Leitsatz
[1] a) Ein formelhafter Ausschluss der Gewährleistung für Sachmängel beim Erwerb neu errichteter oder so zu behandelnder Häuser ist auch in einem notariellen Individualvertrag gemäß § 242 BGB unwirksam, wenn die Freizeichnung nicht mit dem Erwerber unter ausführlicher Belehrung über die einschneidenden Rechtsfolgen eingehend erörtert worden ist (Bestätigung von , BGHZ 101, 350, 353).
b) Von einer eingehenden Erörterung und ausführlichen Belehrung kann nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn sich der Notar davon überzeugt hat, dass sich der Erwerber über die Tragweite des Haftungsausschlusses und das damit verbundene Risiko vollständig im klaren ist und den Ausschluss dennoch ernsthaft will.
Gesetze: BGB § 242 A; BGB §§ 633 ff.
Instanzenzug: LG Düsseldorf 6 O 598/03 vom OLG Düsseldorf I-9 U 179/04 vom
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Mängeln an dem von ihr erworbenen Anwesen als Gesamtschuldner auf Schadensersatz, hilfsweise Minderung in Anspruch.
Mit notariellem Vertrag vom erwarb die Klägerin von den Beklagten ein Einfamilienhaus ("Gebäude I") mit Nebengebäude ("Gebäude II") zum Preis von 450.000 DM.
Die Beklagten hatten das Einfamilienhaus mit Ausnahme des Daches in Eigenleistung teilsaniert. Sie hatten unter anderem die Bodenplatte, die Zwischendecke zum Obergeschoss, sämtliche Zwischenwände einschließlich der Wandverkleidung und die Versorgungsleitungen erneuert. Die von den Beklagten eingeschaltete Maklerin hatte zu diesem Anwesen ein Kurzexposé mit einer Baubeschreibung verfasst, das der Klägerin zugeleitet wurde. Darin sind die von den Beklagten im Zeitraum ab 1997 erbrachten Leistungen im Einzelnen aufgeführt. Die Sanierung und Renovierung der Erdgeschossräume wird als abgeschlossen angegeben. Darüber hinaus ist ausgeführt, welche Leistungen in dem auch von der Klägerin als sanierungsbedürftig erkannten Dachgeschoss ausgeführt werden müssen. Der Umbau des Nebengebäudes zu Wohnzwecken wird als möglich bezeichnet.
Der notarielle Erwerbsvertrag, der auf das Kurzexposé mit der Baubeschreibung nicht Bezug nimmt, enthält unter Nr. 7 bezüglich der Gewährleistung u.a. folgende Regelungen:
"7.1
Der Kaufgegenstand wird verkauft in dem Zustand, in dem er sich am heutigen Tag befindet. Für die Größe des Grundstücks übernimmt der Verkäufer keine Gewähr. Er haftet auch nicht für offene oder versteckte Sachmängel, es sei denn, dass er solche dem Käufer arglistig verschwiegen hat. Der Verkäufer erklärt, dass ihm nichts darüber bekannt ist, dass zur Sanierung des Gebäudes I der Anlage 1 gesundheitsgefährdende Materialien, wie z.B. Formaldehyd, verwandt worden sind.
Der Verkäufer tritt dem Käufer etwaige Gewährleistungsansprüche gegenüber Dritten ab, ohne Gewähr für Bestand und Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche."
Die Klägerin wurde am als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Nach Vertragsschluss stellte sich heraus, dass die von den Beklagten vorgenommenen Sanierungsarbeiten mangelhaft ausgeführt waren.
Infolge eines Sturmschadens drang Feuchtigkeit durch das ungeschützte, sanierungsbedürftige Dach in die Räume des Einfamilienhauses ein. Das Gebäude musste nachfolgend aufgrund einer Ordnungsverfügung des Bauaufsichtsamtes vom abgerissen werden.
Die Klägerin wirft den Beklagten vor, die Mängel ihrer in Eigenleistung ausgeführten Sanierungsarbeiten arglistig verschwiegen und den Umbau des Nebengebäudes zu Wohnzwecken vorgetäuscht zu haben. Sie verlangt Zahlung bezifferten Schadensersatzes sowie die Feststellung, dass die Beklagten zum Ersatz weiteren Schadens verpflichtet sind.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Gründe
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf das Schuldverhältnis der Parteien sind die bis zum geltenden Rechtsvorschriften anwendbar (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht führt aus, die Klägerin könne von den Beklagten weder Schadensersatz wegen Nichterfüllung noch Minderung verlangen.
Nach dem Exposé und der Baubeschreibung sei Ziel der von den Beklagten ausgeführten Arbeiten die Herstellung einer "neuen Immobilie" gewesen. Das ursprünglich Mitte des 19. Jahrhunderts errichtete Haus habe danach vollständig an den heutigen Wohnstandard herangeführt werden sollen. Außer den ursprünglichen Außenmauern habe nahezu nichts von der alten Bausubstanz erhalten bleiben sollen. Das Objekt sei zu diesem Zweck von den Beklagten vollständig entkernt und beginnend vom Erdgeschossfußboden neu aufgebaut worden. Dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Umbauarbeiten noch nicht abgeschlossen gewesen seien, ändere nichts daran, dass die umfangreichen Sanierungsarbeiten zu einem neuwertigen Zustand des Hauses geführt hätten, Vertragsgegenstand insoweit also nicht lediglich ein Altbau gewesen sei. Wegen der bereits von den Beklagten erbrachten Arbeiten sei daher grundsätzlich Werkvertragsrecht anzuwenden.
Für die ihrem Werk anhaftenden Mängel hafteten die Beklagten jedoch nicht. Ein arglistiges Verhalten sei nicht feststellbar, die Haftung im Übrigen gemäß § 637 BGB wirksam ausgeschlossen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne der in einem Individualvertrag enthaltene formelhafte Ausschluss der Gewährleistung für Sachmängel beim Erwerb neu errichteter Häuser gemäß § 242 BGB unwirksam sein, wenn die einschneidenden Rechtsfolgen einer solchen Freizeichnung nicht von vornherein zwischen den Vertragsparteien eingehend erörtert würden und der Erwerber darüber nachhaltig belehrt werde. Bei der im Vertrag enthaltenen Klausel, wonach der Veräußerer für offene oder versteckte Sachmängel nicht hafte, sofern er diese dem Erwerber nicht arglistig verschwiegen habe, handele es sich um einen formelhaften Gewährleistungsausschluss, der in einer Vielzahl von "Kaufverträgen" über Altimmobilien enthalten sei und von den Notaren routinemäßig vorgeschlagen werde. Diese Vertragsbestimmung sei daher der Inhaltskontrolle gemäß § 242 BGB zu unterziehen, wobei entscheidend auf das Zustandekommen der Klausel abzustellen sei. Der Umstand, dass der Notar keine ausdrückliche Belehrung über den konkret formulierten Haftungsausschluss für eventuelle Mängel erteilt habe, führe allein nicht zur Unwirksamkeit der Klausel. Deren Bedeutung müsse im Gesamtzusammenhang der Gewährleistungsvereinbarung unter Nr. 7.1 des Vertrags und der dazu erfolgten Erörterungen gesehen werden. Diese hätten es der Klägerin ermöglicht, den Gewährleistungsausschluss und seine Tragweite zu erfassen. Der Haftungsausschluss sei im Notartermin konkret angesprochen worden. Der Notar habe bei der Gewährleistungsausschlussklausel innegehalten und die Klägerin gefragt, ob sie das Objekt persönlich besichtigt und begutachtet habe, da dies angesichts eines vertraglichen Ausschlusses der Mängelhaftung angeraten sei. Die gewählte, nicht unverständlich abgefasste Klausel könne auch ein Laie verstehen. Die Klägerin habe eingeräumt, dass ihr bereits von ihrer Ausbildung her bekannt gewesen sei, was der Ausschluss der Haftung für Mängel bedeute. Darüber hinaus seien weitere Einzelheiten der Klauseln unter Nr. 7.1 des Vertrags zwischen den Parteien ausgehandelt worden. Die Klägerin habe die Aufnahme der Klausel hinsichtlich der gesundheitsgefährdenden Materialien veranlasst und darauf bestanden, etwaige Gewährleistungsansprüche gegenüber Dritten abgetreten zu bekommen. Gerade die Forderung nach Aufnahme dieser Formulierung belege ein sehr differenziertes Verständnis der Klägerin von der Mangelausschlussklausel, so dass es keiner weiteren Erläuterungen durch den Notar bedurft habe.
II.
Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im wesentlichen Punkt nicht stand. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen den angenommenen Haftungsausschluss der Beklagten für die Mängel des veräußerten Anwesens nicht.
Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass sich hinsichtlich des Gebäudes I die Gewährleistung nach Werkvertragsrecht richtet.
1. Beim Erwerb von Altbauten ist Werkvertragsrecht anwendbar, wenn der Erwerb des Grundstücks mit einer Herstellungsverpflichtung verbunden ist. Übernimmt der Veräußerer vertraglich Bauleistungen, die insgesamt nach Umfang und Bedeutung Neubauarbeiten vergleichbar sind, haftet er nicht nur für die ausgeführten Umbauarbeiten, sondern auch für die in diesem Bereich vorhandene Altbausubstanz nach den Gewährleistungsregeln des Werkvertrags Ohne Bedeutung ist es, ob die Parteien den Vertrag als Kaufvertrag und sich selbst als Käufer und Verkäufer bezeichnet haben (vgl. , BGHZ 164, 225; Urteil vom - VII ZR 257/03, BauR 2005, 542, 544 = NZBau 2005, 216 = ZfBR 2005, 263; Urteil vom - VII ZR 151/88, BGHZ 108, 164, 167 f).
Dies gilt auch dann, wenn die vom Veräußerer übernommenen Arbeiten vor Vertragsschluss bereits ausgeführt wurden (, BauR 2005, 542, 544 = NZBau 2005, 216 = ZfBR 2005, 263). Unerheblich ist, ob bei der Ausführung der Arbeiten bereits die Absicht bestand, das Objekt zu veräußern.
2. Nach diesen Grundsätzen haften die Beklagten nach Werkvertragsrecht für die Mängel, die das Gebäude I nach der für die Herstellungspflichten der Beklagten maßgeblichen Beschaffenheitsvereinbarung aufweist.
a) Für die vertraglichen Pflichten der Beklagten entscheidend ist das der Klägerin zugeleitete Kurzexposé mit der beiliegenden Baubeschreibung, das Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags geworden ist. Dem steht nicht entgegen, dass dieses Kurzexposé mit der Baubeschreibung nicht mitbeurkundet worden ist und sich die Herstellungsverpflichtung der Beklagten damit nicht unmittelbar aus dem notariellen Erwerbsvertrag ergibt. Dies begründet zwar erhebliche Zweifel an der Formwirksamkeit des Vertrags (, BGHZ 164, 225, 228). Diesen Zweifeln braucht jedoch nicht nachgegangen zu werden, da eine eventuelle Formunwirksamkeit infolge der Eintragung der Klägerin im Grundbuch nach erfolgter Auflassung geheilt wäre.
b) In der dem Kurzexposé beiliegenden Baubeschreibung wurde zunächst aufgeführt, welche Baumaßnahmen von den Beklagten zur Sanierung des Altbaus bereits durchgeführt worden waren. Danach wurde das Haus nach kompletter Entkernung, nämlich Entfernung der Bodenplatte im Erdgeschoss, der Zwischendecke zum Obergeschoss, aller Zwischenwände und der Wandverkleidungen im Erd- und Obergeschoss, des Innenputzes und aller Ver- und Entsorgungsleitungen im Erdgeschoss vollständig neu aufgebaut und im Obergeschoss teilsaniert. Unter anderem wurde eine neue Bodenplatte gegossen, eine neue Holzzwischendecke zum Obergeschoss installiert und eine dahinführende Treppe montiert. Das Ziegelmauerwerk wurde, soweit erforderlich, abgetragen und ebenso wie die Innenwände neu aufgemauert. Im Erdgeschoss wurden Elektroleitungen, Wasser- und Heizungsrohre, Abwasserleitungen, Telefon-, Lautsprecher-, Antennen- und Datenleitungen unter Putz verlegt und zum Obergeschoss geführt. Die Fenster und die Hauseingangstür wurden erneuert.
Sodann wurden die Arbeiten aufgeführt, die zur vollständigen Sanierung des Gebäudes noch ausstanden, insbesondere Montage eines neuen Dachstuhls, Dacheindeckung erneuern, Isolieren und Verkleiden der Dachstuhlinnenseite, sowie Elektro- und Sanitärinstallationen im Obergeschoss. Diese Arbeiten sollten nicht von den Beklagten geschuldet sein, sondern von der Klägerin übernommen werden.
c) Die von den Beklagten ausgeführten Arbeiten haben ihrem Umfang und ihrer Bedeutung nach ein derart prägendes Gewicht, dass die Klägerin davon ausgehen konnte, Vertragsgegenstand sei, soweit es um das Gebäude I geht, ein Objekt, das durch eine umfassende, einer Neuherstellung gleichkommende Sanierung gekennzeichnet ist. Dass nicht alle für erforderlich erachteten Arbeiten von den Beklagten bereits vorgenommen oder noch von ihnen durchzuführen waren, vielmehr insoweit gleichsam Eigenleistungen der Klägerin in Aussicht genommen wurden, steht dieser Beurteilung und der daraus folgenden Anwendung von Werksvertragsrecht auf die das Gebäude I betreffenden Vereinbarungen nicht entgegen.
d) Für welche werkvertraglichen Verpflichtungen die Beklagten im Einzelnen einzustehen haben, richtet sich nach der Beschaffenheitsvereinbarung, die die in der Baubeschreibung als noch ausstehend bezeichneten Sanierungsarbeiten ausnimmt. Soweit Mängel darauf beruhen, dass Letztere nicht oder nicht ordnungsgemäß ausgeführt wurden, besteht keine Gewährleistungspflicht der Beklagten. Im Übrigen haften sie nach Werkvertragsrecht für die Baumängel, die das Gebäude I aufweist.
3. Die dargestellte werkvertragliche Haftung für die Mängel des Gebäudes I haben die Parteien in Nr. 7.1 des notariellen Vertrags nicht wirksam ausgeschlossen, § 242 BGB.
a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei der Klausel, der Verkäufer hafte nicht für offene oder versteckte Sachmängel, es sei denn, dass er solche dem Käufer arglistig verschwiegen habe, um einen formelhaften Gewährleistungsausschluss. Das Berufungsgericht geht beanstandungsfrei davon aus, dass die Regelungen zur Gewährleistung individuell vereinbart sind.
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist ein formelhafter Ausschluss der Gewährleistung für Sachmängel beim Erwerb neu errichteter oder so zu behandelnder Häuser auch in einem notariellen Individualvertrag gemäß § 242 BGB unwirksam, wenn die Freizeichnung nicht mit dem Erwerber unter ausführlicher Belehrung über die einschneidenden Rechtsfolgen eingehend erörtert worden ist (, aaO, S. 546; Urteil vom - VII ZR 151/88, BGHZ 108, 164, 168 f; Urteil vom - VII ZR 153/86, BGHZ 101, 350, 353).
c) Die einschneidenden Rechtsfolgen des Gewährleistungsausschlusses sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Rahmen der notariellen Beurkundung des Erwerbsvertrags zwischen den Parteien nicht eingehend erörtert worden. Eine ausführliche Belehrung der Klägerin durch den Notar hat nicht stattgefunden.
Von einer eingehenden Erörterung und ausführlichen Belehrung der Klägerin konnte auch nicht ausnahmsweise abgesehen werden. Eine derartige Ausnahme kann nur unter solchen Umständen in Betracht kommen, unter denen ein beurkundender Notar unter Beachtung seiner Pflichten aus § 17 BeurkG auf eine Belehrung der Parteien verzichten kann, also dann, wenn sich der Notar davon überzeugt hat, dass sich die Beteiligten über die Tragweite ihrer Erklärungen und das damit verbundene Risiko vollständig im Klaren sind und dennoch die konkrete Vertragsgestaltung ernsthaft wollen (vgl. , NJW 1995, 330, 331). Die Voraussetzungen einer solchen Ausnahme hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Die Klägerin ist dadurch, dass der Notar bei der Verlesung der Ausschlussklausel "innegehalten" und nachgefragt hat, ob sie das Objekt persönlich besichtigt und begutachtet habe, nicht auf die besondere Problematik der Freizeichnungsklausel aufmerksam gemacht worden. Nicht ausreichend ist auch die bloße Tatsache, dass der Klägerin von ihrer Ausbildung her die grundsätzliche Bedeutung eines Haftungsausschlusses für Mängel bekannt war und die Freizeichnungsklausel nicht unverständlich abgefasst ist. Dass der Klägerin die volle Tragweite des Haftungsausschlusses bewusst war, lässt sich auch nicht daraus folgern, dass sie auf einer besonderen Regelung betreffend der Verwendung gesundheitsgefährdender Materialien und auf der Abtretung von Gewährleistungsansprüchen gegenüber Dritten bestanden hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 895 Nr. 13
WM 2007 S. 1140 Nr. 24
UAAAC-44035
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja