Unterbrechung des finanzgerichtlichen Verfahrens bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Gesetze: FGO § 116 Abs. 6; ZPO § 240; InsO § 22
Instanzenzug:
Gründe
I. Durch Beschluss des Amtsgerichts (AG)…vom wurde der Kläger und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) zum vorläufigen Treuhänder im Insolvenzantragsverfahren über das Vermögen des A... B... bestellt. Dem Schuldner wurde ein allgemeines Verfügungsverbot gemäß § 22 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) auferlegt. Gleichzeitig wurde die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das gesamte Vermögen des Schuldners auf den Beschwerdeführer als vorläufigen Treuhänder übertragen.
Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) die Aufhebung des Einkommensteuerbescheids für 2002 und die Durchführung der getrennten Veranlagung für die Eheleute B... Mit Bescheiden vom 3. und hob das FA —gegen den Widerstand der Frau B...— den Zusammenveranlagungsbescheid für 2002 auf; über den hiergegen fristgerecht eingelegten Einspruch der Frau B... hat das FA noch nicht entschieden.
Am bzw. sind beim FA die Einkommensteuererklärungen 2003 der Eheleute B... eingegangen; beantragt wurde nunmehr die getrennte Veranlagung.
Mit Schreiben vom , eingegangen bei Gericht am , hat der Beschwerdeführer „Verpflichtungs-Untätigkeitsklage” betreffend Einkommensteuer 2002 und 2003 erhoben. Mit Bescheiden vom 17. Mai bzw. hat das FA die vom Schuldner erstrebten Einkommensteuerbescheide für 2002 und 2003 erlassen. Die Nachfrage des Gerichts, ob das Verfahren fortgeführt oder die nach Ansicht des Gerichts unzulässige Klage aus Kostengründen zurückgenommen werde, nahm der Beschwerdeführer zum Anlass für den rechtlichen Hinweis, das Verfahren sei seiner Ansicht nach durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des AG…vom gemäß § 240 der Zivilprozessordnung (ZPO) unterbrochen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab. Es sei schon rechtlich zweifelhaft, ob der vorläufige Treuhänder, dessen Aufgabe sich lediglich auf die Sicherung und Erhaltung des Vermögens des Schuldners beschränke, zur Erhebung einer Verpflichtungsklage (Untätigkeitsklage) überhaupt berechtigt sei. So sei die Klage analog § 46 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf jeden Fall schon deshalb unzulässig, da —nach eigenen Angaben des Beschwerdeführers— weder zuvor ein Untätigkeitseinspruch i.S. des § 347 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) eingelegt worden noch zu irgendeinem Zeitpunkt ein außergerichtlicher Rechtsbehelf anhängig gewesen sei. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sei das vorliegende Verfahren auch nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen; zwingende Voraussetzung für die Unterbrechung sei, dass der Prozess im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (noch) rechtshängig gewesen sei. Im vorliegenden Fall sei dagegen der Rechtsstreit erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den vorläufigen Treuhänder anhängig gemacht worden.
Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, mit der er die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und wegen Verfahrensmangels begehrt.
Die Entscheidung beruhe auf einem Verfahrensmangel, denn nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei das Verfahren gemäß §§ 155 FGO, 240 Satz 1 ZPO unterbrochen, so dass alle weiteren Prozesshandlungen unwirksam seien. Es trete jedoch keine Nichtigkeit ein, sondern das Urteil müsse von jedem Beteiligten mit den zulässigen Rechtsmitteln angegriffen werden, um es aus der Welt zu schaffen. Die Zulassung der Revision sei auch für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Es stelle sich grundsätzlich die Frage, ob auch ein finanzgerichtliches Verfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen werde. Diese Frage sei für weite Verkehrskreise von erheblicher, grundsätzlicher Bedeutung.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Das Urteil ist verfahrensfehlerhaft ergangen und nicht wirksam geworden.
1. Die Beschwerde ist zulässig, soweit ein Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gerügt worden ist. Ist ein finanzgerichtliches Verfahren nach § 155 FGO i.V.m. § 240 ZPO unterbrochen, weil über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, darf der Prozess bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens bzw. bis zur Aufnahme des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter nicht weiter betrieben werden. Insbesondere darf auch kein Urteil ergehen. Hat das FG in Unkenntnis des Insolvenzverfahrens gleichwohl ein Urteil erlassen, ist dieses nach ständiger Rechtsprechung den Beteiligten gegenüber unwirksam (, BFH/NV 2005, 365). Es kann mit einer auf den Verfahrensmangel gestützten Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 74 Rz 34). Im Beschwerdeverfahren wird das Urteil entsprechend § 116 Abs. 6 FGO aufgehoben. Der Rechtsstreit ist weiter beim FG anhängig.
Darauf hat sich der Beschwerdeführer berufen und damit eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge erhoben.
2. Der gerügte Verfahrensmangel liegt auch tatsächlich vor. Bereits vor Eröffnung der mündlichen Verhandlung am war das Klageverfahren gemäß § 155 FGO i.V.m. § 240 Satz 1 ZPO aufgrund des Beschlusses des AG…über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des A... B... vom unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird (vgl. , BStBl II 2007, 55, BFH/NV 2007, 151; zur Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens s. , BFH/NV 2004, 1547).
Entgegen der Auffassung des FG steht dem nicht entgegen, dass es sich bei dem Beschwerdeführer bei Klageerhebung um einen sog. „starken” vorläufigen Insolvenzverwalter handelte, weil auf ihn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO übergegangen war (vgl. , BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905). Zwar steht ein vorläufiges Insolvenzverfahren mit allgemeinem Verfügungsverbot einem endgültigen Insolvenzverfahren insoweit gleich, als es bereits eine Unterbrechung anhängiger Verfahren, die die Insolvenzmasse betreffen, bewirkt (BFH in BFH/NV 2005, 365). Auch wird der vorläufige Insolvenzverwalter, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übergegangen ist, als gerichtlich bestellter Verwalter fremden Vermögens tätig und hat als solcher nach § 34 Abs. 3 AO die steuerlichen Pflichten des Vermögenseigentümers zu erfüllen, soweit die Verwaltung reicht. Insoweit unterscheidet sich seine Stellung von der des endgültigen Insolvenzverwalters im Wesentlichen nur dadurch, dass er das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten, aber nicht zu verwerten und zu verteilen hat.
Dennoch ist der Wortlaut des § 240 Satz 1 ZPO eindeutig: Danach wird —ohne Einschränkung— im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Insoweit ist es unerheblich, ob der vorläufige Insolvenzverwalter den Prozess vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 22 InsO geführt hat (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 65. Aufl., 2007, § 240 Rz 8; ebenso , Zeitschrift für Insolvenzrecht, Konkurs-Treuhand-Sanierung —KTS— 1989, 925, allerdings noch zum alten Recht, wenn der Rechtsstreit vor der Konkurseröffnung durch einen Sequester geführt worden ist, jedoch vor dem rechtlichen Hintergrund, dass durch die Anordnung der Sequestration bereits anhängige Prozesse des Schuldners nicht nach § 240 ZPO unterbrochen werden). Der Senat folgt im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dieser Auffassung.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass es nach dem Sinn und Zweck des § 240 ZPO, nach welchem dem Insolvenzverwalter ausreichend Bedenkzeit gewährt werden soll, über die Fortsetzung des Prozesses zu entscheiden (Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, § 240 Rz 1), möglicherweise eine einschränkende Auslegung des Wortlauts für die sog. „starken” vorläufigen Insolvenzverwalter in Betracht gezogen werden könnte (s. im Einzelnen Urteilsanmerkung von Wessel, KTS 1989, 925); dennoch müssen die verfahrensrechtlichen Folgerungen aus der Insolvenzeröffnung eindeutig erkennbar sein und dürfen nicht von weiteren Vorfragen, z.B. ob es sich um einen „starken” oder „schwachen” vorläufigen Insolvenzverwalter handelt, abhängig gemacht werden. Zudem muss auch nicht immer eine Personenidentität zwischen vorläufigem und endgültigem Insolvenzverwalter bestehen.
3. Bei dieser Sachlage ist auf die weiter geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nicht einzugehen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1178 Nr. 6
XAAAC-43759