Arbeitsverhältnisses abhängig, ohne auf den Beendigungsgrund abzustellen, erfolgt eine Gruppenbildung, welche die Anwendung des Gleichheitssatzes ermöglicht und gebietet. So entspricht es ständiger Senatsrechtsprechung, dass Arbeitnehmer, die auf Grund eines vom Arbeitgeber veranlassten Aufhebungsvertrags oder einer von ihm veranlassten Eigenkündigung ausscheiden, grundsätzlich mit denjenigen gleich zu behandeln sind, deren Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber gekündigt wird ( - 1 AZR 503/03 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 171 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 11, zu I 2 a der Gründe mwN). Ursache für das Ausscheiden muss die vom Arbeitgeber vorgenommene Betriebsänderung sein. Dies ist sie auch dann, wenn der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung die berechtigte Annahme hervorgerufen hat, mit der eigenen Initiative zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses komme er einer sonst notwendig werdenden betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers nur zuvor ( - BAGE 107, 100 = AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 160 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 7, zu II 2 der Gründe mwN).
2. Die Betriebsparteien haben den Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet. Sie haben durch die für den Fall der Eigenkündigung vorgesehene zusätzliche Anspruchsvoraussetzung des vorherigen Erhalts eines unzumutbaren Arbeitsplatzangebots zwar innerhalb dieses Kreises von Arbeitnehmern eine weitere Gruppenbildung vorgenommen. Die damit verbundene Ungleichbehandlung ist aber sachlich gerechtfertigt.
a) Arbeitnehmer, welche auf Veranlassung des Arbeitgebers eine Eigenkündigung vor Erhalt eines unzumutbaren Änderungsangebots aussprechen, werden hinsichtlich der Sozialplanabfindung schlechter behandelt als diejenigen, die in derselben Situation vom Arbeitgeber gekündigt werden oder mit ihm einen Aufhebungsvertrag schließen.
b) Diese Ungleichbehandlung ist nach Sinn und Zweck des Sozialplans sachlich gerechtfertigt. Die zusätzliche Anspruchsvoraussetzung hat dabei eine mehrfache Funktion:
aa) Zum einen soll das Entstehen eines Abfindungsanspruchs in den Fällen verhindert werden, in denen der Verlust des Arbeitsplatzes dadurch vermieden werden kann, dass dem Arbeitnehmer ein zumutbarer anderer Arbeitsplatz angeboten wird. Der Wegfall des Abfindungsanspruchs bei Ablehnung eines zumutbaren Arbeitsplatzangebots ist in § 4 Abs. 1 des Sozialplans ausdrücklich geregelt. In § 3 Nr. 1 des Sozialplans wird - zugunsten des selbst kündigenden Arbeitnehmers - typisierend unterstellt, dass das Angebot eines zumutbaren Arbeitsplatzes nicht (mehr) möglich ist, wenn dem Arbeitnehmer bereits ein unzumutbares Angebot gemacht worden ist. Bereits dieser Zweck ist grundsätzlich geeignet, die zusätzliche Anspruchsvoraussetzung im Falle der Eigenkündigung des Arbeitnehmers zu rechtfertigen. Es entspricht Sinn und Zweck eines Sozialplans, Abfindungsansprüche dann auszuschließen, wenn der Verlust des Arbeitsplatzes vermieden werden kann. Dieser mit der zusätzlichen Anspruchsvoraussetzung verfolgte Zweck entfällt allerdings in den Fällen, in denen zur Zeit der Eigenkündigung des Arbeitnehmers bereits feststeht, dass ihm ein zumutbares Arbeitsplatzangebot gar nicht unterbreitet werden kann. In einem solchen Fall lässt sich mit diesem Zweck die Versagung des Abfindungsanspruchs nicht rechtfertigen (vgl. hierzu auch - EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 6, zu II 2 b cc der Gründe). Das Landesarbeitsgericht hat zuverlässige Feststellungen darüber, ob zum Zeitpunkt der Eigenkündigung des Klägers feststand, dass ihm ein zumutbarer Arbeitsplatz nicht würde angeboten werden können, nicht getroffen. Dies kann jedoch dahinstehen, da jedenfalls der weitere mit der zusätzlichen Anspruchsvoraussetzung verbundene Zweck die Differenzierung rechtfertigt.
bb) Die zusätzliche Anspruchsvoraussetzung ist auch Ausdruck der Beurteilung der Betriebsparteien, dass bei Arbeitnehmern, die ohne Einverständnis des Arbeitgebers und ohne das Angebot eines - ggf. auch weiter entfernten - Arbeitsplatzes abzuwarten, ihr Arbeitsverhältnis vorzeitig kündigen, davon ausgegangen werden kann, dass sie bereits eine neue zumutbare Arbeitsstelle gefunden haben und damit keine oder nur geringe wirtschaftliche Nachteile erleiden (vgl. - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 85 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 78, zu II 2 b der Gründe). Das rechtfertigt es, in diesen Fällen eine geringere Abfindung oder auch den vollständigen Ausschluss eines Abfindungsanspruchs vorzusehen. Zweck eines Sozialplans ist es gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder abzumildern (vgl. etwa - BAGE 103, 321 = AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 159 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 3, zu III 1 der Gründe mwN). Bei deren Einschätzung haben die Betriebsparteien einen erheblichen Beurteilungs- und Ermessensspielraum (vgl. etwa -BAGE 111, 335, zu III 2 c aa der Gründe mwN). Dementsprechend durften sie vorliegend die typisierende Beurteilung vornehmen, dass den selbst "vorzeitig" kündigenden Arbeitnehmer durch die Betriebsänderung keine oder sehr viel geringere wirtschaftliche Nachteile drohen als den anderen Arbeitnehmern. Dem steht nicht entgegen, dass auch Arbeitnehmer, die einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben, wirtschaftliche Nachteile erleiden können (vgl. etwa - BAGE 107, 100, zu II 3 der Gründe mwN). Es liegt im Ermessen der Betriebsparteien, inwieweit sie auch diese Nachteile ausgleichen wollen.
cc) Ob durch die zusätzliche Anspruchsvoraussetzung auch ein Anreiz für die Arbeitnehmer geschaffen werden sollte, ihr Arbeitsverhältnis nicht ohne Einverständnis des Arbeitgebers vor dem aus betrieblicher Sicht gebotenen Beendigungstermin zu beenden, kann dahinstehen. In einem solchen Fall hätte es der Arbeitgeber in der Hand, eine den betrieblichen Interessen zuwiderlaufende Eigenkündigung des Arbeitnehmers durch den damit verbundenen Verlust des Abfindungsanspruchs zu erschweren. Der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat dieses Interesse des Arbeitgebers an der geordneten Weiterführung des Betriebs bis zu dessen Schließung wiederholt als Rechtfertigungsgrund für die Versagung eines Abfindungsanspruchs im Falle "vorzeitiger" Eigenkündigung des Arbeitnehmers anerkannt (vgl. - 10 AZR 281/94 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 85 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 78, zu II 2 a der Gründe; - 10 AZR 885/94 - BAGE 80, 286, zu III 3 a der Gründe; - 10 AZR 100/95 -, zu II 2 d der Gründe). Der vorliegende Fall erfordert keine Entscheidung, ob nach dem Zweck eines Sozialplans ein solches betriebliches Interesse die Differenzierung rechtfertigt.
II. Der Kläger hat ein Angebot iSv. § 3 Nr. 1 des Sozialplans nicht erhalten.
1. Wie die Auslegung der Bestimmung ergibt, setzt sie ein hinreichend bestimmtes Vertragsangebot voraus. Das allgemeine Inaussichtstellen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit genügt nicht.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Sozialpläne als Betriebsvereinbarungen besonderer Art wegen ihrer aus § 77 Abs. 4 Satz 1, § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG folgenden normativen Wirkung wie Tarifverträge auszulegen. Auszugehen ist dementsprechend zunächst vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner der Sinn und Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt ( - 1 AZR 458/04 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 176, zu B II 1 der Gründe mwN).
