Leitsatz
[1] Die Verurteilung zu einer Duldung kann die nach § 890 ZPO vollstreckbare Verpflichtung zu einem positiven Tun enthalten, auch wenn dies im Urteil nicht ausdrücklich ausgesprochen worden ist. Dies kann anzunehmen sein, wenn der Schuldner der Pflicht, etwas zu unterlassen, nur gerecht werden kann, indem er neben der Unterlassung auch die positiven Handlungen vornimmt, die notwendig sind, um den rechtmäßigen Zustand zu erreichen.
Der Lauf der in Art. 9 Abs. 1 EGStGB geregelten Verfolgungsverjährung hängt maßgeblich von der Pflichtensituation des Schuldners ab. Ist ein Schuldner aufgrund eines Urteils verpflichtet, tätig zu werden, kann die Verjährung nicht beginnen, solange diese Pflichtensituation fortbesteht und der Schuldner pflichtwidrig untätig bleibt.
Gesetze: ZPO § 890; EGStGB Art. 9 Abs. 1
Instanzenzug: AG Mainz 80 C 436/01 vom LG Mainz 3 T 118/06 vom
Gründe
A. Durch rechtskräftiges Urteil vom hat das Amtsgericht den Schuldner unter Androhung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, verurteilt - Zug um Zug gegen Sicherheitsleistung der Gläubiger in Höhe von 300 € - zu dulden, dass die Gläubiger und die von ihnen beauftragten Handwerker werktäglich von Montag bis Freitag jeweils von 8.00 bis 18.00 Uhr im Innenhof seines Anwesens D. straße 25 in G. an der dort gelegenen Außenwand des Anwesens der Gläubiger G. straße 13 Verputzarbeiten durchführen. Weiter hat es dem Schuldner unter Androhung derselben Ordnungsmittel geboten, zu diesem Zweck den Gläubigern und den von ihnen beauftragten Handwerkern jeweils die Haustür seines Anwesens zu öffnen, damit diese durch Haustür und Hausflur den Hof des Anwesens zur Durchführung der Arbeiten betreten können.
Die Gläubiger haben am beantragt, gegen den Schuldner ein vom Gericht zu bemessendes Ordnungsgeld zu verhängen, weil dieser nicht bereit sei, seine Verpflichtungen aus dem Urteil zu erfüllen, obwohl die Sicherheitsleistung erbracht worden sei. Mit Schreiben vom hätten sie den Schuldner erfolglos aufgefordert, die Arbeiten in der Zeit vom 23. bis 27. September und vom 30. September bis , mit Ausnahme des Feiertags am , zu dulden.
Der Schuldner hat demgegenüber vorgebracht, die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung seien nicht gegeben. Der titulierte Anspruch sei zudem durch Erfüllung erloschen, weil er den Gläubigern dreimal angeboten habe, die Arbeiten an von ihm näher bezeichneten Tagen durchzuführen.
Eine Vollstreckungsgegenklage des Schuldners hat das Amtsgericht Mainz durch Urteil vom abgewiesen. Seine dagegen eingelegte Berufung hat der Schuldner zurückgenommen. Während dieses Verfahrens war das vorliegende Verfahren ausgesetzt.
Mit Schriftsatz vom erneuerten die Gläubiger ihren Antrag, gegen den Schuldner ein Ordnungsgeld zu verhängen. Dieser habe den Gläubigern immer noch nicht ermöglicht, die Arbeiten durchzuführen.
Der Schuldner hat demgegenüber vorgebracht, die Gläubiger hätten eine für den Zeitraum vom 30. Juni bis vereinbarte Gelegenheit für die Verputzarbeiten nicht genutzt. Mit Schriftsatz vom hat er geltend gemacht, ein Ordnungsgeld könne wegen Verjährung nicht mehr festgesetzt werden.
Das Amtsgericht hat gegen den Schuldner ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 €, ersatzweise für je 100 € einen Tag Ordnungshaft, verhängt.
Der Schuldner hat diesen Beschluss mit sofortiger Beschwerde angefochten und beantragt, das Verfahren im Hinblick auf eine weitere von ihm erhobene Vollstreckungsgegenklage auszusetzen.
Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde des Schuldners zurückgewiesen.
Mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seinen Antrag weiter, den Ordnungsmittelbeschluss des Amtsgerichts aufzuheben. Die Gläubiger waren im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht vertreten.
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet, weil die angefochtene Entscheidung nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 576 Abs. 1 ZPO).
I. Das Landgericht hat angenommen, dass die Zwangsvollstreckung nach § 890 ZPO durchzuführen sei. Der Schuldner sei dazu verurteilt worden zu dulden, dass an der Außenwand des Anwesens der Gläubiger Verputzarbeiten durchgeführt würden, die nur von seinem Grundstück aus vorgenommen werden könnten. Diese Duldungspflicht enthalte die Pflicht, den Handwerkern die Haustür seines Anwesens zu öffnen.
Der Schuldner habe den Anspruch, die Handwerkerarbeiten zu dulden, nicht erfüllt. Die Gläubiger hätten geeignete und verlässliche Terminsangebote des Schuldners erwarten dürfen. Dessen schriftliche Angebote vom 17. August sowie vom 21. und hätten dem jedoch schon deshalb nicht genügt, weil der Schuldner sie unberechtigt davon abhängig gemacht habe, dass ihm die Namen der Personen, die sein Grundstück betreten sollten, mitgeteilt würden. Die Gläubiger hätten es auch nicht zu vertreten, dass die Arbeiten nicht wie angeboten in der Zeit vom 30. Juni bis durchgeführt werden konnten. Am sei ihnen die Berufungsbegründung des Schuldners gegen die Abweisung seiner Vollstreckungsgegenklage zugestellt worden. Sie hätten danach davon ausgehen dürfen, dass sich der Schuldner nicht mehr an sein Angebot gebunden fühle. Das weitere Angebot des Schuldners im Schreiben vom , die Arbeiten in der Zeit vom 13. bis vornehmen zu lassen, hätten die Gläubiger im Hinblick auf die damalige Witterung berechtigterweise abgelehnt.
Verfolgungsverjährung sei nicht eingetreten. Der Lauf der Verjährungsfrist beginne erst, wenn die Duldungspflicht beendet sei. Dies sei hier jedoch nicht der Fall.
II. Die Angriffe der Rechtsbeschwerde gegen diese Beurteilung bleiben ohne Erfolg. Das Ordnungsgeld ist zu Recht festgesetzt worden.
1. Die durch rechtskräftiges Urteil ausgesprochene Verpflichtung des Schuldners, die Durchführung von Verputzarbeiten zu dulden, ist - wie das Beschwerdegericht zutreffend angenommen hat - nach § 890 ZPO zu vollstrecken. Dies gilt auch für die bereits in diesem Urteilsausspruch enthaltene Verpflichtung des Schuldners, den Gläubigern zu diesem Zweck durch aktives Tun den Zugang zum Innenhof seines Anwesens zu ermöglichen.
a) Die Verurteilung zu einer Duldung kann die nach § 890 ZPO vollstreckbare Verpflichtung zu einem positiven Tun enthalten, auch wenn dies im Urteil nicht ausdrücklich ausgesprochen worden ist (vgl. BAG BB 2006, 1798, 1799 Tz 19; BayObLG WuM 1991, 315 f. und InVo 1999, 321, 322; OLG Bamberg JurBüro 1991, 1706; OLG Koblenz MDR 1965, 51; OLG Köln OLGZ 1994, 599, 602; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 890 Rdn. 5; Schuschke in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, Bd. I, 3. Aufl., § 890 ZPO Rdn. 2; a.A. OLG Zweibrücken ZMR 2004, 268, 269; vgl. weiter Voss, Die Zwangsvollstreckung aus Unterlassungstiteln, 2005, S. 56 ff., m.w.N. zu abweichenden Ansichten). Dies kann anzunehmen sein, wenn der Schuldner der Pflicht, etwas zu unterlassen, nur gerecht werden kann, indem er neben der Unterlassung auch die positiven Handlungen vornimmt, die notwendig sind, um den rechtmäßigen Zustand zu erreichen. Die Zwangsvollstreckung würde unzumutbar erschwert, wenn der Gläubiger statt dessen darauf verwiesen werden müsste, jeweils einzelne Handlungstitel zu erwirken, da Art und Umfang erforderlich werdender Handlungen in der Regel nicht hinreichend voraussehbar sind. Der Schuldner wird demgegenüber nicht über Gebühr belastet, wenn insoweit auf einen ausdrücklichen Urteilsausspruch verzichtet wird.
b) Die Verurteilung des Schuldners zu dulden, dass vom Innenhof seines Anwesens aus an der Außenwand des Anwesens der Gläubiger Reparaturarbeiten vorgenommen werden, beinhaltet seine Verpflichtung, den Durchgang durch sein Haus in den Innenhof durch Öffnen der Tür zu ermöglichen. Anders kann der Schuldner seiner Duldungspflicht nicht sinnvoll nachkommen.
c) Der Vollstreckung dieser - bereits in der ausgesprochenen Duldungspflicht enthaltenen - Handlungspflicht des Schuldners nach § 890 ZPO steht nicht entgegen, dass der Schuldner durch dasselbe Urteil noch einmal ausdrücklich zu dem aktiven Tun verurteilt worden ist. Die Frage, ob dieser gesonderte Urteilsausspruch auch Grundlage einer Vollstreckung nach § 887 ZPO oder § 888 ZPO sein kann, muss nicht entschieden werden.
2. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Schuldner schuldhaft seine durch rechtskräftiges Urteil ausgesprochene Verpflichtung verletzt, es zu dulden, dass von seinem Anwesen aus Verputzarbeiten an der Außenwand des Anwesens der Gläubiger vorgenommen werden, und dazu den Zugang zu seinem Anwesen durch Öffnen der Haustür zu ermöglichen.
Die Verpflichtung des Schuldners ist inhaltlich lediglich dadurch beschränkt, dass die Duldungspflicht nur an Werktagen von Montag bis Freitag in der Zeit von 8.00 bis 18.00 Uhr besteht. Innerhalb dieser Zeiträume ist der Schuldner verpflichtet, jederzeit und uneingeschränkt den Zugang zu seinem Anwesen zu gestatten. Gegen diese Verpflichtung hat er jedoch bereits vor dem Ordnungsgeldantrag der Gläubiger vom verstoßen, indem er seine Bereitschaft, die Verputzarbeiten zu dulden, trotz der Aufforderung der Gläubiger, den titulierten Anspruch zu erfüllen, auf begrenzte, von ihm oder nur mit seinem Einverständnis festgelegte Zeiträume beschränkt hat. Dieses Verhalten hat der Schuldner während des gesamten Verfahrens fortgesetzt. Die von ihm angebotenen Zeiträume hatte er zudem teilweise ohne ausreichende Rücksicht auf die Erfordernisse der Gläubiger ausgewählt, die aus organisatorischen Gründen für die Verputzarbeiten eine gewisse Vorlaufzeit und hinreichend gute Witterungsverhältnisse benötigen. Ebensowenig war der Schuldner berechtigt, seine Zustimmung zur Durchführung von Arbeiten davon abhängig zu machen, dass ihm die Namen und Anschriften der Personen, die sein Grundstück betreten sollten, benannt würden.
3. Das festgesetzte Ordnungsgeld wird von der Rechtsbeschwerde der Höhe nach nicht beanstandet; es ist jedenfalls nicht überhöht.
4. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist auch keine Verfolgungsverjährung eingetreten. Die Frage, ob dieses Vollstreckungshindernis besteht, ist nach Art. 9 Abs. 1 EGStGB zu beurteilen (vgl. BGHZ 161, 60, 63; BayObLG WuM 1995, 443 f.). Danach beträgt die Verjährungsfrist zwei Jahre und beginnt, sobald die Handlung beendet ist (Art. 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 EGStGB). Der Verjährungsbeginn hängt dementsprechend maßgeblich von der Pflichtensituation des Schuldners ab. Ist ein Schuldner aufgrund eines Urteils verpflichtet, tätig zu werden, kann die Verjährung nicht beginnen, solange diese Pflichtensituation fortbesteht und der Schuldner pflichtwidrig untätig bleibt (vgl. dazu auch Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 78a Rdn. 6; MünchKomm.StGB/Mitsch, § 78a Rdn. 6; Pastor, Die Unterlassungsvollstreckung nach § 890 ZPO, 3. Aufl., S. 303). Im vorliegenden Fall ist der Schuldner verurteilt worden, Verputzarbeiten zu dulden und dazu (durch aktives Tun) den Zutritt zu seinem Anwesen zu ermöglichen. Seine Pflicht, tätig zu werden, hängt deshalb davon ab, dass von den Gläubigern tatsächlich verlangt wird, den Zugang zu ermöglichen. Dies ist jedoch, wie die Vorinstanzen festgestellt haben, während des gesamten Verfahrens geschehen. Gleichwohl hat sich der Schuldner fortdauernd nur bereiterklärt, den Zugang unter Einschränkungen zu ermöglichen. Die Verfolgungsverjährung kann deshalb nicht beginnen, bevor sich der Schuldner bereiterklärt, den Zugang zu seinem Anwesen innerhalb der im Titel festgelegten Zeiten uneingeschränkt zu ermöglichen. Dies hat er bisher nicht getan.
C. Danach ist die Rechtsbeschwerde des Schuldners mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 863 Nr. 12
WM 2007 S. 1416 Nr. 30
HAAAC-41093
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja