BFH Beschluss v. - VIII B 110/06

Inhaltliche Bestimmtheit von Steuerbescheiden; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung; kein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot

Gesetze: AO § 119; AO § 157; AO § 38; FGO § 115 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 132 FGO).

Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hinsichtlich der Rechtsfrage geltend macht, ob zu den Mindestanforderungen an die Bestimmtheit eines Steuerbescheides Angaben gehörten, die das den Besteuerungsgrundlagen zugrunde liegende Zahlenmaterial und dessen Zusammensetzung erläuterten, ist die Rüge jedenfalls unbegründet.

Die Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative (Rechtsfortbildung) und § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt worden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass das Gebot hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit von Steuerbescheiden (§ 157 Abs. 1 Satz 2, § 119 Abs. 1 der AbgabenordnungAO—) gebietet, dass der Regelungsinhalt aus dem Verwaltungsakt eindeutig und exakt entnommen werden kann. Das Erfordernis inhaltlicher Bestimmtheit des Steuerbescheides soll u.a. sicherstellen, dass für den Betroffenen erkennbar ist, welcher Sachverhalt besteuert wird und damit das Entstehen der Steuerschuld, ggf. auch das Eingreifen von Steuerbefreiungen und -vergünstigungen sowie der Verjährung ohne weiteres festzustellen ist (, BFH/NV 1995, 489).

Welche Anforderungen in dieser Hinsicht an den jeweiligen Steuerbescheid zu stellen sind, hängt indes nach ständiger Rechtsprechung des BFH von den Umständen des Einzelfalles ab (so BFH-Beschlüsse vom VII B 18/05, BFH/NV 2006, 902; vom X B 52/05, Steuer-Eildienst 2005, 2157; in BFH/NV 1995, 489). Dies hat zum einen zur Folge, dass die an die Bestimmtheit von Steuerbescheiden (oder bestimmte Arten von Steuerbescheiden) im Einzelnen und konkret zu stellenden Anforderungen regelmäßig nicht allgemein festgestellt werden können. Zum anderen führt diese Einzelfallbezogenheit dazu, dass Rechtsfragen in diesem Zusammenhang nur selten über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung haben werden. Mithin ist es auch nicht möglich, allgemeine Grundsätze aufzustellen, die die Frage nach dem Bestimmtheitserfordernis eines Verwaltungsaktes für eine Sachverhaltskonstellation generell und abstrakt nach allgemeinen, für alle einschlägigen Steuerbescheide gleichermaßen geltenden Kriterien beantworten. Aus den von der Klägerin zitierten BFH-Entscheidungen folgt nichts anderes.

Bereits im Urteil vom II R 90/75 (BFHE 130, 74, BStBl II 1980, 316, eingeschränkt durch , BFHE 139, 432, BStBl II 1984, 140) hat der BFH verdeutlicht, dass für den Bereich der Verkehrsteuern grundsätzlich die einzelne Steuerschuld bestimmt sein müsse und die Steuerschuld anders als bei den Veranlagungssteuern, um die es im vorliegenden Streitfall geht, nicht erst mit Ablauf eines bestimmten Zeitraums (vgl. z.B. § 36 Abs. 1 des EinkommensteuergesetzesEStG—) bzw. zu einem bestimmten Stichtag (vgl. § 5 Abs. 2, § 15 Abs. 1 des VermögensteuergesetzesVStG—) entsteht, sondern jeweils mit der Verwirklichung des Tatbestandes, an den das Gesetz die Steuer knüpft (§ 38 AO). Dies trifft sowohl für die Gesellschaftsteuer (§ 2 Nr. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes —KVStG—, dazu BFH-Urteil in BFHE 130, 74, BStBl II 1980, 316) als auch für die an einzelne Rechtsvorgänge anknüpfende Grunderwerbsteuer zu (vgl. dazu , BFH/NV 2001, 1377, m.w.N.) und die auch von der Klägerin zitierten weiteren BFH-Entscheidungen.

Das weitere, von der Klägerin angeführte (BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220) betrifft die Begründungsanforderungen an eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO und die weitere Frage, ob die erlassene Prüfungsanordnung in jenem Fall rechtmäßig bzw. rechtswidrig, nicht indes nichtig wegen mangelnder Bestimmtheit i.S. von § 119 Abs. 1 AO war.

2. Rechtsfortbildung

a) Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts ist insbesondere in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Erforderlich ist eine Entscheidung des BFH nur dann, wenn die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt und die Frage nach dem „ob” und ggf. „wie” der Rechtsfortbildung klärungsbedürftig ist. Es gelten insoweit die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO höchstrichterlich entwickelten strengen Darlegungsanforderungen. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen. Es reicht weder —für sich allein— aus, dass die Rechtsfrage bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden ist, noch genügt die Behauptung, das Finanzgericht (FG) habe sachlich unrichtig entschieden (, BFH/NV 2006, 1256).

b) In der Rechtsprechung (vgl. u.a. , BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328, m.umf.N.) ist geklärt, dass ein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt worden sind, im Besteuerungsverfahren nicht besteht. Der BFH hat dies auch für den Fall einer unterlassenen Belehrung nach § 393 Abs. 1 Satz 4 AO angenommen. In dieser Entscheidung hat er allerdings offengelassen, wie bei einer Verletzung des § 136a der Strafprozessordnung (StPO) zu entscheiden wäre und ob insoweit die Grundsätze des § 136a StPO entsprechend anzuwenden sind.

Indes würde sich in einem künftigen Revisionsverfahren diese Frage nicht stellen. Sie wäre nicht klärbar, denn das FG hat für den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt (S. 10 des Urteils), dass nach dem Vortrag im Klageverfahren und nach dem Inhalt der Akten die Schwelle des § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO nicht überschritten worden sei. Zulässige und begründete Verfahrensrügen hat die Klägerin innerhalb der Beschwerdefrist gegen diese Feststellung nicht erhoben (§ 118 Abs. 2 2. Halbsatz FGO).

3. Verfahrensmangel

a) Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf Verfahrensmängel gestützt, so bedarf es hierfür eines Vortrags der Tatsachen, die den gerügten Verfahrensmangel schlüssig ergeben. Außerdem muss dargelegt werden, dass die angefochtene Entscheidung —ausgehend von der insoweit maßgebenden, ggf. auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des FG— auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann (, BFH/NV 2006, 2122, m.w.N.).

b) Die Klägerin wendet sich nach dem Inhalt ihres Vorbringens gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Damit macht sie indes keine Verfahrensfehler, sondern allenfalls einen materiellen Rechtsfehler geltend, der nicht zur Zulassung der Revision führt (BFH-Beschlüsse vom VIII B 7/04, BFH/NV 2006, 914; vom II B 9/04, BFH/NV 2006, 24).

Darüber hinaus führt das FG aus, dass die Steuerfahndung von Anfang an sowohl im Besteuerungs- als auch im Steuerstrafverfahren nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AO tätig geworden sei.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1273 Nr. 7
YAAAC-45785