BFH Beschluss v. - X B 186/06

Verstoß gegen die Regeln der Beweiswürdigung stellen keinen Verfahrensmangel dar; Anwendung der Grundsätze des prima-facie-Beweises

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug: FG des Landes Brandenburg Urteil vom 4 K 1356/05

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) aufgezeigten Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—) liegen nicht vor. Die angefochtene Entscheidung des Finanzgerichts (FG) beruht insbesondere nicht auf einem Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

1. Eine Verletzung des klägerischen Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—) kann gegeben sein, wenn das FG das tatsächliche Vorbringen des Klägers nicht zur Kenntnis genommen oder es bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (, juris).

Der Kläger rügt, er habe im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen, er sei zu keinem Zeitpunkt für die Firma B tätig geworden und habe von dieser auch keine Barzahlung von 6 200 DM erhalten. Auch stamme die Unterschrift auf der an die Fa. B gerichteten Rechnung nicht von ihm. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) habe ihm deshalb zu Unrecht gewerbliche Einkünfte in dieser Höhe zugerechnet. Auch habe der ehemalige Geschäftsführer der Fa. S, in welche die Fa. B umfirmiert worden sei, in einem dem FG vorgelegten Schreiben bestätigt, dass er, der Kläger, für die Fa. S nicht tätig geworden sei und von dieser auch keine Zahlung erhalten habe. Trotz dieses Vorbringens sei das FG dem klägerischen Vorbringen nicht gefolgt.

Mit diesem Vortrag legt der Kläger nicht schlüssig einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör dar. Denn aus seinem Vorbringen ergibt sich nicht, dass sich das FG in seiner Entscheidung nicht mit dem Klagevorbringen auseinandergesetzt hätte. Vielmehr hat sich das FG ausführlich mit diesem Vorbringen befasst. Auch hat das FG eingehend dargelegt, weshalb es davon überzeugt ist, die in Frage stehende Rechnung an die Fa. B sei vom Kläger erstellt worden. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang beanstandet, das FG habe rechtsfehlerhaft ausgeführt, die Annahme, die Rechnung stamme vom Kläger, ergebe sich aus den Regeln des prima-facie-Beweises, zeigt er keinen Verfahrensfehler auf. Denn ein Verstoß gegen die Grundsätze der Regeln der Beweiswürdigung (objektive Feststellungslast) begründet keinen Verfahrensmangel, sondern einen materiell-rechtlichen Fehler (, juris; vgl. hierzu unten bei 3.).

2. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör und gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) kann ferner gegeben sein, wenn das FG den Beweisantrag eines Beteiligten zu Unrecht übergeht. Auch kann § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt sein, wenn sich dem FG eine weitere Sachverhaltsaufklärung auch ohne Antrag eines Verfahrensbeteiligten hätte aufdrängen müssen (Senatsbeschluss vom X B 113/06, juris). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn es unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des FG entscheidend auf das Vorliegen bestimmter tatsächlicher Umstände ankommt und andere Erkenntnisse hierzu nicht vorliegen (Senatsbeschluss vom X B 190/05, BFH/NV 2006, 1681). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

a) Der Kläger trägt vor, das FG sei im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht gehalten gewesen, zu der Frage, ob die in Rede stehende Rechnung vom Kläger ausgestellt wurde oder ob es sich um eine Fälschung handelt, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der Kläger behauptet aber selbst nicht, dass er die Einholung eines solchen Gutachtens beantragt hat. Ausweislich der dem angerufenen Senat vorliegenden Akten des FG hat der Kläger einen solchen Antrag zu keinem Zeitpunkt gestellt.

b) Dem FG musste es sich auch nicht aufdrängen, von Amts wegen ein solches Gutachten einzuholen. Zum einen ist das FG in materiell-rechtlicher Hinsicht davon ausgegangen, bei Anwendung der Grundsätze über den prima-facie-Beweis stehe fest, dass die Rechnung vom Kläger stamme, weil dieser keine Tatsachen zur Erschütterung dieser tatsächlichen Vermutung vorgetragen habe. Zum anderen hat das FG daneben auf objektiv vorliegende Erkenntnisse abgestellt, die nach Ansicht des FG belegen, dass die Rechnung vom Kläger ausgestellt wurde. Denn der Kläger hat seinen gegen den angefochtenen Einkommensteuerbescheid gerichteten Einspruch mit Schreiben vom damit begründet, er habe im Juli 2001 keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Er hat damit den Monat genannt, in dem die angeblich nicht von ihm stammende Rechnung ausgestellt worden ist. Dies, obwohl ihm bis zum vom FA lediglich mitgeteilt worden war, er habe im Jahr 2001 für die Vermittlung von Aufträgen Provisionseinnahmen erzielt. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vor dem hat ihm das FG dies vorgehalten. Hierzu hat der Kläger angegeben, er könne sich nicht erklären, warum er in seinem Einspruchsschreiben den Monat Juli 2001 genannt habe. Bei dieser Sachlage musste sich dem FG eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht aufdrängen.

c) Soweit der Kläger beanstandet, das FG habe zu Unrecht nicht aufgeklärt, ob er eine Ausbildung als Bauingenieur oder als anderer Baufachkundiger genossen oder auf sonstige Weise bautypische Kenntnisse erlangt hat, mit der Folge, dass das FG ihn unzutreffender Weise als zur Baubranche gehörend angesehen hat, liegt eine Verletzung der Aufklärungspflicht nicht vor. Denn ausweislich der Urteilsgründe hat das FG nicht auf das Vorhandensein bautypischer Kenntnisse, sondern darauf abgestellt, dass der Kläger bei Betrieben beschäftigt war, die der Baubranche angehören, was ihm Kenntnisse und Kontakte zu Betrieben dieser Branche ermöglichte. Dass jedenfalls die Firma Hoch- und Tiefbau GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger war, zu der Baubranche gehörte, hat der Kläger aber in seiner Beschwerdebegründung selbst eingeräumt. Soweit der Kläger bestreitet, an keinem Bauunternehmen beteiligt gewesen zu sein, trifft dies nach Lage der dem erkennenden Senat vorliegenden Akten des FA nicht zu. Ausweislich von in den Einkommensteuerakten des Klägers enthaltenen Mitteilungen war dieser als Gesellschafter an der D-GmbH und an der H GmbH & Co. KG beteiligt.

3. Die Revision ist auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Dieser Zulassungsgrund kommt nicht stets dann in Betracht, wenn die Rechtsanwendung durch das FG fehlerhaft ist. Anderes gilt dann, wenn das FG eine offensichtlich einschlägige rechtserhebliche Vorschrift übersehen hat (, BFH/NV 2003, 1597) oder wenn es sich bei den behaupteten Mängeln um offensichtliche Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder zumindest greifbar gesetzwidrigen Entscheidung handelt (, juris).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Kläger beanstandet, das FG habe zu Unrecht angenommen, nach den Grundsätzen des prima-facie-Beweises sei davon auszugehen, dass die in Frage stehende Rechnung vom Kläger stamme und damit nicht gefälscht sei, wenn die Unterschrift äußerlich derjenigen entspreche, mit der dieser über Jahre hinweg seine jeweiligen Einkommensteuererklärungen versehen habe, wenn diese Rechnung gegenüber einem Kunden ausgestellt worden sei, der in der gleichen Branche wie der Kläger tätig sei und auch der Region angehöre, in welcher der Kläger wohnansässig sei. Entgegen der Auffassung des FG könne von ihm, dem Kläger, nicht verlangt werden, substantiiert zu begründen, warum ein seiner Unterschrift täuschend ähnlich aussehender Schriftzug innerhalb seiner Branche auftaucht, ohne dass sie von ihm stammt.

Der angerufene Senat teilt die Auffassung des Klägers, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Grundsätze des prima-facie-Beweises nicht vorliegen. Denn Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen eines typischen Geschehensablaufs (, juris). Hierfür genügt es nicht, wenn zwei verschiedene Möglichkeiten eines Geschehensablaufs in Betracht zu ziehen sind, von denen die eine wahrscheinlicher ist als die andere. Voraussetzung ist vielmehr, dass ein tatsächliches Geschehen zu beurteilen ist, das einem serienmäßig typisch gleich verlaufendem Ereignis entspricht und in seinen Wirkungen bestimmte typische Folgen auslöst oder umgekehrt bestimmte Folgen auf einen typischen Geschehensablauf hindeuten (, BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Denn gerade die Zugehörigkeit zu derselben Branche und Region kann einem Urkundenfälscher die Gelegenheit bieten, sich Kenntnisse vom Namen, der Anschrift und der Unterschrift einer anderen Person zu verschaffen. Auch wird sich ein solcher Täter naturgemäß bemühen, die fremde Unterschrift so nachzumachen, dass sie jedenfalls bei bloßer äußerlicher Betrachtung ohne systematische Untersuchung nicht auffällt. Es gibt deshalb im Streitfall nicht den für die Anwendung der Grundsätze des prima-facie-Beweises notwendigen typischen Geschehensablauf.

Der Kläger lässt jedoch unberücksichtigt, dass das FG nicht ausschließlich auf die Grundsätze des prima-facie-Beweises abgehoben hat. Es hat vielmehr zusätzlich die feststehende Tatsache berücksichtigt, dass der Kläger selbst gegenüber dem FA mit Schreiben vom ausgeführt hat, er habe im Juli 2001 keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, obwohl ihm auf Grund seines mit dem FA geführten Schriftverkehrs zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt sein konnte, dass eine in diesem Monat ausgestellte Rechnung zu beurteilen war (siehe oben bei 2.b). Unter Berücksichtigung dieses für eine Urheberschaft des Klägers hinsichtlich der Rechnung sprechenden Indizes, erweist sich die Entscheidung des FG damit jedenfalls als im Ergebnis vertretbar und nicht als greifbar gesetzwidrig.

Fundstelle(n):
ZAAAC-45134