Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG Art. 100 Abs. 1; ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1; ArbGG § 72a Abs. 1
Instanzenzug: ArbG Erfurt 4 Ca 4020/02 vom Thüringer LAG 7/1/7 Sa 447/03 vom
Gründe
I. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Hälfte der von ihm abgeführten Beiträge zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Thüringen für die Zeit vom bis zu erstatten.
Der Kläger ist seit dem im Beitrittsgebiet als selbständiger Rechtsanwalt iSd. dritten Unterabschnitts des Gesetzes über die Sozialversicherung der DDR vom zugelassen und übt diesen Beruf seitdem unverändert aus. Mit Wirkung vom wurde der Kläger gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 dieses Gesetzes auf seinen Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Seit dem war der Kläger Mitglied des Versorgungswerks der Rechtsanwälte und leistete ab diesem Zeitpunkt den jeweiligen Regelpflichtbeitrag.
Der Kläger war für die Beklagte als Geschäftsführer tätig. Ihm wurde eine monatliche Entschädigung in Höhe von 10.000,00 DM dafür gezahlt, dass er eigene anwaltliche Mandate nur noch eingeschränkt wahrnehmen konnte. Nach Beendigung der Tätigkeit vertrat der Kläger die Auffassung, ihm sei von der Beklagten die Hälfte seiner Beiträge zum Versorgungswerk zu erstatten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Es hat ausdrücklich dahinstehen lassen, ob das Vertragsverhältnis der Parteien ein Arbeitsverhältnis im Rechtssinne war. Es hat angenommen, ein Anspruch des Klägers auf Zahlung des hälftigen Beitrages nach § 172 Abs. 2 SGB VI iVm. § 683 Satz 2 BGB, § 679 BGB komme auch dann nicht in Betracht, wenn er Arbeitnehmer war. Die angeführte Bestimmung des SGB VI gelte nur für diejenigen Beschäftigten, deren Befreiung von der Versicherungspflicht auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, der die Befreiung von der Versicherungspflicht für Mitglieder einer Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe regelt, beruhe. Die Versicherungsfreiheit des Klägers beruhe jedoch auf der für das Gebiet der ehemaligen DDR anwendbaren Übergangsregelung des § 231a SGB VI. Gründe für die Verfassungswidrigkeit dieser Regelungen seien entgegen der Ansicht des Klägers nicht ersichtlich.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Dagegen richtet sich die vom Kläger erhobene Nichtzulassungsbeschwerde. Diese stützt er auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, ob § 231a SGB VI verfassungsmäßig sei oder nicht.
II. Die Beschwerde hat Erfolg.
1. Nach § 72a Abs. 1 iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann auf Nichtzulassungsbeschwerde die Revision zugelassen werden, wenn "eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung" hat.
Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage in diesem Sinne kann auch die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes sein. Voraussetzung dafür ist zumindest, dass das Landesarbeitsgericht sich damit befasst hat und die übrigen Voraussetzungen der Nichtzulassungsbeschwerde gegeben sind. Unerheblich für die Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde ist, dass dem Bundesarbeitsgericht als Revisionsgericht dann, wenn es von einer Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm ausgeht, die endgültige Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit selbst nicht möglich ist, sondern dass lediglich das Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG in Betracht kommt. Das ändert nichts an der Entscheidungserheblichkeit der Frage, ob eine Norm verfassungsgemäß ist.
Eine einschränkende Auslegung der § 72a Abs. 1 ArbGG, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kommt nicht deshalb in Betracht, weil der von der Verfassungswidrigkeit einer Norm betroffenen Partei die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde offen steht (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a, §§ 90 ff. BVerfGG). Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (vgl. dazu BVerfG 3. Kammer des 1. Senats - 1 BvR 644/05 - NJW 2005, 3059, zu II 1 der Gründe).
2. Die Behauptung einer Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserheblichen Norm im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren macht es nicht entbehrlich, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage darzulegen ( - BFH/NV 2006, 1283, zu II 1 c der Gründe; - IV B 144/04 - BFH/NV 2006, 971, zu 1 der Gründe). Die Begründungsanforderungen werden durch eine derartige Behauptung nicht geringer ( -; - B 12 RA 8/05 B -). Insbesondere hat der Beschwerdeführer nach § 72a Abs. 3 ArbGG darzulegen, warum die Norm verfassungswidrig sein soll (vgl. allgemein zur Auseinandersetzung mit der Rechtsansicht des Landesarbeitsgerichts - AP ArbGG 1979 § 72a Grundsatz Nr. 63 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 99, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
3. Die Begründungsanforderungen sind vorliegend erfüllt. Auch im Übrigen liegen die Voraussetzungen einer zulässigen und begründeten Nichtzulassungsbeschwerde vor. Der Senat sieht insoweit von einer Begründung ab (§ 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG).
Hinweis: Das Beschwerdeverfahren wird nunmehr als Revisionsverfahren fortgesetzt. Mit der Zustellung dieses Beschlusses beginnt die Revisionsbegründungsfrist von zwei Monaten (§ 72a Abs. 6 iVm. § 74 Abs. 1 ArbGG).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2007 S. 2044 Nr. 37
FAAAC-42686
1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein