Umsatzsteuerliche Behandlung der Leistungen eines an eine Werkstatt für behinderte Menschen angegliederten Förderbetreuungsbereichs nach § 136 Abs. 3 SGB IX und von Integrationsprojekten nach § 132 Abs. 1 SGB IX
Bezug:
A Förderbetreuungsbereiche nach § 136 Abs. 3 SGB IX
1. Allgemeines
1.1 Definition der Einrichtung „Förderbetreuungsbereich”
Behinderte Menschen, die die in § 136 Abs. 2 SGB IX genannten Aufnahmekriterien für die Förderung und Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen nicht oder noch nicht erfüllen, werden nach § 136 Abs. 3 SGB IX in Förderbetreuungsbereiche aufgenommen. Diese sind den Werkstätten für behinderte Menschen organisatorisch angegliedert, aber rechtlich nicht Teil dieser Werkstätten. Eine räumliche Anbindung erleichtert die Anforderung, behinderte Menschen, die noch nicht die Voraussetzungen für eine Werkstattaufnahme erfüllen, an Maßnahmen der Teilhabe am Arbeitsleben in einer Werkstatt heranzuführen und hierauf vorzubereiten. Es gelten nicht die gesetzlichen Aufgaben der Werkstätten und die an diese gerichteten fachlichen Anforderungen, da im Mittelpunkt die Förderung, Betreuung und Pflege behinderter Menschen steht.
1.2 Rechtsstellung der behinderten Menschen
Für die in den Einrichtungen aufgenommenen behinderten Menschen gelten ausdrücklich nicht die Vorschriften für behinderte Menschen in den Werkstätten. Die behinderten Menschen stehen gegenüber den Einrichtungen nicht in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis, wie dies nach § 138 SGB IX für die in den Werkstätten beschäftigten behinderten Menschen gilt. Sie haben keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt, weil eine zu vergütende Arbeitsleistung nicht erbracht wird und unterliegen auch nicht der Sozialversicherungspflicht.
1.3 Aufgaben und Ziele der Förderbetreuungsbereiche
Im Mittelpunkt steht die Förderung, Betreuung und Pflege behinderter Menschen. In diese Einrichtungen können nur diejenigen behinderten Menschen aufgenommen werden, bei denen von der Fähigkeit, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen, nicht ausgegangen werden kann, weil das Ausmaß der erforderlichen Betreuung und Pflege die Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Bildung und eine Beschäftigung nicht zulässt.
Die in den Förderbetreuungsbereichen angebotenen Maßnahmen haben das Ziel,
die Förderung praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen die für ihn erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen,
auf Maßnahmen der Teilhabe am Arbeitsleben, vor allem in Werkstätten für behinderte Menschen oder vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätten, vorzubereiten,
die pflegerische Versorgung der behinderten Menschen sicherzustellen.
2. Umsatzsteuerliche Behandlung
2.1 Steuerfreie Leistungen
Die Pflege- und Betreuungsleistungen, die in den Förderbetreuungsbereichen erbracht werden, fallen unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 18 UStG, sofern diese Leistungen von einem amtlich anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege oder einem ihm angeschlossenen Mitglied sowie Mitgliedern von Wohlfahrtsverbänden ausgeführt werden und die weiteren Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind. Die Leistungen können auch nach § 4 Nr. 16 Buchstabe e UStG steuerfrei sein, sofern bei den vorgenannten Einrichtungen im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens 40 vom Hundert der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind und die übrigen Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen.
Die Ausführungen in Abschn. 170 Abs. 4 Nr. 4 UStR stehen der Steuerfreiheit nicht entgegen. Die dort in Satz 2 getroffene Aussage, wonach in der Regel keine nach § 4 Nr. 18 UStG steuerfreien Umsätze ausgeführt werden, bezieht sich auf den in Satz 1 erwähnten „eigentlichen Werkstattbereich” im Sinne des § 126 Abs. 1 und 2 SGB IX. Die Vorschrift äußert sich jedoch nicht zu den Umsätzen des organisch zwar an die Werkstatt allgemein angegliederten, rechtlich aber selbständigen Förderbetreuungsbereichs (§ 136 Abs. 3 SGB IX). Dass der Förderbetreuungsbereich nach § 68 Nr. 3 Buchst. b AO einen Zweckbetrieb darstellt, schließt die Steuerfreiheit nicht aus.
2.2 Steuerpflichtige Leistungen
Weitere durch Einzelmaßnahmen erzielte Umsätze, die nicht unmittelbar den Pflege- und Betreuungsleistungen zugeordnet werden können, unterliegen nicht den Steuerbefreiungen des § 4 Nr. 16 Buchstabe e UStG bzw. des § 4 Nr. 18 UStG. Sie können jedoch nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, wenn sie im Rahmen eines Zweckbetriebes erbracht werden.
2.3 Vorsteuerabzug
Die Vorsteuern aus den zur Ausführung der o. g. steuerfreien Umsätze verwendeten Lieferungen und sonstigen Leistungen sind nach § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG nicht abzugsfähig.
In vielen Fällen sind die Förderbetreuungsbereiche den Werkstätten für Behinderte aus organisatorischen Gründen angegliedert. Die Leistungen des Werkstättenbereichs sind sowohl steuerbar als auch steuerpflichtig (siehe zu § 2 – S 7104 – Karte 1). Vorsteuerbeträge aus Lieferungen und Leistungen, die beide Bereiche betreffen, sind entsprechend der Regelung nach § 15 Abs. 4 UStG in einen abziehbaren und nicht abziehbaren Anteil aufzuteilen. Dies gilt z. B. für Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Gebäudes sowie dessen Unterhaltungskosten, Verwaltungskosten oder Inventaranschaffungen.
B Integrationsprojekte nach § 132 Abs. 1 SGB IX
Für Leistungen von Integrationsprojekten kommt eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG nicht in Betracht, weil die Leistungen nicht unmittelbar dem nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung begünstigten Personenkreis zugute kommen (§ 4 Nr. 18 Buchst. b UStG). Diese Leistungen sind vielmehr an Dritte gerichtet.
Zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG wird auf das verwiesen.
OFD Frankfurt am Main v. - S 7175 A - 13 - St 112
Fundstelle(n):
FAAAC-41876