Anforderungen an die gerichtliche Verfolgung des Anspruchs gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV in sog. "Bestattungsfällen"
Gesetze: MinöStV § 53 Abs. 1 Nr. 3
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) belieferte eine GmbH regelmäßig mit Kraftstoffen. Nach erfolgten Rücklastschriften kündigte die Klägerin die mit der GmbH getroffene Vereinbarung. Zahlungsaufforderungen blieben ohne Erfolg. Daraufhin erwirkte die Klägerin den Erlass eines Mahnbescheides und danach den Erlass eines Vollstreckungsbescheides. Nachdem sich aufgrund der Verlegung des Geschäftssitzes der GmbH ein Vollstreckungsversuch unter der bisherigen Adresse als erfolglos erwies, stellte die Klägerin die Zwangsvollstreckung ein. Etwa zwei Monate später teilte das Amtsgericht L dem Bevollmächtigten der Klägerin den Namen des neuen Alleingesellschafters und Geschäftsführers und dessen Anschrift in Spanien mit. Weitere Maßnahmen ergriff die Klägerin jedoch nicht.
Ihren Antrag auf Vergütung der ausgefallenen Mineralölsteuer nach § 53 Abs. 1 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStV) lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt) mit der Begründung ab, dass die Zahlungsunfähigkeit des Warenempfängers nicht nachgewiesen sei und dass die Klägerin die Möglichkeit nicht genutzt habe, die Forderung auch gegenüber dem neuen Geschäftsführer weiter zu verfolgen. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Klägerin ihren Anspruch nicht hinreichend nachhaltig verfolgt habe. Zunächst habe die Klägerin zwar alles richtig gemacht, es dann aber unterlassen, weitere Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen. Insbesondere hätte sie sich an den ihr bekannt gewordenen neuen Geschäftsführer der GmbH wenden und um Auskunft über den aktuellen Geschäftssitz der GmbH bitten müssen.
Mit ihrer gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG gerichtete Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) und zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Der Rechtsstreit werfe die Frage auf, ob das Tatbestandsmerkmal der „gerichtlichen Verfolgung des Anspruchs” gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV verlange, dass der Verkäufer auch in einem sog. Bestattungsfall (die insolvenzreife GmbH gibt ihre Geschäftsadresse auf, Gesellschafter und Geschäftsführer werden ausgewechselt, der neue Alleingesellschafter-Geschäftsführer hat seinen Wohnsitz im Ausland) nach dem Fehlschlagen der Zwangsvollstreckung unter der bisherigen Geschäftsadresse noch weitere Maßnahmen ergreift, insbesondere den neuen Alleingesellschafter-Geschäftsführer mit Wohnsitz im Ausland um Auskunft hinsichtlich einer aktuellen Geschäftsadresse ersucht. Firmenbestattungen seien zu einem „Massenphänomen” geworden, dem der Gesetzgeber mit einer Änderung des GmbH-Rechts begegnen wolle. Im Streitfall handle es sich um einen solchen Bestattungsfall. Bisher habe der Bundesfinanzhof (BFH) noch keine Leitlinien für die in solchen Bestattungsfällen zu ergreifenden Vollstreckungsmaßnahmen aufgestellt. Der Streitfall eigne sich dazu, dem Mineralölhandel und der Finanzverwaltung entsprechende Leitsätze für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der gerichtlichen Verfolgung des Anspruchs gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV an die Hand zu geben.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Entgegen der Auffassung der Klägerin wirft der Rechtsstreit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Streitigkeiten, deren Entscheidung maßgeblich von der Beurteilung der tatsächlichen Besonderheiten des konkreten Sachverhalts abhängt, nicht grundsätzlich bedeutsam (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 23, m.w.N.). Danach kommt der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage, ob das Tatbestandsmerkmal der „gerichtlichen Verfolgung des Anspruchs” gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV verlangt, dass der Verkäufer in einem sog. Bestattungsfall nach dem Fehlschlagen der Zwangsvollstreckung unter der bisherigen Geschäftsadresse noch weitere Maßnahmen ergreift, insbesondere den neuen Alleingesellschafter-Geschäftsführer mit Wohnsitz im Ausland um Auskunft hinsichtlich einer aktuellen Geschäftsadresse ersucht, keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Einer allgemeingültigen Klärung ist diese Rechtsfrage insbesondere deshalb nicht zugänglich, weil ihre Beantwortung von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls, insbesondere von der Vorgehensweise der belieferten Unternehmen abhängt. Denn auch ein sog. Bestattungsfall kann mehrere Ausgestaltungen und Modalitäten aufweisen. So ist es z.B. möglich, dass der Geschäftsführer nicht ausgewechselt wird und Gesellschafter nicht neu bestellt werden, oder dass der neue Geschäftsführer seinen Wohnsitz im Inland beibehält und ohne Schwierigkeiten erreichbar ist. Darüber hinaus hängt es von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, welche Vollstreckungsversuche zu unternehmen sind und ob nach Misslingen eines einzigen Vollstreckungsversuchs von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen werden kann. Schließlich lässt sich nicht allgemeingültig klären, ob weitere Schritte und welche konkreten Maßnahmen von einem Mineralölhändler verlangt werden können, nachdem infolge einer Verlegung des Geschäftssitzes des Abnehmers unter dessen bisheriger Adresse Vollstreckungsmaßnahmen nicht mehr durchgeführt werden können. Die Erforderlichkeit von weiteren Maßnahmen ist insbesondere nach dem Aufwand zu beurteilen, den der Mineralölhändler zur Informationsbeschaffung und zur Fortsetzung der Zwangsvollstreckung betreiben muss. Aus diesen Gründen kommt der von der Klägerin aufgeworfenen —auf die Besonderheiten des Streitfalls bezogenen— Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Da die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht vorliegen, kommt auch eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht in Betracht.
2. Die Klägerin hat auch keine schwerwiegenden Rechtsfehler des erstinstanzlichen Erkenntnisses aufgezeigt, die eine Zulassung der Revision aus diesem Gesichtspunkt geboten erscheinen ließen. Der BFH hat das Vorliegen solcher Fehler dann bejaht, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom IV B 85/02, BFHE 203, 404, 405, BStBl II 2004, 25, und vom IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837). Diese besonderen Umstände sind in der Beschwerdeschrift anzuführen. Die Formulierung von Rechtsfragen von angeblich grundsätzlicher Bedeutung und der bloße Hinweis auf erhebliche Rechtsfehler reichen nicht aus, um eine greifbare Gesetzeswidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung darzulegen (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 216/01, BFH/NV 2002, 923).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1356 Nr. 7
FAAAC-45774