Leitsatz
[1] Hat der vorläufige Verwalter vom Schuldner zur Sicherheit abgetretene Forderungen eingezogen, obwohl der Sicherungsnehmer dem Schuldner die Einziehungsbefugnis entzogen hatte, so steht dem Gläubiger bei Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen ein Anspruch gegen den vorläufigen Verwalter auf Herausgabe der eingezogenen Beträge unabhängig davon zu, ob die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf ihn übergegangen ist.
Gesetze: InsO § 22 Abs. 2; InsO § 23 Abs. 1; InsO § 25 Abs. 2; BGB § 816 Abs. 2
Instanzenzug: LG Konstanz 3 O 336/04 vom OLG Karlsruhe 9 U 94/05 vom
Tatbestand
Am trat die Schuldnerin die ihr gegenwärtig und zukünftig entstehenden Forderungen gegen alle Kunden an die Klägerin zur Sicherung der Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsbeziehung ab. Nach der Abtretungsvereinbarung war die Schuldnerin berechtigt und verpflichtet, die abgetretenen Forderungen einzuziehen, solange die Klägerin von ihren Rechten zur Offenlegung und Verwertung keinen Gebrauch machte. Mit Schreiben vom kündigte die Klägerin das Vertragsverhältnis fristlos und teilte der Schuldnerin mit, sie wolle die ihr abgetretenen Forderungen selbst verwerten. Ferner forderte sie die Schuldnerin auf, eine Debitorenliste vorzulegen und auf die Forderungen eingehende Zahlungen an sie auszukehren.
Am bestellte das Insolvenzgericht einen vorläufigen Verwalter über das Vermögen der Schuldnerin und ordnete an, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam seien. Dieser wurde ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen und eingehende Gelder entgegenzunehmen. In der Folgezeit zog der Verwalter auf ein von ihm eingerichtetes Treuhandkonto Mietzinsforderungen ein, die der Schuldnerin als gewerbliche Zwischenvermieterin zustanden und unter die vorgenannte Abtretung fielen. Mit Beschluss vom lehnte das Insolvenzgericht die Eröffnung des Verfahrens über das Vermögen der Schuldnerin mangels Masse ab und hob die angeordneten Sicherungsmaßnahmen auf. Auch nach diesem Zeitpunkt gingen noch Mietzinszahlungen der Drittschuldner auf das vom vorläufigen Verwalter eingerichtete Treuhandkonto ein.
Am erwirkten die Beklagten wegen einer gegen die Schuldnerin gerichteten Forderung in Höhe von 1.431,62 € zuzüglich Nebenforderungen einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, der etwaige der Schuldnerin gegenüber dem ehemaligen Verwalter zustehende Rückgewähransprüche erfasste. Nachdem weitere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gegen den ehemaligen Verwalter erlassen worden waren, hinterlegte dieser den auf dem Treuhandkonto befindlichen Restbetrag im Mai 2003 zugunsten der Prätendenten beim zuständigen Amtsgericht.
Die Klägerin macht geltend, ihr stehe gegenüber der Schuldnerin aus der Bankverbindung eine über den hinterlegten Betrag hinausgehende Forderung zu. Die von der Beklagten erwirkte Pfändung gehe angesichts der vorrangigen Sicherungsabtretung ins Leere.
Das Landgericht hat die Beklagten zur Freigabe verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Gründe
Die Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Pfändung der Beklagten sei ins Leere gegangen, weil der Schuldnerin keine Ansprüche gegen den ehemaligen vorläufigen Verwalter zustünden. Die Klägerin habe gemäß § 816 Abs. 2 BGB vom Verwalter verlangen können, den durch die Einziehung der Mietforderungen erzielten Erlös an sie auszukehren. Sie habe mit ihrem Schreiben vom der Schuldnerin hinsichtlich der abgetretenen Mietforderung die Einziehungsbefugnis entzogen. Mit ihrer Erklärung, es werde von der Offenlegung und Verwertungsbefugnis Gebrauch gemacht und um Übersendung einer aktuellen Debitorenliste gebeten, habe sie hinreichend deutlich gemacht, die Schuldnerin solle die abgetretenen Forderungen nicht mehr selbst einziehen. Der vorläufige Verwalter habe demnach unberechtigt, aber wegen Gutgläubigkeit der Schuldner nach § 407 BGB wirksam die an die Klägerin abgetretenen Forderungen eingezogen. Der im Beschluss vom angeführten Ermächtigung, "sonstige Forderungen" einzuziehen, komme nur Bedeutung für das Verhältnis zwischen ihm und der Schuldnerin zu. Die Globalabtretung sei wirksam. Eine Übersicherung liege nicht vor. Die schuldrechtliche Freigabeklausel entspreche den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Mit Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse sei der vorläufige Verwalter in entsprechender Anwendung von § 25 Abs. 2 InsO verpflichtet gewesen, die nach § 816 Abs. 2 BGB gegen ihn gerichteten Ansprüche der Klägerin zu erfüllen. Da der vorläufige Verwalter schon während des laufenden Verfahrens den Erlös unrechtmäßig eingezogener Forderungen habe auskehren dürfen, gelte dies erst recht für Forderungen, die noch bei Beendigung des Verfahrens offen gewesen seien. Rechtlich schützenswerte Interessen des Schuldners, in den Genuss von Geldern zu kommen, die von Drittschuldnern unrechtmäßig eingezogen worden seien, bestünden nicht.
Soweit der vorläufige Verwalter auch nach Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen durch Beschluss vom weiterhin Mietzahlungen der Drittschuldner eingezogen habe, ergebe sich der klägerische Anspruch gleichfalls aus § 816 Abs. 2 BGB. Der ehemalige vorläufige Verwalter habe als Dritter, von der Schuldnerin nach § 185 BGB ermächtigt, die ihr nicht zustehenden Mietforderungen eingezogen. Jedenfalls mit Klageerhebung habe die Klägerin den Forderungseinzug durch den ehemaligen Verwalter genehmigt, weshalb dieser zur Auskehr des Erlöses verpflichtet sei.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Klägerin aufgrund der wirksamen Globalabtretung und der Offenlegung der eigenen Verwertungsabsicht gegenüber der Schuldnerin die Befugnis zustand, die abgetretenen Mietzinsforderungen selbst einzuziehen. Der vorläufige Verwalter hat die Zahlungen der Mieter im Verhältnis zur Klägerin daher als Nichtberechtigter erhalten.
a) Die zwischen der Klägerin und der Schuldnerin vereinbarte Globalabtretung ist, wie das Berufungsgericht von der Revision unangegriffen festgestellt hat, nicht gemäß § 138 BGB unwirksam. Eine Übersicherung liegt im Hinblick auf den Umstand, dass es sich um eine revolvierende Globalsicherheit gehandelt hat, nicht vor. Die schuldrechtliche Freigabeklausel in Nr. 11 des Abtretungsvertrages entspricht den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (BGHZ 137, 212, 228). Auch hat das Berufungsgericht in tatrichterlich zulässiger Würdigung des Schreibens vom festgestellt, die Klägerin habe gemäß Nr. 10.2 des Abtretungsvertrages von ihrer Befugnis der Offenlegung und eigenen Verwertung der abgetretenen Mietzinsforderungen Gebrauch gemacht. Auch hiergegen wendet sich die Revision nicht.
b) Dem vorläufigen Insolvenzverwalter sind Verwertungs- und Abwicklungsmaßnahmen aus eigenem Recht in der Regel nicht gestattet (BGHZ 144, 192, 199; 146, 165, 172; 154, 72, 79; , ZIP 2002, 1630, 1632; Urt. v. - IX ZR 218/02, WM 2003, 1367). Die Anwendung des § 166 Abs. 2 InsO scheitert bereits daran, dass die dem Verwalter durch diese Vorschrift eingeräumte vorrangige Verfügungs- und Einziehungsermächtigung erst ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung gewährt wird.
Der vorläufige Insolvenzverwalter hat auch nicht durch das Insolvenzgericht die Befugnis zur Einziehung der an die Klägerin zur Sicherheit abgetretenen Forderungen erhalten. Das in den Beschluss vom aufgenommene Verbot an die Drittschuldner, an die Schuldnerin zu zahlen, sowie die dem Beklagten erteilte Ermächtigung, Forderungen der Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen, entsprach § 23 Abs. 1 Satz 3 InsO. Eine solche Anordnung regelt allein das Rechtsverhältnis zwischen Schuldnerin und vorläufigem Insolvenzverwalter gegenüber Drittschuldnern in einer Weise, die § 80 Abs. 1 und § 82 InsO sowie § 829 Abs. 1 Satz 1 und 2 und § 835 Abs. 1 ZPO entspricht. Beide Anordnungen betreffen dagegen nicht eine etwaige Rechtsbeziehung des Schuldners zu Sicherungsnehmern (BGHZ 154, 72, 82 f). Danach unterlagen die Mietzinsforderungen gegen die Drittschuldner weiterhin dem Einziehungsrecht der Klägerin (vgl. BGHZ 154, 72, 79ff; , aaO S. 1368).
2. Wegen der Gutgläubigkeit der Drittschuldner war die vom Verwalter unbefugterweise veranlasste Einziehung der Mietzinszahlungen wirksam (§ 407 Abs. 1 BGB), so dass die hierdurch betroffene Klägerin gemäß § 816 Abs. 2 BGB berechtigt ist, Herausgabe der Mietzinszahlungen zu verlangen. Dieser Anspruch richtet sich gegen den Verwalter, obwohl das Verfahren später nicht eröffnet wurde.
a) Im Hinblick auf das vom Insolvenzgericht ausgesprochene Verbot, an die Schuldnerin zu leisten und die dem Verwalter - im Verhältnis zur Schuldnerin - erteilte Einziehungsbefugnis sind alle Zahlungen der Mieter als solche an den Verwalter, nicht an die Schuldnerin, anzusehen. Dieser wäre bei Eröffnung des Verfahrens verpflichtet gewesen, die eingezogenen Forderungen zur Erfüllung des zu Gunsten der Klägerin entstandenen Ersatzabsonderungsrechts (§ 48 InsO) an diese auszukehren. Dies rechtfertigt es, einen unmittelbaren Anspruch der Klägerin gegen den vorläufigen Verwalter aus § 816 Abs. 2 BGB hinsichtlich der von ihm eingezogenen Beträge zu bejahen, sofern es nicht zur Eröffnung des Verfahrens kommt.
b) Diese Wertung steht im Einklang mit dem Rechtsgedanken des § 25 Abs. 2 InsO. Nach dieser Vorschrift hat der vorläufige Insolvenzverwalter, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, vor Aufhebung seiner Bestellung aus dem von ihm zu verwaltenden Vermögen die entstandenen Kosten zu berichtigen und die von ihm begründeten Verbindlichkeiten zu erfüllen. Für einen so genannten schwachen vorläufigen Verwalter gilt diese Bestimmung im Regelfall nicht, weil dieser grundsätzlich keine Masseverbindlichkeiten zu begründen vermag, die er vor Aufhebung noch erfüllen müsste (OLG Celle ZIP 2001, 796, 797; HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 25 Rn. 9). Ausnahmsweise wird aber eine analoge Anwendung des § 25 Abs. 2 InsO auf den schwachen Verwalter befürwortet, wenn für diesen die Notwendigkeit besteht, von ihm begründete Erfüllungsansprüche zu befriedigen. Dies wird etwa dann angenommen, wenn der schwache Verwalter ausdrücklich ermächtigt wurde, Masseverbindlichkeiten zu begründen (HK-InsO/Kirchhof, aaO § 25 Rn. 9; FK-InsO/Schmerbach, 4. Aufl. § 25 Rn. 15a). Gleiches gilt, wenn dem Verwalter die Kassenführung übertragen wurde (FK-InsO/Schmerbach, aaO; MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 25 Rn. 7).
Diese Voraussetzungen sind auch bei der hier gegebenen Fallgestaltung zu bejahen. Die Drittschuldner haben aufgrund der Einziehungsermächtigung an den Verwalter anstatt an die Schuldnerin geleistet. Da die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Rechtshandlungen des vorläufigen Verwalters beruhen, erscheint es sachgerecht und steht in Einklang mit der aus § 25 Abs. 2 InsO ersichtlichen Interessenabwägung, die streitgegenständlichen Ansprüche unmittelbar ohne Einziehung der Schuldnerin zu regeln. Diese Ansprüche hätte der Verwalter bei ordnungsgemäßer Handhabung vor Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen befriedigen müssen. Dazu war er auch in der Lage, weil die Mietzinsbeträge auf einem eigens vom ihm eingerichteten Konto geführt wurden. Dieses Konto stand ihm nach Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen weiterhin zur Verfügung. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht zu Recht darauf verwiesen, dass diese Erfüllungsmöglichkeit auch im Interesse des ehemaligen Verwalters liegt, weil er unmittelbaren Ersatzansprüchen des Gläubigers ausgesetzt wäre, wenn er die eingezogenen Beträge der Schuldnerin überlassen hätte. (vgl. , ZIP 1998, 655, 658). Demgegenüber bestehen keine schützenswerten Interessen der Schuldnerin, in den Genuss von Geldern zu kommen, die trotz der Einziehung durch den vorläufigen Verwalter der Klägerin als Sicherungsnehmerin zustehen.
c) Der Herausgabeanspruch der Klägerin bezieht sich nicht nur auf die Mietzinsbeträge, die bis zur Aufhebung der Sicherungsmaßnahme auf das Treuhandkonto seitens der Drittschuldner eingezahlt wurden. Auch nach Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen hat der ehemalige Verwalter das Konto als solches aufrechterhalten und die eingehenden Gelder entgegengenommen. Hierbei hat er nicht als Vertreter der Schuldnerin gehandelt, sondern in seiner Eigenschaft als (ehemaliger) Verwalter (vgl. zur gleich gelagerten Wertung für nach Beendigung eines Treuhandverhältnisses eingehende Zahlungen auf das fortgeführte Treuhandkonto, , ZIP 2005, 1465, 1467). Ob den Drittschuldnern auch insoweit der Gutglaubensschutz des § 407 Abs. 1 BGB zukommt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, weil jedenfalls in den jeweiligen Zahlungsaufforderungen gegenüber dem ehemaligen Verwalter eine Genehmigung seitens der Klägerin nach § 185 BGB zu sehen ist.
3. Zum Zeitpunkt der Hinterlegung stand der Schuldnerin somit kein Anspruch auf Auskehr der unbefugt eingezogenen Mietzinsforderungen gegenüber dem ehemaligen Verwalter zu. Mangels eines entsprechenden Herausgabeanspruchs der Schuldnerin ging die von den Beklagten veranlasste Pfändung ins Leere.
4. Mit der Hinterlegung hat der Verwalter den Herausgabeanspruch der Klägerin erfüllt.
a) Gemäß § 372 BGB kann der Schuldner einer Geldforderung die zu ihrer Tilgung erforderlichen Geldbeträge bei der Hinterlegungsstelle des zuständigen Amtsgerichts hinterlegen, wenn er infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewissheit über die Person des Gläubigers nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen kann. Ist die Rücknahme der hinterlegten Sache ausgeschlossen, so wird der Schuldner durch die Hinterlegung von seiner Verbindlichkeit in gleicher Weise befreit, wie wenn er zur Zeit der Hinterlegung an den Gläubiger geleistet hätte (§ 378 BGB). Voraussetzung ist, dass der Schuldner - auch - den richtigen Gläubiger als Empfangsberechtigten benannt hatte (, WM 2005, 1136, 1138). Gleichzeitig erlischt die Forderung des Gläubigers ( aaO; Urt. v. - IX ZR 174/04, ZIP 2006, 91 f; MünchKomm-BGB/Wenzel, 4. Aufl. § 378 Rn. 6; Staudinger/Olzen [2000] § 378 Rn. 8; Erman/H.P. Westermann, BGB 11. Aufl. § 378 Rn. 1).
b) Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Verwalter hat auch die Klägerin als Gläubigerin benannt. Die Gläubiger haben gegenüber der Hinterlegungsstelle die Annahme erklärt, so dass die Rücknahme der hinterlegten Gelder ausgeschlossen wurde (§ 376 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Damit steht das hinterlegte Geld der Klägerin zu, die Beklagten haben die beanspruchte Freigabe gemäß § 812 BGB zugunsten der Klägerin zu erklären (vgl. BGHZ 35, 165, 170; 109, 240, 244; , NJW-RR 1994, 847).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2007 S. 1079 Nr. 19
NJW-RR 2007 S. 989 Nr. 14
WM 2007 S. 895 Nr. 19
ZIP 2007 S. 827 Nr. 17
XAAAC-42722
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja