Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung; Bestimmung der Klärbarkeit einer Rechtsfrage anhand der vorinstanzlichen Entscheidungserheblichkeit
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die von dem Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt —FA—) geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen, soweit sie ordnungsgemäß dargelegt worden sind, im Streitfall nicht vor.
I. Das FA führt aus, die Vorinstanz setze sich als erstes Finanzgericht (FG) mit dem Thema „Mobbing und Werbungskosten” auseinander. Da Mobbingverhalten in der Arbeitswelt immer mehr zunehme und somit die Frage des Werbungskostenabzugs für eine Vielzahl von Fällen an Bedeutung gewinne, sei die Rechtssache bereits deshalb offenkundig von grundsätzlicher Bedeutung. Damit ist indessen die grundsätzliche Bedeutung nicht hinreichend i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargelegt.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ausnahmsweise von der Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung abgesehen werden, wenn diese offenkundig ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn eine Rechtsfrage seit längerer Zeit im Schrifttum gegensätzlich diskutiert wird, vom BFH noch nicht entschieden und für eine Vielzahl von Fällen erheblich ist (, BFH/NV 1997, 882). Auch hier muss jedoch in der Beschwerde die (konkrete) Rechtsfrage deutlich bezeichnet werden, die nach Ansicht des Beschwerdeführers einer Klärung durch den BFH bedarf (, BFH/NV 1999, 1243). Diesem Erfordernis genügt das bloße Stichwort „Mobbing und Werbungskosten” nicht.
II. Nach Auffassung des FA schafft das finanzgerichtliche Urteil ferner Klärungsbedarf im Hinblick auf verschiedene Rechtsfragen:
1. Das FG differenziere nicht zwischen dem Vorliegen einer Erkrankung und einer vorbeugenden Maßnahme zur Erhaltung der Gesundheit. Dies sei jedoch unerlässlich, weil der (BFH/NV 2003, 1167) von den als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähigen Kosten für eine Therapie und die begleitende psychotherapeutische Behandlung Fälle abgegrenzt habe, in denen eine gesunde Person vorbeugend zur Erhaltung der Gesundheit an therapeutischen Sitzungen teilnehme. Hierfür verneine der BFH die Abzugsmöglichkeit als außergewöhnliche Belastung und erst recht als Werbungskosten. Die mangelnde Differenzierung des FG stehe zu dieser Rechtslage offensichtlich im Widerspruch und erfordere eine Entscheidung des BFH zur Rechtsfortbildung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
a) Durch diese Ausführungen wird ein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt. Für die Revisionszulassung zur Rechtsfortbildung (als Spezialfall einer Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung) gelten die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung entwickelten Anforderungen. Erforderlich ist somit, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung des Falles abhängt (z.B. , BFH/NV 2006, 67). Mit der Rüge, das FG differenziere nicht zwischen Krankheitskosten und den Aufwendungen eines Gesunden für die Erhaltung der Gesundheit, hat das FA bereits keine klärungsbedürftige und entscheidungserhebliche Rechtsfrage aufgezeigt. Es erhebt lediglich Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils; damit wird jedoch kein Zulassungsgrund dargetan. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, warum die Prüfung der beruflichen Veranlassung von Aufwendungen der vorliegenden Art auf Fragen der Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit reduziert werden sollte. Schließlich ist dem Beschluss in BFH/NV 2003, 1167 nicht zu entnehmen, dass der BFH die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen „erst recht als Werbungskosten” verneine.
b) Auch im Hinblick auf eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung entspricht die Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO setzt eine Abweichung des finanzgerichtlichen Urteils von der Rechtsprechung des BFH oder anderer Gerichte voraus. Das Vorbringen des FA hierzu lässt bereits die für eine schlüssige Divergenzrüge notwendige (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 42, m.w.N.) Herausarbeitung und Gegenüberstellung von abstrakten, tragenden Rechtssätzen des angefochtenen Urteils und der vermeintlichen Divergenzentscheidung vermissen. Der Umstand, dass das FG eine —nach Auffassung des FA erforderliche— Differenzierung zwischen einer Therapie und vorbeugenden Maßnahmen zur Erhaltung der Gesundheit nicht angesprochen hat, stellt keinen die Vorentscheidung tragenden Rechtssatz dar, der einer Äußerung des BFH über die steuerliche Behandlung von vorbeugenden Maßnahmen gegenübergestellt werden könnte. Abgesehen davon hat das FA nicht dargelegt, dass die vermeintliche Divergenzentscheidung des BFH und das finanzgerichtliche Urteil überhaupt vergleichbare Sachverhalte und identische Rechtsfragen betreffen (vgl. dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 53, 58; , BFH/NV 2006, 740). Tatsächlich trifft beides nicht zu.
c) Die von dem FA in diesem Zusammenhang gerügte fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Zwar kann die Revision zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zugelassen werden, wenn dem FG bei der Auslegung und Anwendung des Rechts schwerwiegende Fehler unterlaufen sind, die geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. dazu , BFH/NV 2004, 1545, m.w.N.). Das FA hat indessen keinen schwerwiegenden und offensichtlichen Rechtsfehler im angefochtenen Urteil dargelegt. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die behauptete Nichtberücksichtigung klägerischer Aussagen betreffend konfliktbedingte Arbeitsausfälle und Kostenübernahmen durch die Krankenkasse einen so schweren Rechtsfehler darstellen soll, dass das Fortbestehen des Urteils das Vertrauen in die Rechtsprechung erschüttern würde.
2. Das FA äußert Zweifel, ob die in dem (BFH/NV 2002, 182) für den Werbungskostenabzug anlässlich der Teilnahme an psychologischen Seminaren entwickelten Rechtsgrundsätze auf die Teilnehmer von Selbsthilfegruppen übertragbar sind. Für diese Steuerpflichtigen komme im Hinblick auf den (BFH/NV 2006, 1474) ein Werbungskostenabzug nicht in Betracht, weil der Teilnehmerkreis der Selbsthilfegruppen nicht homogen zusammengesetzt sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob das FA damit die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Fortbildung des Rechts hinreichend dargelegt hat (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Beschwerde ist insoweit jedenfalls unbegründet.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn eine bestimmte klärungsbedürftige Rechtsfrage in dem angestrebten Revisionsverfahren geklärt werden kann. Die Klärungsfähigkeit der für die Zulassung maßgeblichen Rechtsfrage bestimmt sich danach, ob die Frage für das FG entscheidungserheblich war. Das ist nur dann der Fall, wenn eine Aussage zu dieser Rechtsfrage erforderlich war, um die vom FG getroffene Entscheidung zu begründen (vgl. , BFH/NV 2006, 1134). Dies trifft im Streitfall auf die von dem FA formulierten Rechtsfragen zum vorgeblichen Tatbestandsmerkmal des homogenen Teilnehmerkreises bei Selbsthilfegruppen nicht zu. Das FG hat die geltend gemachten Kosten (Besuch von Anti-Mobbing-Selbsthilfegruppen und Mitgliedsbeitrag) auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen als beruflich veranlasst angesehen. Mit dem Hinweis auf das Urteil in BFH/NV 2002, 182 hat es seine Erwägung belegt, dass private Elemente völlig in den Hintergrund getreten seien, da in den Gruppen ein auf konkrete berufliche Konfliktsituationen zugeschnittenes Wissen vermittelt worden sei. Auf die homogene Zusammensetzung des Teilnehmerkreises ist es damit für die Entscheidung des FG nicht angekommen, so dass es an der Klärbarkeit der vom FA formulierten Rechtsfragen fehlt.
3. Das FA trägt vor, dass die Vorentscheidung die Voraussetzungen für den Werbungskostenabzug schon deshalb als erfüllt ansehe, weil die Selbsthilfegruppen aus „mobbinggeschädigten” Teilnehmern homogen zusammengesetzt seien. Folge man dieser Würdigung, dann wäre ein homogener Teilnehmerkreis u.a. bei Kursen anzuerkennen, die der Stressbewältigung im Berufsalltag dienten, was weitgehend die Möglichkeit zum Werbungskostenabzug eröffnen würde. Damit sei ein allgemeiner Klärungsbedarf gegeben.
Dieses Vorbringen kann nicht zur Zulassung der Revision führen, weil das FG die berufliche Veranlassung der Aufwendungen des Klägers bereits aus anderen Erwägungen als dem vom FA hervorgehobenen homogenen Teilnehmerkreis bejaht hat. Im Übrigen hat das FA keinen Klärungsbedarf im Hinblick auf eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage schlüssig vorgetragen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1172 Nr. 6
GAAAC-42638