b) Die an diesen Grundsätzen orientierte Auslegung ergibt, dass ein Angebot iSd. § 3 Nr. 1 des Sozialplans so bestimmt sein muss, dass es mit einem einfachen "Ja" angenommen werden kann. Bereits der Wortlaut der Regelung lässt darauf schließen, dass die Betriebsparteien den Begriff Angebot im Sinne des juristischen Sprachgebrauchs und damit iSv. § 145 BGB verwandt haben. Dies folgt auch aus dem systematischen Zusammenhang. In § 4 Nr. 4 des Sozialplans haben die Betriebsparteien definiert, welche Voraussetzungen ein Angebot formal erfüllen muss, um zumutbar zu sein. Hierzu zählen die Schriftform und konkrete Inhaltsangaben zum neuen Arbeitsplatz. Ein solches Verständnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung. Die Zumutbarkeit eines Arbeitsplatzangebots kann jedenfalls vollständig nur geprüft werden, wenn es konkret ist und sich auf einen bestimmten Arbeitsplatz bezieht.
2. Hiernach war die auf der Informationsveranstaltung vom 26./ allen Mitarbeitern gegebene Zusage einer Weiterbeschäftigung entgegen der Auffassung des Klägers kein Angebot iSv. § 3 Nr. 1 des Sozialplans. In dieser Veranstaltung wurde dem Kläger kein bestimmter Arbeitsplatz angeboten. Die in § 4 Nr. 4 des Sozialplans beschriebenen formellen Voraussetzungen eines solchen Angebots waren nicht ansatzweise erfüllt. Im Übrigen wurde auch durch das Schreiben der Beklagten vom
nochmals deutlich, dass von konkreten Angeboten zur Weiterbeschäftigung bis dahin noch nicht gesprochen werden konnte. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht etwa aus den Ausführungen des Senats im Urteil vom (- 1 AZR 169/02 - EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 6). Der vom Kläger hierzu angeführte Satz aus dem Urteil vom - "Das von der Beklagten unterbreitete Weiterbeschäftigungsangebot hätte den Kläger deshalb nach § 3 Nr. 1 des Sozialplans zu einer mit Abfindungsansprüchen verbundenen Eigenkündigung berechtigt" (aaO, zu II 2 b bb der Gründe) - bedeutet, wie sich jedenfalls aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe eindeutig ergibt, nicht, dass der Senat bereits die generelle Zusage auf der Informationsveranstaltung als konkretes Angebot iSv. § 3 Nr. 1 des Sozialplans angesehen hätte. Der Senat hat im Urteil vom weiter ausgeführt: "Der Kläger musste auch nicht zuwarten, bis ihm ein unzumutbares Angebot konkret unterbreitet würde. Weil alle Arbeitsplatzangebote, die die Beklagte auf der Informationsveranstaltung als sicher in Aussicht gestellt hatte, unzumutbar waren, konnte er nicht annehmen, dass ihm bei weiterem Zuwarten möglicherweise doch noch ein zumutbarer Arbeitsplatz angeboten würde" (aaO, zu II 2 b cc der Gründe). Dies zeigt, dass der Senat nicht davon ausgegangen ist, es liege bereits ein Angebot iSv. § 3 Nr. 1 des Sozialplans vor. Im Übrigen ging es im Urteil vom nicht um die Frage, wie lange ein Arbeitnehmer mit einer Eigenkündigung warten muss, um nicht des Abfindungsanspruchs verlustig zu gehen, sondern darum, ob der dort geschlossene Aufhebungsvertrag durch die Beklagte veranlasst war.
III. Der Beklagten ist es nicht etwa nach Treu und Glauben verwehrt, sich darauf zu berufen, dass der Kläger "vorzeitig" gekündigt und ein Arbeitsplatzangebot nicht abgewartet hat. Sie war auch nicht verpflichtet, dem Wunsch des Klägers nach dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu entsprechen. Ihre Ablehnung entsprang nicht unsachlichen Beweggründen, sondern entsprach ihrem berechtigten Interesse daran, das Kundenzentrum M bis zu dessen Schließung geordnet weiterzuführen.
IV. Auf die Frage der Anwendbarkeit der Verfallfrist des § 24 MTV kam es nicht an.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2007 S. 1315 Nr. 23
ZIP 2007 S. 1075 Nr. 22
UAAAC-46297
1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein