OFD Hannover - S 2700 - 2 - StO 242

Steuerrechtliche Behandlung ausländischer Kapitalgesellschaften

1 Zivilrechtliche Beurteilung

1.1 Gründungstheorie

Nach der Gründungstheorie bestimmt sich der Status einer Gesellschaft grundsätzlich nach dem Recht des Staates, in dem sie unter Beachtung der dort geltenden Formvorschriften rechtswirksam gegründet worden ist. Diese einmal erworbene Rechtsfähigkeit geht auch dann nicht verloren, wenn die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz (Ort der Geschäftsleitung) zunächst im Gründungsstaat hat, ihn aber anschließend in ein anderes Land verlegt.

Die Gründungstheorie ist vor allem weit verbreitet in den anglo-amerikanischen und sozialistischen Rechtskreisen.

1.2 Sitztheorie

Abweichend von der Gründungstheorie knüpft das deutsche Internationale Privatrecht bei der Beurteilung der Rechtsfähigkeit von ausländischen Gesellschaften, die den tatsächlichen Verwaltungssitz in das Inland verlegen, an die Rechtsordnung an, die am Verwaltungssitz gilt (Sitztheorie).

Verlegt also eine ausländische Kapitalgesellschaft, die nach dem Recht ihres Gründungsstaates Rechtsfähigkeit besitzt, ihren tatsächlichen Verwaltungssitz nach Deutschland, so besteht sie nur dann als rechtsfähige, juristische Person weiter, wenn das am bisherigen Sitz geltende Recht die Sitzverlegung zulässt und die Kapitalgesellschaft die Bedingungen erfüllt, an die das deutsche Recht die Rechtsfähigkeit knüpft. Eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland muss deshalb nach deutschem Recht gegründet sein, um hier als rechtsfähig anerkannt werden zu können.

2 Steuerrechtliche Beurteilung

2.1 Nach dem Recht eines Staates außerhalb der EU gegründete Gesellschaft

Die fehlende Rechtsfähigkeit im Inland schließt die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht nicht aus. Die Körperschaftsteuerpflicht kann sich in diesen Fällen aus § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG i. V. m. § 3 Abs. 1 KStG ergeben.

Zur Feststellung der Körperschaftsteuerpflicht einer Gesellschaft, die ihren statuarischen Sitz im (Nicht-EU-) Ausland und ihren Verwaltungssitz im Inland hat, ist wie folgt zu verfahren:

2.2 Typenvergleich

In einem ersten Schritt ist ein Typenvergleich vorzunehmen, bei dem festzustellen ist, ob die Unternehmensform einer der in § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 KStG aufgeführten Körperschaftsteuersubjekte entspricht.

Bei dem Typenvergleich ist eine Gesamtwürdigung der maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation und die Struktur der Gesellschaft vorzunehmen. Nicht entscheidend ist dagegen die Gestaltung der inneren Verhältnisse der Gesellschaft im Einzelfall, etwa die Anzahl der Gesellschafter oder Anteilseigner und deren tatsächliches Verhalten, solange sie nur als Vertreter der Gesellschaft auftreten.

Die als Anlage beigefügte Übersicht kann einen ersten Anhalt zur Vergleichbarkeit mit deutschen Gesellschaften geben. Der Typenvergleich ist nur ein formaler Vergleich der Gesellschaftsformen.

2.3 Einkünftezurechnung

In einem zweiten Schritt ist zu untersuchen, ob die Einkünfte auch tatsächlich der Gesellschaft zugerechnet werden können. Hierfür können folgende Gesichtspunkte sprechen:

Bei inländischem Grundstückseigentum ist die Gesellschaft und nicht deren Gesellschafter im Grundbuch eingetragen.

Die Gesellschaft tritt im Geschäftsverkehr nach außen immer im eigenen Namen auf.

Soweit Anteilseigner auftreten, handeln diese stets ausdrücklich und erkennbar im Namen der Gesellschaft.

Alle maßgebenden Verträge sind unter Beachtung der vorstehenden Gesichtspunkte abgeschlossen worden.

Ausländische Gesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland, die mit deutschen Körperschaftsteuersubjekten vergleichbar sind und denen die Einkünfte unmittelbar zuzurechnen sind, unterliegen danach im Inland der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht.

2.4 Nach dem Recht eines Mitgliedstaates der EU gegründete Gesellschaften

Der in Deutschland vertretenen Sitztheorie ist der EuGH mit seinen Urteilen vom „Centros” (GmbHR S. 474, DB S. 625), vom „Überseering” (GmbHR S. 1137, DB S. 2425) und vom „Inpire Art” (GmbHR S. 1260) entgegen getreten. Die Urteile führen zur Anwendung der Gründungstheorie. Danach erlangt eine Gesellschaft Rechtsfähigkeit, wenn sie nach dem Recht eines Mitgliedstaates der EU wirksam gegründet wurde. Die anderen Mitgliedstaaten haben diese Gründung anzuerkennen und die Gesellschaft auch in ihrem Land als rechtsfähig zu behandeln. Entsprechende Kapitalgesellschaften sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig.

3 Behandlung der private limited company englischen Rechts

3.1 Rechtsgrundlagen

  1. Companies Act 1985 (CA 1985)

  2. Insolvency Act 1986 (IA 1986)

    – Haftungsvorschriften für Direktoren in der Krise –

  3. Company Directors Disqualification Act 1986 (CDDA 1986)

    – Vorschriften zum Verbot, die Funktion des directors auszuüben –

3.2 Gründung

Die Gründer müssen die Gesellschaft beim registrar of companies im Companies House in London, Cardiff oder Edinburgh unter Angabe des Gesellschaftssitzes anmelden. Jede in England registrierte Limited (Ltd.) ist verpflichtet, in England ein registered office zu unterhalten. Wird der tatsächliche Verwaltungssitz im Anschluss nach Deutschland verlegt, handelt es sich hierbei (nur) um eine Büroadresse ohne wesentliche eigene Funktion. Geschäftsunterlagen wie ein Verzeichnis der Gesellschafter, ein Verzeichnis der Geschäftsführer, ein Verzeichnis der Schriftführer, Protokolle der Gesellschafterversammlungen usw. müssen im registered office geführt werden. Beim registrar of companies müssen die Gründungsurkunde, die Satzung, die Liste der Geschäftsführer und der Schriftführer eingereicht werden. Die Anmeldebehörde prüft die Dokumente auf ihre formelle Ordnungsmäßigkeit und stellt im Anschluss die Gründungsurkunde aus.

