Umsatzsteuerliche Behandlung der Werkstätten für Behinderte
Im Zusammenhang mit der steuerlichen Behandlung der Werkstätten für Behinderte wurde die Frage gestellt, inwieweit diese Werkstätten der Umsatzsteuer unterliegen und – insbesondere bei neuerrichteten Werkstattgebäuden – in welchem Umfang ein Abzug der im Rahmen dieser Werkstätten anfallenden Vorsteuer zulässig ist.
Hierzu ist folgende Auffassung zu vertreten:
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Die Werkstätten für Behinderte sind nach ihren Satzungen und der tatsächlichen Aufgabenstellung als teilstationäre Einrichtungen anzusehen, die in Erfüllung öffentlicher und allgemeiner Sozial- und Fürsorgepflichten der Eingliederung geistig und körperlich Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft durch arbeitstherapeutische Maßnahmen dienen.
Die Rechtsgrundlagen für die Einrichtung der Werkstätten für Behinderte finden sich in folgenden Vorschriften:
Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX) vom (BGBl 2001 I S. 1046), zuletzt geändert durch Drittes Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom (BGBl 2005 I S. 1138)
Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) vom (BGBl 2003 I S. 3022), zuletzt geändert durch Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom (BGBl 2005 I S. 818)
Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) vom (BGBl 1997 I S. 594), zuletzt geändert Zweites Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom (BGBl 2005 I S. 1530)
Werkstätten für Behinderte haben meist die Rechtsform eines eingetragenen Vereins und sind in der Regel einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen.
2 Von den Werkstätten für Behinderte werden im Wesentlichen folgende Leistungen erbracht:
2.1 Steuerbare und steuerpflichtige Leistungen
2.1.1 Leistungen des Werkstättenbereichs
Hierunter fallen die Umsätze des eigentlichen Werkstättenbereichs. Diese Umsätze sind sowohl steuerbar als auch steuerpflichtig. Sie sind jedoch unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern.
2.1.2 Unentgeltliche Wertabgaben
Erbringt eine Werkstatt für behinderte Menschen, die als kommunaler Eigenbetrieb geführt wird, gleichwohl aber kooperatives Mitglied eines Wohlfahrtverbandes ist, Dienstleistungen an die eigene Trägerkörperschaft und stellt sie Ihre Leistungen in Rechnung, liegt eine unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a S. 1 Nr. 2 UStG vor, auf die der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG anzuwenden ist.
2.2 Steuerbare, jedoch in der Regel steuerbefreite Leistungen
2.2.1 Beköstigung der Behinderten
Bei diesen Umsätzen handelt es sich um Leistungen, die nach der Verwaltungsauffassung unmittelbar den Behinderten zugute kommen.
Unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 18 UStG sind diese Leistungen, die die Werkstatt unmittelbar selbst an die Behinderten erbringt, von der Umsatzsteuer befreit. Das Entgelt für diese Leistungen besteht aus den Zahlungen der Behinderten selbst sowie aus den im Rahmen der Pflegesätze vom Landeswohlfahrtsverband (LWV) geleisteten Kostenerstattungen. Diese Kostenerstattungen erfolgen insoweit in Erfüllung der den Behinderten gegenüber auf Grund der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII bestehenden Leistungsverpflichtung. Anspruchsberechtigter Ist dem Grunde nach der Behinderte. Die Zahlungen unmittelbar an die Werkstätte stellen jedoch nur eine Abkürzung des Zahlungswegs dar.
2.2.2 Beköstigung des übrigen Personals
Die Beköstigung des übrigen beschäftigten Personals erfolgt ebenfalls im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs, der – soweit die Beköstigung als Vergütung für geleistete Dienste erfolgt – unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 18 Satz 2 UStG von der Umsatzsteuer befreit ist.
Soweit die Werkstattbediensteten (Betreuer usw.) auf freiwilliger Basis gegen besondere Entgeltszahlung an der Gemeinschaftsverpflegung teilnehmen, kommt insoweit die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG nicht zum Zuge.
Der steuerpflichtige Umsatz unterliegt jedoch dem ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG, da die Behindertenwerkstatt ein Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 3. AO ist (vgl. Abschnitt 170 Abs. 3 Satz 3 UStR).
Auch bei der Essensabgabe – z. B. in Form eines Cateringbetriebes an andere begünstigte Werkstätten sowie an andere Unternehmer – greift die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG nicht, da die Leistungen nicht unmittelbar dem begünstigten Personenkreis zugute kommen. Der begünstigte Personenkreis, die Werkstattbeschäftigten, bekommt das Essen nicht von der Werkstatt, die es herstellt und liefert, sondern von der Werkstatt, die das Essen bezieht. Die Werkstattbeschäftigten stehen ausschließlich in einem Vertragsverhältnis mit der belieferten Werkstatt. Ihr Kostenträger bezahlt dieser die Aufwendungen für die Verpflegung. Die liefernde Werkstatt hat nur einen Erstattungsanspruch gegenüber der belieferten Werkstatt.
Da die Leistungen jedoch im Rahmen eines Zweckbetriebes erbracht werden, ist der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG anzuwenden.
2.2.3 Beförderungen der Behinderten zwischen ihrer Wohnung und der Werkstätte
Soweit die Beförderung von den Werkstätten selbst durchgeführt wird, werden die hierbei entstehenden Kosten vom LWV im Rahmen der Pflegesätze erstattet. Beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen handelt es sich hierbei ebenfalls um Leistungen, die unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 18 UStG fallen, da sie dem begünstigten Personenkreis der Behinderten unmittelbar zugute kommen. Die Zahlungen des LWV hierfür sind, da sie wie die Verpflegungsgelder für die anspruchsberechtigten Behinderten geleistet werden, als Entgelt für diese Leistungen anzusehen.
2.2.4 Betreuungs- und Pflegeleistungen
Die Werkstätten für Behinderte erbringen auf Grund ihrer o. a. Aufgabenstellung als eine Art teilstationäre Krankeneinrichtung in gewissem Umfang Betreuungs- und Pflegeleistungen. Hierunter fällt auch die ärztliche Betreuung sowie die Freizeitgestaltung (z. B. Turnhalle, Schwimmbad etc.). Der Umfang und die Abgrenzung dieser Leistungen ergeben sich aus den verschiedenen Organisationsplänen der einzelnen Werkstätten. Da diese Leistungen ebenfalls in den Pflegesätzen des LWV mit erfasst werden, ist auch hier ein Leistungsaustausch zwischen den Werkstätten und den Behinderten zu sehen, der ggf. nach § 4 Nr. 18 UStG von der Umsatzsteuer befreit ist.
2.2.5 Lieferungen und sonstige Leistungen an andere begünstigte Einrichtungen
Auch Lieferungen und sonstige Leistungen an andere begünstigte Einrichtungen sind unter den übrigen Voraussetzungen nach § 4 Nr. 18 UStG befreit, wenn sie unmittelbar dem nach der Satzung. Stiftung oder sonstige Verfassung begünstigten Personenkreis zugute kommt (vgl. Abschnitt 103 Abs. 3 UStR). Die Lieferung z. B. von Halbzeug zur Weiterverarbeitung durch die fremde Werkstätte, fällt nicht unter die vorg. Befreiungsvorschrift, da sie dem begünstigten Personenkreis nicht unmittelbar zugute kommt.
Die vorgenannte Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist vom Steuerpflichtigen entsprechend nachzuweisen. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, kann die Steuerbefreiung nicht in Anspruch genommen werden.
3 Vorsteuerabzug
Ausgehend von diesen Feststellungen können nur die unmittelbar den Werkstattbereich (vgl. Tz. 2.1) betreffenden Vorsteuern abgezogen werden. Die sogenannte „Eingangsstufe”, in der die Behinderten hinsichtlich ihrer Verwendungsfähigkeit untersucht und In den Werkstattbetrieb eingewöhnt werden, ist hierbei in den Werkstattbereich mit einzubeziehen.
Hierzu rechnet das Eingangsverfahren nach § 40 SGB IX.
Die Vorsteuern aus den zur Ausführung der o. g. steuerfreien Umsätze verwendeten Lieferungen und sonstige Leistungen an den Werkstattträger können dagegen nicht abgezogen werden. Soweit einheitliche Gegenstände sowohl zur Ausführung steuerpflichtiger als auch steuerfreier Umsätze verwendet werden (z. B. Verwaltung der Werkstätte) sind die hierauf entfallenden Vorsteuerbeträge entsprechend der Regelung des § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen.
Es erscheint fraglich, ob im Hinblick auf die Einbeziehung der Eingangsstufe in den Werkstattbereich auch die anderen begleitenden Dienste, wie z. B. Gymnastiksaal, Schwimmbad, als „Sozialleistungen” des Unternehmers dem zum Vorsteuerabzug berechtigten Werkstattbereich zugeordnet werden können. Aus Tz. 2.2.4 ergibt sich, dass es sich insoweit in erster Linie um Betreuungsleistungen handelt, die der Zielsetzung der Werkstätte als teilstationäre arbeitstherapeutische Krankeneinrichtung entsprechend – zwangsläufig – dem steuerfreien Umsatzbereich nach § 4 Nr. 18 UStG zuzurechnen sind. Aus der Einbeziehung der „Eingangsstufe” in den Werkstattbereich kann nicht gefolgert werden, dass dies auch für die leicht und eindeutig als Betreuungsleistungen einzuordnenden anderen sog. begleitenden Dienste gilt.
4 Angegliederte Förderbetreuungsbereiche (§ 136 Abs. 3 SGB IX)
Zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Leistungen von einem, an eine Werkstatt für behinderte Menschen angegliederten Förderbetreuungsbereich nach § 136 Abs. 3 SGB IX, wird auf die USt-Kartei OFD Ffm zu § 4 Nr. 18 UStG – S 7175 – Karte 6 verwiesen.
Die (USt-Kartei OFD Ffm § 2 – S 7104 – Karte 1) ist durch diese Vfg. überholt und kann ausgesondert werden. Die Änderungen sind durch einen schwarzen Balken auf der rechten Seite gekennzeichnet bzw. im OFD-Informationssystem in blau dargestellt.
OFD Frankfurt am Main v. - S 7104 A - 25 - St 11
Fundstelle(n):
VAAAC-41875