BFH Beschluss v. - I B 110/06

Rechtsbehelfsbefugnis bei Steuerbescheid gegenüber Zweckvermögen

Gesetze: AO § 350; KStG § 1 Abs. 1 Nr. 5; FGO § 40 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist ein Verband in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er hat im Jahr 1998 zusammen mit anderen Organisationen einen Fonds errichtet, der die Aufgabe hat, nachteilige Folgen bestimmter Naturereignisse auszugleichen. Der Fonds ist nach den einschlägigen Richtlinien ein „unselbständiges Zweckvermögen” des Antragstellers und finanziert sich u.a. durch Einlagen und Beiträge von…sowie aus den Erträgen aus der Anlage vorhandener Finanzmittel.

Im Jahr 1997 hatte der Antragsteller eine Anfrage an den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) gerichtet, in der es um die steuerliche Behandlung des zu gründenden Fonds ging. Daraufhin hatte sich das FA im Januar 1998 in der Weise geäußert, dass die Errichtung des Fonds im Rahmen der hoheitlichen Betätigung des Antragstellers erfolge und deshalb keine steuerlichen Folgen auslöse. Im Anschluss an eine in den Jahren 2002 und 2003 durchgeführte Außenprüfung ging das FA indessen davon aus, dass es sich bei dem Fonds um ein unbeschränkt steuerpflichtiges Zweckvermögen des privaten Rechts i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) handele. Es erließ deshalb einen Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheid für das IV. Quartal 2005 und das I. Quartal 2006, der „an das Zweckvermögen…(Fonds) des…Verbandes (Ast.), c/o…Verband als Treuhänder” gerichtet war. Der Antragsteller hat gegen diesen Bescheid einen Einspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden worden ist.

Einen Antrag des Antragstellers, die Vollziehung des genannten Bescheids auszusetzen, lehnte das FA ab. Das Ablehnungsschreiben trägt den Betreff „für…Fonds des…Verbandes”. Nach Ergehen dieses Schreibens hat der Antragsteller beim Finanzgericht (FG) eine Aussetzung der Vollziehung des Bescheids beantragt; dieser Antrag hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Er beantragt sinngemäß, den Beschluss des FG aufzuheben und die Vollziehung des angefochtenen Bescheids bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Das FG hat den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung schon deshalb zu Recht abgelehnt, weil er unzulässig war. Auf die zwischen den Beteiligten streitigen materiell-rechtlichen Fragen kommt es deshalb nicht an.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Ein darauf gerichteter Antrag kann nur von demjenigen gestellt werden, der zur Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen den Verwaltungsakt befugt ist. Das ist in der Regel nur derjenige, der geltend machen kann, durch den Verwaltungsakt beschwert zu sein (§ 350 der Abgabenordnung; § 40 Abs. 2 FGO).

2. Im Streitfall hat das FG die Antragsbefugnis des Antragstellers zu Recht verneint. Denn der angefochtene Steuerbescheid ist zweifelsfrei nicht gegenüber dem Antragsteller, sondern gegenüber dem Fonds ergangen und kann daher keine eigene Beschwer des Antragstellers auslösen.

a) Der Bescheid ist „an das Zweckvermögen…(Fonds)” des Antragstellers mit dem Zusatz „c/o…Verband als Treuhänder” adressiert. Er richtet sich mithin nicht an den Antragsteller in dessen Eigenschaft als Träger des Fonds; sein Inhaltsadressat ist vielmehr der Fonds selbst. Dies wird in besonderem Maße daran deutlich, dass der Antragsteller in dem Bescheid mit dem Zusatz „c/o” aufgeführt ist; das ist im allgemeinen Sprachgebrauch eine Kurzbezeichnung dafür, dass der eigentliche Adressat eines Schreibens unter der Anschrift eines anderen zu erreichen ist und ihm das Schreiben an diese Anschrift übermittelt werden soll. Die Adressierung des angefochtenen Bescheids lässt daher eindeutig erkennen, dass jener Bescheid eine unmittelbar dem Fonds gegenüber wirkende Regelung beinhalten soll. Diese Sachbehandlung ist zudem konsequent, da das FA den Fonds erklärtermaßen als unbeschränkt steuerpflichtiges Zweckvermögen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG ansieht und ein solches Zweckvermögen als eigenständiges (Steuer-)Rechtssubjekt (vgl. dazu Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 33 AO Rz 64, m.w.N.) selbst Adressat von Steuerbescheiden sein kann. Im Ergebnis muss deshalb der Bescheid in dem genannten Sinne gedeutet werden.

b) Wird gegenüber einem nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG steuerpflichtigen Zweckvermögen ein Körperschaftsteuerbescheid erlassen, so kann das Zweckvermögen diesen Bescheid im eigenen Namen anfechten. Entsprechend hat der beschließende Senat in Bezug auf nichtrechtsfähige Stiftungen im Sinne der genannten Vorschrift entschieden (Senatsurteil vom I R 106/00, BFHE 201, 287); im Hinblick auf die übrigen in der Vorschrift genannten körperschaftsteuerpflichtigen Gebilde gilt dieser Grundsatz gleichermaßen. Zugleich ergibt sich aus jener Entscheidung, dass in einem solchen Fall der zivilrechtliche Träger des betreffenden Gebildes nicht selbst anfechtungsbefugt ist. Mithin fehlt im Streitfall dem Antragsteller die Befugnis, eine Aussetzung der Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheids zu beantragen.

c) Schließlich besteht nicht die Möglichkeit, den seinem Wortlaut nach vom Antragsteller stammenden Antrag dahin auszulegen oder umzudeuten, dass er von dem —antragsbefugten— Fonds gestellt worden ist. Ein solches Vorgehen scheitert daran, dass der sachkundig vertretene Antragsteller im Beschwerdeverfahren ausdrücklich erklärt hat, das FG habe seine Antragsbefugnis zu Unrecht verneint. Seine dahin gehenden Ausführungen lassen erkennen, dass es gerade nicht seinem Willen entsprechen würde, den Antrag als im Namen des Fonds gestellt anzusehen. Insoweit ist der Streitfall deshalb nicht mit demjenigen Sachverhalt vergleichbar, der dem Senatsurteil in BFHE 201, 287 zu Grunde lag: Dort ergab sich aus der Klagebegründung, dass als Klägerin die —dazu befugte— Stiftung auftreten wollte, und die Revision war sogar ausdrücklich von der Stiftung erhoben worden; hier hingegen weisen alle vom Antragsteller abgegebenen Erklärungen auf eine Antragstellung durch diesen selbst hin. Angesichts dessen muss im Streitfall der Grundsatz durchgreifen, dass eine eindeutige Prozesserklärung jedenfalls dann nicht entgegen dem Willen des Erklärenden ausgelegt (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom X B 59/04, BFH/NV 2005, 209; vom V R 8/06, BFH/NV 2006, 1852) oder umgedeutet (, BFH/NV 2004, 803, m.w.N.) werden kann, wenn sie von einem sachkundig vertretenen Beteiligten abgegeben worden ist.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1069 Nr. 6
WAAAC-43340