BGH Beschluss v. - XII ZB 235/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 85 Abs. 2; ZPO § 234 Abs. 1; ZPO § 234 Abs. 1 Satz 1; ZPO § 522 Abs. 1 Satz 2; ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4; ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 574 Abs. 2; ZPO § 575 Abs. 3 Nr. 2; ZPO § 577 Abs. 1 Satz 2

Instanzenzug: AG Traunstein 3 F 88/04 vom OLG München 12 UF 1094/05 vom

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Familiengericht - änderte mit Urteil vom eine gerichtliche Unterhaltsvereinbarung der Parteien dahin ab, dass der Kläger den Beklagten - seiner geschiedenen Ehefrau und seinen beiden aus der Ehe stammenden minderjährigen Söhnen - ab Mai 2001 einen reduzierten Unterhalt zu zahlen hat. Die Entscheidung wurde den Beklagten am zugestellt.

Mit beim Oberlandesgericht am eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten zweiter Instanz beantragten die Beklagten "Bewilligung von Prozesskostenhilfe für (das) Berufungsverfahren gem. hiermit vorbereiteter Berufungsschrift mit Begründung". Weiter heißt es dort u.a.: "Die Berufung gilt für den Fall antragsgemäß bewilligter PKH - Berufungsfrist: .... Die heutige Berufung gilt als eingelegt und das Berufungsverfahren wird durchgeführt, wenn den Berufungsklägern und erstinstanzlichen Beklagten antragsgemäß Prozesskostenhilfe vom Oberlandesgericht München bewilligt wird. Der heutige Schriftsatz enthält bereits Berufungsanträge und Begründung derselben - zunächst zur Begründung der Erfolgsaussicht für die PKH-Anträge. Wenn PKH bewilligt wird, gelten die heutigen Anträge und Begründung derselben für das dann durchzuführende Berufungsverfahren."

Durch Beschluss vom , der den Beklagten am zugestellt wurde, gab das Oberlandesgericht den Prozesskostenhilfeanträgen teilweise statt. Mit Beschluss vom wies es die Beklagten auf die Unzulässigkeit ihrer Berufungen hin. Die Beklagten erklärten mit am beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten zweiter Instanz, die Berufung nun im Umfang der bewilligten Prozesskostenhilfe durchzuführen. Mit am eingegangenem Anwaltsschriftsatz erklärten die Beklagten, die Berufung sei "von Anfang an" ohne Bedingung eingelegt worden. Gleichzeitig beantragten sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist sowie wegen Versäumung der Frist nach § 234 Abs. 1 ZPO.

Das Oberlandesgericht verwarf die Berufungen durch den angegriffenen Beschluss als unzulässig und wies zugleich das Wiedereinsetzungsgesuch zurück. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

a) Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO von Gesetzes wegen statthaft, weil sie sich gegen einen die Berufungen als unzulässig verwerfenden Beschluss nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO richten. Zulässig ist sie indessen nach § 574 Abs. 2 ZPO nur, wenn auch die dort bestimmten Voraussetzungen gegeben sind (Senatsbeschluss BGHZ 155, 21, 22 = FamRZ 2003, 1093). Der Rechtssache muss danach grundsätzliche Bedeutung zukommen oder die Fortbildung des Rechts bzw. die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung müssen eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gebieten. In den Fällen der kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde ist dabei nach § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO eine Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO erforderlich. Der Bundesgerichtshof prüft grundsätzlich nur die Zulassungsgründe, welche die Rechtsmittelbegründung schlüssig und substantiiert dargelegt hat ( - WM 2006, 59, 60 m.N.) oder die sonst offensichtlich sind (vgl. - FamRZ 2004, 947 f.).

b) Die Rechtsbeschwerde verweist für die Zulässigkeit lediglich auf den die Statthaftigkeit des Rechtsmittels ergebenden § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO und beschränkt sich im Übrigen auf Ausführungen zur Begründetheit. Sie erfüllt deshalb die Voraussetzungen des § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht. Da die Rechtsmittelbegründung somit zu den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO keine ausdrückliche Darlegung enthält, ist die Rechtsbeschwerde nicht in der gesetzlichen Form begründet und bereits deshalb nach § 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen (Zöller/Gummer ZPO 26. Aufl. § 575 Rdn. 6).

2. Zulassungsgründe nach § 574 Abs. 2 ZPO sind jedoch auch unabhängig von der Frage, ob die Begründung der Rechtsbeschwerden den formalen Anforderungen des § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO genügt, nicht ersichtlich. Die angegriffene Entscheidung lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

a) Mit dem am beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz haben die Beklagten von der Gewährung von Prozesskostenhilfe abhängig gemachte und damit unzulässige Berufungen eingelegt.

Sind die formalen Anforderungen an eine Berufungsschrift - wie hier - erfüllt, kommt eine Deutung, dass der Schriftsatz gleichwohl nur als bedingte Berufung bestimmt war, in Betracht, wenn sich dies entweder aus dem Schriftsatz selbst oder sonst mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 165, 318, 320 f. = FamRZ 2006, 400; vom - XII ZB 31/05 - FamRZ 2005, 1537 und vom - XII ZB 25/04 - FamRZ 2004, 1553, 1554). Das ist hier der Fall. Der Schriftsatz enthält die ausdrückliche Erklärung, es handle sich um eine "vorbereitete" Berufungsschrift mit Begründung. Diese sollte ausdrücklich "zunächst zur Begründung der Erfolgsaussichten für den Prozesskostenhilfeantrag" dienen und nur "für den Fall antragsgemäß bewilligter PKH" gelten. In diesem Zusammenhang ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch der Hinweis, die heutige Berufung gelte als eingelegt und das Berufungsverfahren werde durchgeführt, wenn den Berufungsklägern antragsgemäß Prozesskostenhilfe bewilligt werde, nach seinem objektiven Erklärungswert nur dahin zu verstehen, dass die Berufungen von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe abhängig gemacht werden. Die Ausführungen der Beklagten sind nicht mit der Erklärung vergleichbar, allein die Durchführung der Berufung werde von der Gewährung von Prozesskostenhilfe abhängig gemacht, was die Auslegung rechtfertigen kann, der Rechtsmittelführer lege unbedingt Berufung ein und behalte sich lediglich für den Fall der Versagung von Prozesskostenhilfe die Zurücknahme der Berufung vor (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 25/04 - FamRZ 2004, 1553, 1554).

b) Die von den Beklagten mit am beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz erfolgte Klarstellung, die Berufungen nun im Umfang der bewilligten Prozesskostenhilfe durchzuführen, ist als erneute, unbedingte Berufungsschrift zu werten (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 31/05 - FamRZ 2005, 1537). Dies ändert an der Unzulässigkeit der Berufungen indessen nichts, da die unbedingten Rechtsmittel erst nach Ablauf der Berufungsfrist (§ 517 ZPO) beim Oberlandesgericht eingingen.

c) Das Oberlandesgericht hatte entgegen dem Vorbringen der Beklagten auch keine Veranlassung, ihnen Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist bzw. die versäumte Frist nach § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu gewähren.

Ein Rechtsmittelführer, der innerhalb der Rechtsmittelfrist Prozesskostenhilfe durch einen Rechtsanwalt beantragt hat, ist bis zur Entscheidung über seinen Antrag wegen Mittellosigkeit als unverschuldet verhindert anzusehen, das Rechtsmittel wirksam einzulegen, sofern er nach den gegebenen Umständen nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen mangelnder Bedürftigkeit rechnen muss (vgl. für den Fall eines mit einer unzulässigen Berufung verbundenen ordnungsgemäßen Prozesskostenhilfeersuchens - NJW 1999, 2823). Nachdem das Oberlandesgericht bereits mit den Beklagten am zugestelltem Beschluss über den Prozesskostenhilfeantrag entschieden hatte, ist der am beim Berufungsgericht eingegangene Schriftsatz der Beklagten, der die erneuten Berufungseinlegungen und damit die versäumten Prozesshandlungen enthielt, indessen nicht mehr rechtzeitig innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist nach § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingegangen.

Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, die Berufungs- und die Wiedereinsetzungsfrist deshalb unverschuldet versäumt zu haben, weil das Berufungsgericht sie erst mit Beschluss vom auf die Unzulässigkeit ihrer Rechtsmittel hingewiesen habe. Da der Schriftsatz vom objektiv nur als bedingte und damit unzulässige Berufungseinlegung angesehen werden konnte, hatte das Oberlandesgericht nicht die Pflicht, die Beklagten vor Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist auf die Unzulässigkeit ihrer Rechtsmittel hinzuweisen. Vielmehr durfte es davon ausgehen, auch der Prozessbevollmächtigten der Beklagten sei die Unzulässigkeit des Rechtsmittels bewusst, weshalb sie nach Zustellung des Prozesskostenhilfebeschlusses vom innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen und die versäumte Prozesshandlung nachholen werde. In dem pflichtwidrigen Verkennen der gesetzlichen Berufungs- und Wiedereinsetzungsfristen liegt ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten, das den Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

Fundstelle(n):
TAAAC-42745

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein