BFH Beschluss v. - III B 105/06

Rechtspflicht des Gerichts zur Terminsänderung bei Antrag des Beteiligten wegen erheblicher Gründe; Anforderungen an die Gründe für die Gewährung einer weiteren Schriftsatzfrist

Gesetze: FGO § 155; ZPO § 227

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob im April 2001 Klage wegen Investitionszulage für die Kalenderjahre 1988 bis 1990.

Das Finanzgericht (FG) lud die Beteiligten mit Schreiben vom zur mündlichen Verhandlung am . Auf das Schreiben des bisherigen Prozessbevollmächtigten, seine Vollmacht bestehe nicht mehr, setzte das FG den Termin ab. Mit Schreiben vom lud das FG den Kläger persönlich zur mündlichen Verhandlung am . Anfang Mai meldete sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers telefonisch bei der Berichterstatterin des FG und wies auf die Erforderlichkeit einer Akteneinsicht hin. Zwei Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung beantragte er bei der Berichterstatterin telefonisch Akteneinsicht, die ihm auch —in den Räumen des FG— angeboten, von ihm aber nicht wahrgenommen wurde.

In der mündlichen Verhandlung beantragte der Prozessbevollmächtigte die Vertagung des Termins, da der Kläger ihm erst kurz zuvor das Mandat erteilt habe. Das FG lehnte den Antrag ab, da die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten erst kurz vor der mündlichen Verhandlung kein wesentlicher Grund i.S. des § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) zur Vertagung sei. Dem weiteren Antrag des Prozessbevollmächtigten auf Gewährung einer weiteren Schriftsatzfrist, weil er auf den Fall nicht hinreichend vorbereitet sei, entsprach das FG ebenfalls nicht.

Das FG wies die Klage durch Urteil vom ab und ließ die Revision nicht zu.

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 des GrundgesetzesGG—, § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—), weil das FG seinen Antrag auf Vertagung und Gewährung einer Schriftsatzfrist abgelehnt habe. Der Kläger trägt im Wesentlichen vor:

Er habe seinem Prozessbevollmächtigten Ende des Jahres 2001 das Mandat entzogen. Das FG habe zur mündlichen Verhandlung am auch die Geschäftsführer und den Insolvenzverwalter der S GmbH —zwischen dem Unternehmen des Klägers und der S GmbH hatte ursprünglich eine Betriebsaufspaltung bestanden— geladen. Daraus habe er, der Kläger, geschlossen, das FG sei von einem Beteiligtenwechsel ausgegangen, weil die Geschäftsführer der GmbH zugleich die Komplementäre der M KG seien, welche im Jahr 1993 errichtet worden sei und in welche er seinen Betrieb eingebracht habe. Da der Insolvenzverwalter auch Fachanwalt für Steuerrecht sei, sei er, der Kläger, davon ausgegangen, dass ein sachkundiger Prozessvertreter an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde. Erst am Nachmittag des habe er erfahren, dass der Insolvenzverwalter vom FG abgeladen worden sei und habe seinen Prozessbevollmächtigten gebeten, mit ihm an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung habe er seinem Prozessbevollmächtigten dann erneut Vollmacht erteilt. Sein Prozessbevollmächtigter habe daher nur zwei Tage Zeit gehabt, um sich auf die mündliche Verhandlung vorzubereiten.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).

Die vom Kläger gerügten Verfahrensverstöße (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor.

Das FG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO, § 119 Nr. 3 FGO) nicht dadurch verletzt, dass es seinen Antrag auf Vertagung abgelehnt hat.

Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO kann das Gericht aus erheblichen Gründen einen Termin nach pflichtgemäßem Ermessen aufheben oder verlegen bzw. eine mündliche Verhandlung vertagen. Beantragt ein Beteiligter die Änderung des Termins und kann er sich hierbei auf erhebliche Gründe i.S. von § 227 Abs. 1 ZPO berufen, so verdichtet sich das richterliche Ermessen zu einer entsprechenden Rechtspflicht zur Terminsänderung (, BFH/NV 2006, 1332, m.w.N.). Mangelnde Vorbereitung eines Verfahrensbeteiligten —wie im Streitfall— ist kein erheblicher Grund, es sei denn, der Beteiligte kann sie genügend entschuldigen (§ 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 155 FGO).

Offensichtlich trifft es nicht zu, dass der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten erst zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung mit seiner Vertretung beauftragt hat. Anderenfalls hätte für seinen Prozessbevollmächtigten kein Anlass bestanden, die Berichterstatterin des FG Anfang Mai 2006 auf die Erforderlichkeit einer Akteneinsicht hinzuweisen. Anfang Mai hatte der Prozessbevollmächtigte aber noch zwei Wochen Zeit, um sich auf die mündliche Verhandlung vorzubereiten und ggf. die Akten einzusehen. Der Gesetzgeber geht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 FGO davon aus, dass eine Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen ausreichend ist, um sich angemessen vorzubereiten. Dies gilt im Streitfall umso mehr, als der Prozessbevollmächtigte den Kläger im Einspruchsverfahren und bei Klageerhebung vertreten hat und daher mit dem Sach- und Streitstoff zumindest schon einmal befasst war. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers —wie er vorträgt— wegen des Mandatsentzugs seit dem Jahr 2002 keine Informationen mehr erhalten habe. Denn Streitgegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens ist die Gewährung einer Investitionszulage für die Kalenderjahre 1988 bis 1990.

Selbst wenn der Kläger seinem Prozessbevollmächtigten erst kurz vor der mündlichen Verhandlung wieder das Mandat erteilt haben sollte, lag kein erheblicher Grund für eine Vertagung vor. Auch in diesem Fall konnte der Kläger die mangelnde Vorbereitung nicht genügend entschuldigen, da er dann das Mandat zu spät erteilt hat (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 227 Rz 16). Dem steht nicht entgegen, dass das FG auch die Geschäftsführer und den Insolvenzverwalter der S GmbH zur mündlichen Verhandlung geladen hatte. Denn daraus konnte bzw. durfte der Kläger nicht schließen, er sei nicht mehr Beteiligter des Verfahrens. Seine Ladung enthielt keinen Hinweis darauf, dass das FG ihn nicht mehr als Beteiligten betrachtete, insbesondere war seine Klage im Betreff der Ladung als Verfahrensgegenstand bezeichnet. Im Übrigen hatte der Kläger dem FG erst mit Schriftsatz vom —mithin nach Ergehen der Ladungen— mitgeteilt, er habe zusammen mit seinem Sohn im Jahr 1993 die KG errichtet, so dass —nach seiner Auffassung— Gesamtrechtsnachfolge eingetreten sei.

Da der Kläger im Streitfall keinen erheblichen Grund für eine Vertagung geltend gemacht hat, kann der Senat offen lassen, ob dem Antrag des Klägers —wie das FG im Urteil ausgeführt hat— prozesstaktische, auf Prozessverschleppung zielende Überlegungen zugrunde lagen (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom III B 121/04, BFH/NV 2005, 1373, m.w.N.).

Das FG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör auch nicht durch die Ablehnung der Gewährung einer Schriftsatzfrist verletzt. Im Streitfall lagen die Voraussetzungen für das Nachreichen eines Schriftsatzes gemäß § 283 ZPO i.V.m. § 155 FGO nicht vor. § 283 ZPO setzt voraus, dass sich eine Partei in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären kann, weil es ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist. Der Kläger hat jedoch nicht vorgetragen, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) im Termin zur mündlichen Verhandlung neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorgebracht hat (vgl. hierzu Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 283 Rz 2 a). Dass der Kläger nach Gewährung einer weiteren Schriftsatzfrist —wie er meint— durch Vorlage von Urkunden oder Benennung von Zeugen seinen Sachvortrag hätte vertiefen und das FG von der Richtigkeit seiner Rechtsauffassung überzeugen können, genügt nicht.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1163 Nr. 6
NAAAC-42627