Es bedarf keines Mindestkapitals. Die Rechtssubjektsfähigkeit mit der Konsequenz der Haftungsbeschränkung entsteht mit der Eintragung der Gesellschaft in das Register. Das Gründungsverfahren bis zur Eintragung dauert i. d. R. höchstens zwei Wochen.

Auch wenn die Ltd. in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist (s. u.), hat sie in Großbritannien gleichfalls Pflichten zu erfüllen.

  • Erstellung eines Jahresabschlusses („annual accounts”)

  • Verpflichtung zur Buchführung und Aufbewahrung im „registered office”

Kommt sie diesen Verpflichtungen nicht nach, droht eine Geldstrafe oder die schnelle Löschung im Handelsregister (Striking off the register). Die Internetadresse des englischen Handelsregisters lautetwww.companieshouse.gov.uk. Eine Abfrage, ob die Gesellschaft nicht bereits gestrichen ist, sollte jährlich bei der Veranlagung erfolgen, weil eine gelöschte Ltd. rechtlich nicht mehr existent ist und ihr somit kein Steuerbescheid mehr zugestellt werden kann.

3.3 Gesellschaftsvertrag

Der Gesellschaftsvertrag der Ltd. besteht aus zwei verschiedenen Dokumenten, den Articels of Association und dem Memorandum of Association. Für beide Verträge bieten die Companies Regulations 1985 Musterdokumente an. Auf diese Muster wird in der Praxis regelmäßig zurückgegriffen, so dass die Gesellschaftsverträge der Ltd. große Ähnlichkeiten aufweisen.

Vereinfacht gesagt werden in den Articels die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu den Gesellschaftern sowie die Vertretung und Geschäftsführung, im Memorandum die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft mit Dritten geregelt.

3.4 Organisationsstruktur

Die Ltd. wird durch den director (Geschäftsführer) vertreten. Director kann auch eine juristische Person sein. Daneben hat jede Ltd. einen secretary (Schriftführer) zu bestellen. Die Funktion des secretary wird regelmäßig auf Dauer durch einen englischen Berater wahrgenommen, der director kann auch gleichzeitig Gesellschafter sein.

Einmal jährlich hat eine Gesellschafterversammlung stattzufinden. Die Beschlussfassungen der Versammlung (z. B. Bestellung des directors und des secretarys, Änderungen des Gesellschaftsvertrags) sind formfrei.

3.5 Kapital

Die Höhe des Gesellschaftskapitals (share capital) ist auszuweisen, und zwar als nominal capital oder authorised share capital. Dies ist der Gesamtbetrag der Anteile, welche die Gesellschaft ausgeben darf (eine Art genehmigtes Kapital). Es bestehen keine rechtlichen Vorgaben für die Höhe des Gesellschaftskapitals. Es könnte theoretisch auf einen Penny festgesetzt werden. Üblich sind in der Regel 100 Pfund. Neben der Höhe des Gesellschaftskapitals ist auch dessen Stückelung (Zahl und Nennbeträge der einzelnen Anteile) anzugeben.

Vom nominal bzw. authorised share capital zu unterscheiden ist das issued share capital. Das sind die bereits von den Gesellschaftern übernommenen (gezeichneten) Anteile. Das issued capital wiederum untergliedert sich in das paid-up capital und das unpaid capital (eingezahlte/ausstehende Einlagen). Soweit für Zwecke der Besteuerung das Nennkapital zu bestimmen ist, dürfte auf das issued share capital abzustellen sein. Auf den Betrag, den die Ltd. maximal an Anteilen ausgeben darf, kann es nicht ankommen.

3.6 Haftung

Es besteht grundsätzlich keine persönliche Haftung der Gesellschafter, sofern dies im Memorandum vereinbart ist. Die Haftung der Gesellschaft ist auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Auch das englische Recht kennt allerdings die Durchgriffshaftung auf die Gesellschafter für den Fall der Einsetzung eines Strohmanns, des Betrugs sowie in Ausnahmefällen der materiellen Unterkapitalisierung. Wie weit daneben die deutschen Grundsätze über die Haftung im Fall des existenzvernichtenden Eingriffs gelten, ist umstritten (vgl. Wachter, GmbHR 2003 S. 1254; Ebert/Levedag, GmbHR 2003 S. 1337). Die Geschäftsführer der Ltd. haften für die Verletzung ihrer Pflichten. Dazu gehören Treue- und Loyalitätspflichten sowie die allgemeinen Sorgfaltspflichten.

3.7 Liquidation und Insolvenz

Zu einer gerichtlichen Zwangsabwicklung (winding up by the court) kommt es, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig ist und ein Antragsberechtigter ein solches Verfahren beantragt. Der Antrag ist der London Gazette anzuzeigen und muss nachweisen, dass die Gesellschaft nicht in der Lage ist, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen.

Mit dem gerichtlichen Abwicklungsbeschluss wird die Geschäftsführung ihres Amtes enthoben. Ihre Aufgaben werden durch Abwickler wahrgenommen. Das Gesellschaftsvermögen wird auf einen Treuhandfond (trust) übertragen und in Abstimmung mit der Gläubigerversammlung abgewickelt und verteilt. Die Gläubiger können durch Anträge an das Gericht den Abwicklungsprozess beeinflussen. Das Gericht kann auf Antrag die Entscheidung des Abwicklers verwerfen oder neu gestalten. Ist die Gesellschaft abgewickelt, so erstellt der Liquidator einen Abschlussbericht (final return), den er beim Registrar einreicht (dieser hatte zuvor bereits den gerichtlichen Abwicklungsbeschluss erhalten). Mit Ablauf von drei Monaten nach Abgabe des Abschlussberichts gilt die Gesellschaft als aufgelöst.

Die praxisrelevante alternative Streichung der Gesellschaft aus dem Handelsregister (striking off the register) erfolgt auf Weisung des registrars of companies, wenn er Grund zu der Annahme hat, dass die Gesellschaft seit mehr als einem Jahr keine Geschäftstätigkeit mehr ausübt. Etwaiges Vermögen der Gesellschaft fällt in diesem Falle an den Staat (the crown). Das Wiederherstellen einer gestrichenen Ltd. kostet ca. 1.000 £. Allerdings kann jeder Gläubiger die Überführung des behördlichen Amtslöschungsverfahrens in eine gerichtliche Zwangsabwicklung (winding up by the court) beantragen. Das Gericht kann die Abwicklung nicht ablehnen, weil nicht genug Masse vorhanden ist, um die Verfahrenskosten zu decken.

3.8 Besteuerung der englischen Ltd. in Deutschland

3.8.1 Beginn der Steuerpflicht

Die inländische Steuerpflicht i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG einer britischen Ltd. beginnt frühestens mit der Aushändigung der Gründungsurkunde (certificate of incorporation) durch das Gesellschaftsregister. Das Ausstellungsdatum auf der Gründungsurkunde ist das Gründungsdatum der Gesellschaft. Mit der Aushändigung der Gründungsurkunde tritt eine Beschränkung auf das Gesellschaftsvermögen ein, so dass ab diesem Zeitpunkt die Ltd. der deutschen GmbH im Wege eines vorgenommenen Typenvergleichs (siehe H 2 KStR zu § 1 KStG) gleichzustellen ist. Hinzutreten muss hier allerdings noch der maßgebliche Anknüpfungspunkt für die inländische unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht, z. B. die Sitzverlegung nach Deutschland (vgl. Graffe in Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, Kommentar zum KStG und EStG, § 1 KStG nF Tz. 103) oder die Aufnahme der Betätigung mit maßgeblicher Geschäftsleitung im Inland.

3.8.2 Ende der Steuerpflicht

Für eine Ltd. mit Sitz in Deutschland findet deutsches Insolvenzrecht vor einem deutschen Gericht Anwendung, und zwar vor dem Gericht am Ort der Niederlassung. Nachdem die Ltd. durch die „Überseering” – Entscheidung als solche für rechts- und parteifähig erklärt wurde, ist sie auch als englische Kapitalgesellschaft insolvenzfähig und unterliegt nicht etwa – wie es der früheren Praxis entsprach – als offene Handelsgesellschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts den Regeln der InsO (vgl. Clemens Just, Die englische Ltd. in der Praxis, Rz. 313 und 314; vgl. auch Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 der Europäischen Insolvenzordnung – EulnsVO.). Die Liquidationsbesteuerung erfolgt wie bei einer GmbH entsprechend § 11 KStG. Die Steuerpflicht endet entsprechend erst mit dem Abschluss der Liquidation oder des Insolvenzverfahrens. Die Steuerpflicht endet entsprechend auch dann nicht mit der Löschung im Gesellschaftsregister, wenn kein Nachtragsliquidator bestellt und im companies house eingetragen wurde. Auch eine aufgelöste Ltd. besteht als Steuersubjekt fort, solange sie noch steuerliche Pflichten zu erfüllen hat. Für die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der Ltd. ist auch nach englischem Recht – jedenfalls bei Betreibung der freiwilligen Liquidation durch die Gesellschafter oder die Gläubiger – die Bestellung eines Liquidators vorgeschrieben. Der Liquidator ist während seiner Bestellung Vertreter der Gesellschaft. Ein Handeln der Gesellschafter für die Ltd. scheidet aus (vgl. Just, Die englische Limited in der Praxis, Rdnrn. 296 – 303).

Folglich hat der Liquidator

  • anhängige Verfahren fortzusetzen bzw.

  • zu bestimmen, an wen Steuererstattungsansprüche der Ltd. nach deren Löschung auszuzahlen sind.

Ist die Ltd. aus dem Gesellschaftsregister gestrichen und ist kein Liquidator bestellt, so können Steuerbescheide nicht mehr zugestellt werden. In diesen Fällen ist eine Haftungsinanspruchnahme der Vertreter der Ltd. zu prüfen (vgl. .2).

Die nach der – vom director ggf. nicht sofort bemerkten – Streichung aus dem Handelsregister getätigten Geschäfte sind den handelnden Personen unmittelbar als Einzelunternehmer oder Mitunternehmer zuzurechnen und der Einkommensteuer zu unterwerfen. Weil das Vermögen der Ltd. in einem solchen Fall ohne Abwicklung auf den oder die Gesellschafter übergeht, wird z. Z. geprüft, ob darin eine verdeckte Gewinnausschüttung des gesamten Vermögens von der Ltd. auf ihre Gesellschafter zu sehen ist.

3.8.2.1 Hinausschieben der Löschung einer Ltd. im Companieshouse

Die Löschung einer Ltd. ohne Kosten beim Companieshouse ist um 6 Monate durch Antrag hinauszuschieben, wenn dies verfahrensrechtlich notwendig sein sollte.

Der Antrag ist per E-Mail an die Adresse „enquiries@companieshouse.gov.uk” zu stellen.

3.8.3 Ertragsteuern
3.8.3.1 Körperschaftsteuer

Hat die Ltd. zwar ihren Satzungssitz in Großbritannien, ihren Verwaltungssitz aber in Deutschland, so ist sie in Deutschland bei Anwendung der Gründungstheorie nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Auch nach der früher angewendeten Sitztheorie bestand bereits eine unbeschränkte Steuerpflicht für Ltds. mit Verwaltungssitz in Deutschland, allerdings nach der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG; nach dem damals anzustellenden Typvergleich war die Ltd. der deutschen GmbH vergleichbar.

Allein wegen der Rechtsform als Ltd. kann noch keine Scheinfirma angenommen werden. Sollte im Einzelfall aber eine Domizilgesellschaft vorliegen (ggf. Nachfrage bei der IZA, Auskunftsersuchen nach Großbritannien), so ist diese dennoch unbeschränkt steuerpflichtig. Neben der unbeschränkten Steuerpflicht ist für die Anwendung von § 42 AO grundsätzlich kein Raum, da es an einer Steuerminderung fehlt.

Die Ltd. ist in beiden Staaten ansässig. Gem. Art. 2 Abs. 1 Lit. h. Unterabs. iii DBA Großbritannien gilt die Gesellschaft im Fall der Doppelansässigkeit als in dem Gebiet ansässig, in dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet, also i. d. R. in Deutschland. Übt sie ihre aktive Tätigkeit somit ausschließlich in Deutschland aus, so ist der Gewinn auch vollständig in Deutschland zu versteuern. Sie unterliegt wie eine inländische GmbH mit ihrem Welteinkommen in Deutschland der Besteuerung.

Grundsätzlich müsste die Ltd. als inländische Zweigniederlassung, bei der es sich im Grunde um die Hauptniederlassung handelt, in das inländische Handelsregister eingetragen werden (vgl. Tz. 3.8.4.4). Fehlt diese Eintragung, so ist dies steuerrechtlich unerheblich; die Eintragung ist für die unbeschränkte KSt-Pflicht nicht erforderlich.

3.8.3.2 Gewerbesteuer

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gilt als Gewerbebetrieb stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften. Die Ltd. unterliegt damit der Gewerbesteuer. Die entgegenstehende Regelung für ausländische Rechtsformen in Abschn. 13 Abs. 2 Satz 4 GewStR 1998 (Rechtsfähigkeit und Steuerpflicht erst ab Eintragung in das deutsche Handelsregister) ist durch die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom , BStBl 2005 I S. 727, überholt.

3.8.4 Neuaufnahme einer Ltd.

Die Neuaufnahme der Ltd. hat zu erfolgen, sobald dem Finanzamt die Existenz der Ltd. und deren inländische Betätigung bekannt werden. Entsprechend der Verfahrensweise bei inländischen Kapitalgesellschaften ist die Vorlage des Gesellschaftsvertrags und des englischen Handelsregisterauszugs zu verlangen (vgl. Tz. 3.8.4.1).

Da die Amtssprache deutsch ist, sind die Urkunden in deutscher Übersetzung vorzulegen. Hierbei sind im Regelfall auch nicht amtliche Übersetzungen zu akzeptieren, wobei zum Vergleich der englische Originaltext mit anzufordern ist. Lediglich in begründeten Fällen soll gem. § 87 Abs. 2 AO auf der Vorlage einer beglaubigten oder von einem öffentlich bestellten oder beeidigten Dolmetscher oder Übersetzer angefertigten Übersetzung bestanden werden.

Die im Inland tätige Ltd. unterliegt hier den allgemeinen Mitteilungs- und Erklärungspflichten (Gewerbeanmeldung, § 138 Abs. 1 AO; Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen, §§ 149, 150 AO). Der Bearbeiter im Finanzamt sollte in der Gründungsphase den Vordruck KSt GU 2 A versenden.

3.8.4.1 Nachweis der tatsächlichen und rechtlichen Existenz

Vom Nachweis der tatsächlichen und rechtlichen Existenz der Ltd. hängt ihre steuerliche Behandlung als Körperschaft ab. Ist die Ltd. rechtlich nicht oder nicht mehr existent, sind die Umsätze und Einkünfte nicht ihr, sondern ihrem (mutmaßlichen) Anteilseigner zuzurechnen. Bei mehreren Anteilseignern kann in diesen Fällen statt einer Ltd. eine Personengesellschaft/Mitunternehmerschaft gegeben sein.

Der Nachweis der rechtlichen Existenz ist grundsätzlich durch Vorlage der Gründungsurkunde, des Gesellschaftsvertrags und eines britischen Handelsregisterauszugs zu führen.

Grundsätzlich sollte bei Neugründungen die rechtliche Existenz auch durch eine Internetabfrage beim britischen Handelsregister geprüft werden (www.companieshouse.gov.uk). In den Fällen einer irischen Ltd. kann die Existenz durch eine Abfrage beim irischen Handelsregister (www.cro.ie/search) geklärt werden.

Eine jährliche Prüfung der rechtlichen Existenz der Ltd. ist auch im Veranlagungsverfahren angezeigt, da die Ltd. z. B. wegen Nichtbeachtung der in Großbritannien streng gehandhabten Publizitätspflichten im britischen Handelsregister gelöscht worden sein kann (vgl. 3.2). Eine Löschungsmitteilung des britischen Handelsregisters an das deutsche Finanzamt erfolgt nicht!

Die Publizitätspflichten sind jedoch eingeschränkt, wenn die Ltd. die Eintragung „dormant” (ruhend = keine Aktivitäten in GB) im britischen Gesellschaftsregister aufweist. Dieser Vermerk ist ein starkes Indiz dafür, dass sich bei einer im Inland tätigen Ltd. der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung nicht in Großbritannien, sondern in Deutschland befindet.

3.8.4.2 Bestellung eines inländischen Empfangsbevollmächtigten

Macht die Ltd. geltend, ihre Geschäftsleitung nicht im Inland zu haben, so hat sie auf Verlangen des Finanzamts nach § 123 AO einen inländischen Empfangsbevollmächtigten zu benennen (Vordruck wird demnächst im StarOffice zur Verfügung gestellt). Die Aufforderung zur Benennung eines inländischen Empfangsbevollmächtigen soll nach AO-Kartei zu § 123 AO im Allgemeinen erfolgen, wenn

  • die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO (vgl. AO-Kartei § 122) nicht zulässig oder nicht zweckmäßig ist und

  • nach den Umständen des Einzelfalles zu erkennen ist, dass es nicht bei der Übermittlung nur eines einzigen Schriftstückes verbleiben wird.

Von dieser Möglichkeit sollte insbesondere dann Gebrauch gemacht werden, wenn zu erwarten ist, dass wiederholt Verwaltungsakte bekannt zu geben sind.

3.8.4.3 Nachweis der tatsächlichen Anteilseigner

Gewinnausschüttungen und Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an einer Ltd. sind dem (tatsächlichen) Gesellschafter zuzurechnen. Bei der steuerlichen Aufnahme der Ltd. sollten daher immer die Anteilseigner der Ltd. ermittelt werden. Da diese aus den Handelsregistereintragungen regelmäßig nicht hervorgehen, sind hierzu ggf. die im Inland für die Ltd. handelnden Personen zu befragen und zur Erfüllung ihrer Mitwirkungspflichten anzuhalten (§ 90 Abs. 2 AO und Anlage WA zur Körperschaftsteuererklärung).

Außerdem sollten die vollständigen Anschriften der Organe der Ltd. ermittelt werden. Anschließend sollte überprüft werden, ob die angegebenen inländischen Personen tatsächlich existieren, im Inland zu erreichen sind und auch aktiv tätig werden.

Eine zukünftig risikoorientierte Bearbeitungsweise der Steuerfälle der Ltd. und ihrer Anteilseigner lässt darüber hinaus eine Kontaktaufnahme mit dem für die Anteilseigner im Inland zuständigen FA zum Abgleich jeweils vorhandener Erkenntnisse sinnvoll erscheinen.

3.8.4.4 Deutscher HR-Auszug für Zweigniederlassung

Im Regelfall sollte beim zuständigen deutschen Handelsregister nachgefragt werden, ob die Eintragung einer Zweigniederlassung für die Ltd. vorliegt. Ggf. ist der entsprechende Handelsregisterauszug zu den Steuerakten zu nehmen.

Der handelsrechtliche Begriff Zweigniederlassung ist in den §§ 13 ff. HGB geregelt. Danach sind Merkmale einer Zweigniederlassung:

  • räumliche Selbstständigkeit

  • nicht nur bloße Hilfstätigkeiten

  • eine gewisse Dauer (der Geschäftsbetrieb für die Dauer einer Messe begründet keine Zweigniederlassung)

  • Geschäftslokal

  • eigenes Bankkonto

  • Leiter mit Befugnis zum selbstständigen Handeln

Gesellschaften, die im britischen Handelsregister eingetragen sind, in Großbritannien aber keiner weiteren Tätigkeit nachgehen, sondern nur in Deutschland gewerblich tätig werden, sind nach dieser Definition in der Regel als selbstständige Zweigniederlassungen zu qualifizieren. Hauptniederlassung können diese Betriebsstätten nicht sein, da diese den Sitz der Gesellschaft in Deutschland voraussetzt.

Liegt eine Zweigniederlassung vor, hat die ausländische Gesellschaft nach § 13e Abs. 2 HGB die Verpflichtung, diese deutsche Zweigniederlassung in das Handelsregister eintragen zu lassen.

Im Rahmen dieser Verpflichtung sind dem Handelsregister unter anderem folgende Unterlagen vorzulegen:

  • ein Nachweis über das Bestehen der ausländischen Gesellschaft (z. B. Registerauszug, Gründungsurkunde)

  • Satzung der Gesellschaft, Gesellschaftsvertrag

  • Legitimation der Direktoren (Geschäftsführer) in gehöriger Form (Vergleiche , veröffentlicht in GmbHR 2/2004, S. 116, mit Anmerkungen von Mildner/Kleinert. Danach hat die erforderliche Legitimation der Direktoren grundsätzlich durch Einreichung des Gesellschafterbeschlusses – und ggf. des Nachweises der Gesellschafterstellung der Beschlussfassenden – zu erfolgen).

Die Unterlagen sind, soweit sie nicht in deutscher Sprache erstellt sind, in einer öffentlich beglaubigten Übersetzung vorzulegen. Spätere Änderungen, wie z. B. die Liquidation oder Auflösung der Gesellschaft, sind beim Handelsregister anzumelden. Des Weiteren hat die Zweigniederlassung die Unterlagen der Rechnungslegung der Hauptniederlassung offen zu legen (§ 325a Abs. 1 HGB).

Das Finanzamt ist gegenüber den deutschen Registergerichten befugt – und auf Verlangen verpflichtet – Auskünfte zu erteilen, die der Verhütung unrichtiger Eintragungen im Handelsregister dienen sowie zur Berichtigung und Vervollständigung des Handelsregisters benötigt werden (vgl. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO i. V. m. § 125a Abs. 2 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, AEAO Nr. 5 zu § 30 sowie AO-Handbuch 2006 Anhang 13 und AO-Kartei zu § 30 AO Karte 35).

3.8.5 Gewinnermittlung

Aus § 238 HGB ergibt sich für die Zweigniederlassung eine Pflicht zur Einrichtung einer Buchführung (vgl. Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 31. Aufl. 2003, § 238 Rn 9). Zweigniederlassungen, die pflichtwidrig nicht im Handelsregister gemeldet sind, sind dennoch nach § 238 HGB verpflichtet, eine Buchführung einzurichten und nach § 242 HGB zu Beginn der Tätigkeit eine Anfangsbilanz sowie anschließend auf den Schluss eines jeden Geschäftsjahres einen Jahresabschluss zu erstellen.

Insoweit greift steuerlich die Gewinnermittlungsvorschrift des § 5 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 EStG.

Nach englischem Recht vorgenommene Gewinnermittlungen sind unbeachtlich und können allenfalls zur Verprobung der eingereichten deutschen Besteuerungsgrundlagen herangezogen werden; dies gilt auch für Gewinnermittlungen nach IAS/IFRS.

Besteht ausnahmsweise handelsrechtlich keine Zweigniederlassung, entsteht die Pflicht, Bücher zu führen und Jahresabschlüsse aufzustellen, nach Aufforderung durch das Finanzamt gemäß § 141 AO. Hier sind aber die dort aufgeführten Gewinn- und Umsatzgrenzen zu beachten.

Sofern das Vorliegen einer inländischen Zweigniederlassung strittig ist, kann es sinnvoll sein, bei Überschreiten der entsprechenden Umsatz- und Gewinngrenzen auf eine nach dieser Vorschrift bestehende Buchführungspflicht hinzuweisen. Ggf. sollte ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht werden, dass hierdurch die finanzamtsseitige Auffassung des Vorliegens einer bereits nach Handelsrecht bestehenden Buchführungspflicht nicht aufgegeben wird.

Der Gewinn ist in diesem Fall steuerlich nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln.

Das Geschäftsjahr der Ltd. bestimmt sich nach britischem Recht nach Maßgabe der Gründung der Gesellschaft.

3.8.6 Organschaft

Eine limited kann mangels inländischen Sitzes keine Organgesellschaft (§ 14 Abs. 1 KStG) wohl aber Organträger sein (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 KStG).

3.8.7 Weitere steuerliche Verpflichtungen

Neben den Ertragsteuern sind umsatzsteuerliche Verpflichtungen, Arbeitgeberpflichten usw. in Deutschland zu erfüllen. Es bestehen hier keine Unterschiede zur Besteuerung einer GmbH.

3.8.8 Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB

Für eine Ltd. mit Verwaltungssitz in Deutschland gilt ausschließlich englisches Gesellschaftsrecht. Danach ist § 181 BGB nicht anwendbar (vgl. Wachter in GmbHR 2005 S. 169 ff., Kommentar zum ; zustimmend , GmbHR 2005 S. 1303/1304). Auch eine generelle Befreiung von dem Verbot von Insichgeschäften ist damit nicht möglich (vgl. Wachter in FR 2006 S. 365). Allerdings unterliegen die Direktoren auch nach englischem Gesellschaftsrecht sowohl ungeschriebenen, als auch gesetzlichen Beschränkungen. So ist jeder Direktor, der ein unmittelbares oder mittelbares Interesse an einem Rechtsgeschäft mit der Gesellschaft hat, zunächst verpflichtet, die Art des Interesses in einer Sitzung des Verwaltungsrats anzugeben. Aus Beweisgründen ist über die Abgabe der Erklärung eine Niederschrift zu fertigen. Bei einem Verstoß gegen diese Formvorschriften ist ähnlich wie bei einem Verstoß gegen § 181 BGB eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen.

Ein Anstellungsvertrag einer Ltd. mit ihrem alleinigen Direktor ist aus zivilrechtlicher Sicht zumindest anfechtbar, sofern die aus zivilrechtlicher Sicht erforderliche Zustimmung der Gesellschafterversammlung fehlt. Der Direktor ist nicht Dritter und kann sich daher auch nicht auf die etwaige Publizität des deutschen Handelsregisters berufen. Die Zahlung des Gehalts ist in diesem Fall daher regelmäßig als verdeckte Gewinnauschüttung zu behandeln.

3.8.9 Gewinnausschüttungen

Nach englischem Gesellschaftsrecht dürfen Ausschüttungen an die Gesellschaft nur dann erfolgen, wenn die Gesellschaft nach dem Ausweis im Jahresabschluss einen Gewinn erwirtschaftet hat (263 CA 1985). Maßgebend sind dabei die kumulierten Gewinne seit dem Bestehen der Gesellschaft abzüglich der kumulierten Verluste und bereits erfolgter Ausschüttungen. Danach dürfen im Unterschied zum GmbH-Recht bloße Buchgewinne (z. B. aus der Auflösung einer Rücklage) nicht ausgeschüttet werden. Erfolgt gleichwohl eine Ausschüttung, ist der zugrunde liegende Beschluss unwirksam und die Ausschüttung eine verdeckte Gewinnauschüttung.

 Haftung

Die BGH-Entscheidung vom – II ZR 5/03 –, DStR 2005 S. 839, bestätigt die Nichtanwendbarkeit der Haftungsvorschriften des GmbHG.

.1 Gesellschafter einer Ltd.

Haben die Gesellschafter einer Ltd. den Betrag für ihre Anteile vollständig eingezahlt, haften sie grundsätzlich nicht mit ihrem persönlichen Vermögen. In einigen Fällen, i. d. R. dann, wenn die Ltd. zu Täuschungszwecken eingesetzt wurde, haben englische Gerichte dennoch eine persönliche Haftung der Gesellschafter angenommen. Wenn sich im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zeigen sollte, dass Geschäfte in der Absicht betrieben wurden, um Gläubiger zu betrügen, kann ein Gesellschafter auch dazu verurteilt werden, über seinen Anteil hinausgehende Leistungen zugunsten des Gesellschaftsvermögens zu erbringen. In Fällen der Vermischung von Privat- und Gesellschaftsvermögen kann es außerdem zu einer Haftung der Gesellschafter kommen. In Deutschland hat das (in einem Insolvenzverfahren) eine persönliche Haftung des Gesellschafters einer Ltd. bejaht, da dieser nach Ansicht des Gerichts in rechtsmissbräuchlicher Weise eine Ltd. zu dem Zwecke gründete, Lieferanten nicht zu bezahlen.

Diese Entscheidung dürfte jedoch, ausgenommen im Falle eines Insolvenzverfahrens, nicht praxisrelevant sein. Die Haftung müsste nämlich wohl auf dem Zivilrechtsweg vor einem englischen Gericht geltend gemacht werden.

.2 Vertreter der Ltd.

Die Haftung eines Vertreters der Ltd. nach englischem Recht, der zugleich Vertreter i. S. von § 69 AO ist, z. B. unter den Voraussetzungen eines „wrongful trading” oder aus dem Tatbestand des „fraudulent trading” ist für die Haftung wegen Verletzung von steuerlichen Pflichten nicht relevant. Eine etwaige Haftung ist gem. § 69 AO durch Haftungsbescheid gem. § 191 AO geltend zu machen.

Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht dem Erlass von Haftungsbescheiden nicht entgegen, dass der zugrunde liegende Steueranspruch gegen den Steuerschuldner bisher nicht wirksam festgesetzt worden ist ( BFH/NV 1986, 125). Es darf nur keine Festsetzungsverjährung für den Steueranspruch eingetreten sein (Ableitung aus § 191 Abs. 3 Satz 4 und Abs. 5 Nr. 1 AO). Die Fallgestaltung fehlender Steuerfestsetzungen vor der Inhaftungnahme ergibt sich in der Praxis u. a., wenn eine Kapitalgesellschaft bereits im Handelsregister gelöscht wurde oder gegen den Steuerschuldner das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und Steuerbescheide nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr gegen ihn erlassen werden können. Dann kann der z. B. nach den §§ 191, 34, 35, 69 AO Haftende gleichwohl zur Haftung herangezogen werden. Auch wenn die Voraussetzungen des § 156 Abs. 2 AO vorliegen und die Steuerfestsetzung wegen Aussichtslosigkeit der Verwirklichung damit unterbleibt, z. B. nach Abschluss der Liquidation einer Ltd. oder Löschung der Ltd. im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit, kann die Haftung geltend gemacht werden.

Als Haftungsvorschrift kommt § 69 AO i. V. mit §§ 34 oder 35 AO in Betracht. Neben dem Geschäftsführer (director, auch wenn er sog. Massenfunktionsträger ist) als gesetzlichem Vertreter haften ggf. i. V. m. § 35 AO ein faktischer Geschäftsführer (dies kann z. B. auch der Alleingesellschafter oder Mehrheitsgesellschafter einer Ltd. sein, vgl. BStBl 1991 II, S. 284) oder ein Generalbevollmächtigter (BFH/NV 1992, 76, 77).

3.9 Zuständigkeit

Vgl. hierzu das BStBl 2006 I, S. 690.

3.9.1 Umsatzsteuer

Gem. § 21 Abs. 1 Satz 2 AO i. V. mit der UStZustV ist für Unternehmer, die Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes haben, die örtliche Zuständigkeit in Umsatzsteuersachen einem Finanzamt für den Geltungsbereich des Gesetzes übertragen worden; für im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland ansässige Unternehmer ist dies das FA Hannover-Nord. Die zentrale Zuständigkeit nach § 21 Abs. 1 Satz 2 gilt bereits dann, wenn auch nur ein Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Kriterien Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung im Ausland gegeben ist. § 21 Abs. 1 Satz 2 hat daher Vorrang vor § 21 Abs. 1 Satz 1.

Die zentrale Zuständigkeit nach § 21 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. der UStZustV ist insbesondere in den Fällen von Bedeutung, in denen ein Unternehmen vom Ausland aus betrieben wird und der Unternehmer im Inland nicht einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig ist. Sie ist aber auch zu beachten, wenn der Unternehmer im Inland zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer zu veranlagen ist.

Ein Auseinanderfallen der örtlichen Zuständigkeiten für die Ertrags- und Umsatzbesteuerung kann allerdings zu einem erschwerten. Verwaltungsvollzug führen, z. B. bei Kapitalgesellschaften mit statutarischem Sitz im Ausland und Geschäftsleitung im Inland. Betroffen sind beispielsweise Fälle, in denen ein bisher im Inland ansässiges Unternehmen in eine Ltd. umgewandelt wird oder eine Ltd. neu gegründet wird, die lediglich ihren statutarischen Sitz in Großbritannien hat, aber allein oder überwiegend im Inland unternehmerisch tätig und unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist.

In diesen Fällen ist im Regelfall eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 herbeizuführen, nach der das für die Ertragsbesteuerung zuständige ortsnahe Finanzamt auch für die Umsatzsteuer zuständig wird.

Zu den Einzelheiten siehe , AO-Kartei § 21 AO Karte 2.

3.9.2 Zuständigkeit für die Körperschaftsteuer bei Bauleistungen

Liegen die Voraussetzungen des § 20a Abs. 1 Satz 1 vor, beschränkt sich die Zuständigkeit nicht auf den Steuerabzug nach §§ 48 ff. EStG und auf Umsätze aus Bauleistungen; sie erfasst die gesamte Besteuerung des Einkommens des Unternehmers (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer). Das nach § 20a Abs. 1 Satz 1 zuständige Finanzamt ist auch für die Umsatzsteuer (§ 21 Abs. 1 Satz 2) und die Realsteuern (§ 22 Abs. 1 Satz 2) zuständig. Siehe auch Rz. 100 des , BStBl 2002 I S. 1399.

Zur Vermeidung eines erschwerten Verwaltungsvollzugs ist im Regelfall eine von der zentralen Zuständigkeit nach § 20a Abs. 1 und 2, § 21 Abs. 1 Satz 2 und § 22 Abs. 1 Satz 2 abweichende Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 mit dem ortsnahen Finanzamt herbeizuführen, wenn

  • das Unternehmen nur gelegentlich Bauleistungen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG erbringt oder

  • das Unternehmen Bauleistungen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG erbringt, die im Verhältnis zum Gesamtumsatz nur von untergeordneter Bedeutung sind, oder

  • eine zentrale Zuständigkeit weder für den Steuerpflichtigen noch für die Finanzbehörden zweckmäßig ist.

3.10 Gesellschafter – nachträgliche Anschaffungskosten bei eigenkapitalersetzenden Darlehen

Für die Berücksichtigung eines Darlehens im Rahmen von § 17 EStG ist erforderlich, dass dieses den gleichen Bindungen unterliegt, wie sie der BFH für das einer deutschen Kapitalgesellschaft überlassene Darlehen fordert, das als eigenkapitalersetzend anerkannt werden soll. Im englischen Recht sind die Gesellschaften allgemein und darunter auch die Ltd. betreffenden Regelungen im Companies Act (CA) von 1985 zusammengefasst; darin findet sich jedoch keine Vorschrift, die der des § 32a GmbHG vergleichbar wäre.

Die Ltd. ist auch nicht automatisch in allen Belangen einer deutschen GmbH gleichzustellen. Die Frage, ob ein Darlehen mit Eigenkapitalersatzcharakter vorliegt, kann nur nach dem für die Gesellschaft gültigen Recht, d. h. nach britischem Gesellschaftsrecht beantwortet werden.

Da das britische Recht keine Kapitalersatzregeln vergleichbar dem § 32a GmbHG kennt, sind verlorene Gesellschafterdarlehen damit nicht nach § 17 EStG berücksichtigungsfähig ( EFG 2005 S. 38).

4 Ltd. und Co KG

Eine Ltd. kann persönlich haftende Gesellschafterin einer deutschen Kommanditgesellschaft sein (LG Bielefeld vom , 24 T 19/05, GmbHR 2006, 89). Die Komplementärfähigkeit kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Gesellschaft zuvor ihrer Verpflichtung zur Anmeldung einer inländischen Zweigniederlassung nachkommt (Süß, GmbHR 2005, 673).

Die Ltd. & Co KG ist steuerlich so zu behandeln wie eine GmbH & Co KG. Bezüglich der KG gilt deutsches Recht, für die Komplementär Ltd. gilt englisches Recht. Da nach § 170 HGB nur die Komplementärin zur Vertretung der KG befugt ist, obliegt die Vertretung der Ltd. & Co KG dem Director der Ltd.

Die Löschung der Komplementär Ltd. im britischen Companieshouse hat nicht zwingend die Auflösung der Ltd. & Co KG zur Folge. Es handelt sich nicht um einen Auflösungsgrund nach § 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB. Die verbleibenden Gesellschafter sind daher über die beabsichtigten Schritte (z. B. Wiederherstellung der Ltd. oder Aufnahme eines neuen Komplementärs) zu befragen.

4.1 Haftungsvergütung

Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung der Gewinnverteilung einer Personengesellschaft mit einer Kapitalgesellschaft als Vollhafter ist u. a. zu berücksichtigen, ob ein Haftungsrisiko des Vollhafters angemessen vergütet worden ist. Dabei ist danach zu unterscheiden, ob der Vollhafter kapitalmäßig an der Personengesellschaft beteiligt ist oder nicht.

Ist eine Komplementär-GmbH kapitalmäßig an der Personengesellschaft beteiligt, so ist eine Gewinnverteilung dann angemessen, wenn die GmbH auf Dauer Ersatz ihrer Auslagen und eine den Kapitaleinsatz und das Haftungsrisiko gebührend berücksichtigende Beteiligung am Gewinn in einer Höhe erhält, mit der sich eine GmbH zufrieden gegeben hätte, die von gesellschaftsfremden Personen gehalten wird (vgl. BStBl 1968 II S. 152). Allerdings kann von einer besonderen Vergütung für die unbeschränkte Haftung der Komplementär-GmbH dann abgesehen werden, wenn sie ihr ganzes Vermögen oder den größten Teil ihres Vermögens als Kapitaleinlage in die Personengesellschaft einbringt und somit kein besonderes Haftungsrisiko für restliches Vermögen mehr besteht. Das Gleiche gilt für den Fall, in dem die Komplementär-GmbH in ein Unternehmen eintritt, in dem ihre Haftung wahrscheinlich nicht aktuell wird, z. B. weil aufgrund der Geschäftslage sich bisher keine Haftungsrisiken abgezeichnet haben oder das Haftungsvolumen der Komplementär-GmbH gegenüber den Hafteinlagen der übrigen Gesellschafter völlig unbedeutend ist (vgl. a. a. O.). Ein Gewinnanteil zur Abgeltung des Haftungsrisikos der Komplementär-GmbH kommt demnach nur in Betracht, wenn das Haftungsrisiko der GmbH ihre Kapitaleinlage wesentlich übersteigt und sie im Innenverhältnis nicht von der Haftung freigestellt ist. Liegt ein besonderes Haftungsrisiko vor, so könnte die Vergütung entsprechend einer banküblichen Avalprovision (1 bis 3 %) auf denjenigen Teil des Gesamtvermögens der GmbH berechnet werden, der über die Kapitaleinlage hinausgeht (vgl. Hesselmann, Tillmann, Mueller-Thuns, Handbuch der GmbH & Co. KG, § 8 Rz. 187).

Ist die Komplementär-GmbH kapitalmäßig an der Personengesellschaft nicht beteiligt, hat sie nur Anspruch auf Erstattung ihrer mit der Geschäftsführung verbundenen Aufwendungen sowie auf Abgeltung ihres Haftungsrisikos, dem – anders als bei einer Kapitalbeteiligung – nunmehr eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Dieses Risiko wird häufig mit einer Prämie abgegolten, die sich nach einem festen Prozentsatz des Stammkapitals bemisst und daher im Gewinn- und Verlustfall gezahlt wird. Bei der Höhe der Haftungsrisikoprämie (Prozentsatz) darf die längerfristig übernommene Haftung sowie das aktuelle Risiko der Komplementär-GmbH nicht außer Betracht bleiben. Eine Gewinnverteilungsabrede ist daher in der Regel angemessen, wenn sie der GmbH neben einem Auslagenersatz ein Entgelt gewährt, für dessen Höhe eine dem Risiko des Einzelfalls entsprechende, im Wirtschaftsleben für einen derartigen Fall übliche Avalprovision einen Anhaltspunkt bietet (vgl. BStBl 1977 II S. 346). Dabei ist der Prozentsatz der Haftungsprämie höher als im Fall der kapitalmäßigen Beteiligung festzusetzen, weil dem Haftungsrisiko bei fehlender Kapitalbeteiligung eine besondere Bedeutung zukommt. Darüber hinaus kann die Komplementär-GmbH bei zunehmendem Risiko gehalten sein, von einem ihr eventuell zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch zu machen bzw. eine Änderungskündigung derart auszusprechen, dass ihr künftig eine höhere Haftungsrisikoprämie gezahlt wird (vgl. a. a. O.). Letztlich ist regelmäßig durch Vergleich im Einzelfall festzustellen, ob das konkrete wirtschaftliche Risiko der im konkreten Fall gewährten Vergütung entspricht.

Diese Grundsätze gelten entsprechend bei der Beteiligung einer Ltd. Allerdings ist als Besonderheit zu beachten, dass das englische Gesellschaftsrecht kein Mindestkapitalerfordernis kennt. Infolgedessen muss eine Ltd. kein nennenswertes Stammkapital besitzen. Es bedarf lediglich der Nennung eines Nennkapitals in der Satzung, dass nur einen Penny zu umfassen braucht. Jedoch verlangt das zentrale englische Gesellschaftsregister in der Praxis ein Nennkapital von mindestens einem britischen Pfund. Haftungsrechtlich ist jedoch nur das gezeichnete Kapital relevant. Hat zum Beispiel eine Gesellschaft mit einem Nennkapital von einem britischen Pfund zwei Gesellschafter, die jeweils einen Anteil von einem Penny übernommen haben, dann hat die Gesellschaft ein gezeichnetes Kapital in Höhe von zwei Pence. Auf diese Summe ist das Haftkapital der Gesellschaft beschränkt. Im Hinblick auf diese Besonderheiten des englischen Gesellschaftsrechts kann im Einzelfall das Haftungsrisiko der Komplementär-Ltd. eher gering sein. Dementsprechend dürfte nach den vorstehenden Grundsätzen die hierfür gewährte Vergütung auch eher niedrig anzusetzen sein.

OFD Hannover v. - S 2700 - 2 - StO 242


Fundstelle(n):
StBW 2007 S. 8 Nr. 13
EAAAC-44357