Rückforderung von Kindergeld; erhebliche Gründe für die Vertagung der mündlichen Verhandlung
Instanzenzug: KV
Gründe
I. Aufgrund vollstreckbarer Forderungen u.a. der Bundesagentur für Arbeit wegen Rückforderung von Kindergeld betrieb der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) die Zwangsvollstreckung gegen den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger). Da diese ergebnislos verlief, forderte es den Kläger auf, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und dessen Richtigkeit an Eides statt zu versichern. Im Verlauf des dagegen betriebenen Einspruchsverfahrens wies das dafür zuständige Finanzgericht (FG) die Klage gegen die Rückforderung des Kindergeldes ab. Nach Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, die Zwangsvollstreckung fortzusetzen, erging die den Einspruch zurückweisende Einspruchsentscheidung. Die Klage hatte keinen Erfolg. Unter Zurückweisung der die Rechtmäßigkeit der Rückforderungsbescheide betreffenden Einwendungen sah das FG das Verlangen des HZA nach Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung unter Würdigung der angestellten Erwägungen als ermessensgerecht an.
Seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stützt der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und den Verfahrensmangel der Verletzung rechtlichen Gehörs. Er macht geltend, das FG habe seinem Vertagungsantrag stattgeben müssen, damit das für die Überprüfung des Rückforderungsbescheides zuständige FG im Rahmen des von ihm, dem Kläger, gestellten Antrags auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) hätte entscheiden können, ob der Rückforderungsanspruch der Familienkasse wegen Anrechnung des Kindergeldes im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung erloschen sei. Er hält für klärungsbedürftig, „ob ein Zahlungsanspruch der Familienkasse durch eine Anrechnungsverfügung im Steuererhebungsverfahren erloschen ist”.
Das HZA hat die Hauptsache für erledigt erklärt, weil die einzutreibenden Forderungen —offenbar infolge einer Kontenpfändung— beglichen seien.
Der Kläger hält an seiner Beschwerde fest, da die Tilgung nicht auf einem freiwilligen Entschluss beruhe, sondern Folge der Zwangsvollstreckung in die Bankverbindung des Klägers sei.
II. Über die Nichtzulassungsbeschwerde ist zu entscheiden, da der Kläger sich der Erklärung des HZA, die Hauptsache habe sich erledigt, nicht angeschlossen hat. Erledigung der Hauptsache ist nicht eingetreten, da das HZA die streitige Aufforderung zur Abgabe des Vermögensverzeichnisses und der eidesstattlichen Versicherung nicht aufgehoben hat.
Die Beschwerde ist bei Zweifeln daran, ob sie den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügt, jedenfalls unbegründet.
1. Die Rüge des Verfahrensfehlers der unterlassenen Vertagung der mündlichen Verhandlung (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) kann nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn die vom Kläger begehrte Vertagung der Entscheidung im Vollstreckungsverfahren bis zum Ergehen einer Entscheidung über den einstweiligen Rechtsschutz gegen die Kindergeldrückforderung nach der vom FG zu Grunde gelegten Rechtsauffassung —unbeschadet ihrer Richtigkeit— geboten gewesen wäre (, BFH/NV 2006, 1122). So liegt es hier aber nicht. Das FG hat die Nichtbefolgung des Vertagungsantrags damit begründet, dass der Antrag auf AdV des Rückforderungsbescheides wegen bereits eingetretener Rechtskraft dieses Bescheides offensichtlich aussichtslos sei und nur der Verfahrensverzögerung im Streitfall diene. Angesichts dieser —zumindest nachvollziehbaren— Rechtsauffassung, zu der sich der Kläger in seiner Beschwerde nicht geäußert hat, waren die nach § 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung geforderten erheblichen Gründe für eine Vertagung nicht gegeben.
2. Der Einwand, das FG habe außer Acht gelassen, dass der der Vollstreckung zu Grunde liegende Rückforderungsanspruch erloschen sei, richtet sich gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG und kann damit nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn mit Ausführungen zur Fehlerhaftigkeit der Entscheidung des FG wird allenfalls ein Korrekturinteresse im Einzelfall dargelegt, das regelmäßig nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt (BFH-Beschlüsse vom VII B 53/03, BFH/NV 2004, 978, und vom II B 117/03, BFH/NV 2004, 1625, jeweils m.w.N.).
3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO behauptet und der Senat das Vorbringen als Rüge deutet, das FG habe die Bedeutung der Anrechnung des Kindergeldes bei der Einkommensteuerveranlagung auf den Bestand des Rückforderungsanspruchs grundsätzlich verkannt. Abgesehen davon, dass das FG zur Einkommensteuerveranlagung des Klägers keine Feststellungen getroffen und der Kläger insoweit Verfahrensrügen nicht erhoben hat, und weiter abgesehen davon, dass sich die Beschwerde in keiner Weise mit dem Verhältnis des Verfahrens der Rückforderung von Kindergeld zu dem Verfahren der Einkommensteuerveranlagung und seiner Bedeutung im Rahmen des vorliegenden vollstreckungsrechtlichen Rechtsstreits auseinandersetzt, ist die Rechtsfrage, ob ein Zahlungsanspruch der Familienkasse durch eine Anrechnungsverfügung im Steuererhebungsverfahren erloschen sei, nicht klärungsbedürftig. Die Antwort ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Nach § 31 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erhöht sich die unter Berücksichtigung des Abzugs der Freibeträge für Kinder ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld, wenn der Abzug der Freibeträge für Kinder günstiger ist als der Anspruch auf Kindergeld. Ob Kindergeld gezahlt worden ist oder nicht, oder ob es —wie im Streitfall— zurückgefordert wird, ist danach im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung unbeachtlich. Im Erhebungsverfahren spielt es —entgegen der Darstellung des Klägers— ohnehin keine Rolle. Die vom Kläger als „Anrechnung” bezeichnete Berücksichtigung des Kindergeldes führt —falls der Abzug der Kinderfreibeträge günstiger ist als der Anspruch auf Kindergeld— nach der gesetzlichen Konstruktion zur Erhöhung der tariflichen Einkommensteuer und vollzieht sich damit im Steuerfestsetzungsverfahren (§ 2 Abs. 6 Satz 3 EStG). Für eine Auswirkung dieser Einkommensteuerfestsetzung auf den Anspruch der Familienkasse auf Rückzahlung von Kindergeld fehlt jeglicher Anknüpfungspunkt. Ob umgekehrt die Rückforderung des Kindergeldes eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung rechtfertigt, ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich.
4. Über die Folgen, die sich aus dem Wegfall des vollstreckbaren Anspruchs infolge der Tilgung der beizutreibenden Forderung durch eine Kontenpfändung im Laufe des Beschwerdeverfahrens vor dem BFH für die angefochtene Verfügung ergeben, hat der Senat vorliegend nicht zu entscheiden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
IAAAC-40997