Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung; Kindergeld stellt eine einkommensteuerrechtliche Förderung der Familie durch eine Sozialzwecknorm dar
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 31
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhielt für seinen im Jahr 1980 geborenen Sohn Kindergeld. Mit Bescheid vom hob die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) die Festsetzung des Kindergeldes ab März 1998 auf, weil der Sohn sein 18. Lebensjahr vollendet hatte und seine Einkünfte voraussichtlich den maßgeblichen Jahresgrenzbetrag im Jahr 1998 von 12 360 DM (§ 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes —EStG— in der für das Jahr 1998 geltenden Fassung) überschritten. Der Bescheid wurde nicht angefochten.
Mit Schreiben vom beantragte der Kläger für den Zeitraum März 1998 bis Juni 1999 Kindergeld. Nach dem (BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260) seien auch die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge von den Einkünften des Sohnes abzuziehen, so dass die Einkünfte des Sohnes den maßgeblichen Jahresgrenzbetrag nicht überschritten. Mit Bescheid vom lehnte die Familienkasse den Antrag ab, da die vierjährige Festsetzungsfrist bereits abgelaufen sei. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde beruft sich der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) und die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
Der Kläger führt im Wesentlichen aus, der BFH habe bislang nicht entschieden, unter welchen Voraussetzungen die Änderung eines bestandskräftigen Kindergeldbescheides möglich sei, wenn sich die Rechtsprechung zu den Voraussetzungen des Kindergeldanspruches nach Ablauf der Festsetzungsfrist geändert habe. Gleiches gelte für die Fragen, ob die Familienkasse verpflichtet sei, den Kindergeldberechtigten über beim BVerfG anhängige Verfahren aufzuklären oder das Kindergeld im Hinblick auf solche Verfahren vorläufig festzusetzen.
Ferner sei klärungsbedürftig, ob ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bestehe, wenn sich die Rechtslage nach einer bestandskräftigen Entscheidung ändere und eine erneute Antragstellung wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr möglich sei. Im Streitfall hätte die Familienkasse den Kläger aufklären müssen, dass ein Verfahren vor dem BVerfG zur Berechnung der Einkünfte des Kindes anhängig sei. Nach den Urteilen des (SozR 4-1300 § 27 Nr. 2; Die Sozialgerichtsbarkeit 2006, 759) und vom B 10 EG 11/03 R (Informationsdienst europäisches Arbeits- und Sozialrecht —EuroAS— 2004, 162) sei —so der Kläger sinngemäß— eine Sozialleistung bei Verletzung einer Aufklärungspflicht auch dann im Wege des Herstellungsanspruches zu gewähren, wenn die Festsetzungsfristen bereits abgelaufen seien.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn im konkreten Fall eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, die im allgemeinen Interesse einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts eine höchstrichterliche Klärung erfordert (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom III B 202/05, BFH/NV 2006, 1653, m.w.N.).
Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen die Änderung eines bestandskräftigen Kindergeldbescheides möglich sei, wenn sich die Rechtsprechung zu den Voraussetzungen des Kindergeldanspruches nach Ablauf der Festsetzungsfrist geändert habe, lässt sich ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes beantworten und ist damit nicht klärungsbedürftig (vgl. hierzu Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 1653). Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn —wie im Streitfall unstreitig— die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. § 169 AO ist nach § 155 Abs. 4 AO sinngemäß auf die Festsetzung einer Steuervergütung anzuwenden; Kindergeld wird als Steuervergütung monatlich gezahlt (§ 31 Satz 3 EStG).
Auch die Frage, ob der Kläger im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches Anspruch auf Kindergeld hat, bedarf keiner Klärung. Das Kindergeld ist nach geltendem Recht als Steuervergütung ausgestaltet (§ 31 Satz 3 EStG). Auch soweit es nach § 31 Satz 2 EStG der Förderung der Familie dient, stellt es keine Sozialleistung im formellen Sinn dar, sondern eine einkommensteuerrechtliche Förderung der Familie durch eine Sozialzwecknorm (, BFHE 193, 569, BStBl II 2001, 279, und vom VIII R 88/01, BFH/NV 2002, 1156). Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist jedoch nur im Sozialrecht anerkannt (vgl. , BVerwGE 79, 192). Für die Festsetzung des Kindergeldes als Steuervergütung gelten allein die Vorschriften der AO (§ 155 Abs. 4 AO, § 31 Satz 3 EStG) und des EStG, soweit das Gesetz nicht —wie z.B. in § 74 Abs. 2 EStG— ausdrücklich auf Vorschriften des Sozialrechts verweist (vgl. , nicht veröffentlicht, juris, m.w.N.). Im Übrigen würde der sozialrechtliche Herstellungsanspruch dem Kläger auch bei dessen Anwendbarkeit im Streitfall nicht weiterhelfen, da der sozialrechtliche Herstellungsanspruch nicht zu einer mehr als vier Jahre rückwirkenden nachträglichen Leistungsgewährung führen darf (, SozR 3-1300 § 44 Nr. 25).
Den weiter vom Kläger aufgeworfenen Fragen, ob die Familienkasse verpflichtet sei, den Kindergeldberechtigten über beim BVerfG anhängige Verfahren aufzuklären oder das Kindergeld im Hinblick auf solche Verfahren vorläufig festzusetzen, mangelt es an Entscheidungserheblichkeit, da sie für die Beurteilung, ob im Streitfall die Festsetzungsfrist abgelaufen ist oder nicht, nicht relevant sind. Das Finanzgericht (FG) hat seine Entscheidung im Streitfall aber —zu Recht— auf den Ablauf der Festsetzungsfrist gestützt.
Der Kläger wendet sich mit seinen Ausführungen im Grunde gegen die inhaltliche Richtigkeit des Urteils des FG und setzt seine Rechtsauffassung an die Stelle derjenigen des FG. Das vermag die Zulassung der Revision jedoch nicht zu rechtfertigen.
2. Aus den gleichen Gründen ist die Revision nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen. Als spezieller Tatbestand der Grundsatzrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) setzt auch dieser Zulassungsgrund voraus, dass über eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage zu entscheiden ist (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom III B 159/05, BFH/NV 2006, 1884, m.w.N.).
3. Auch eine Divergenz zu den vom Kläger angeführten Urteilen des BSG in SozR 4-1300 § 27 Nr. 2 und in EuroAS 2004, 162 i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist schon deshalb nicht gegeben, weil diesen Urteilen kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt (vgl. hierzu z.B. Senatsbeschluss vom III B 119/05, BFH/NV 2006, 1844, m.w.N.); sie sind zum bayerischen Landeserziehungsgeld ergangen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
WAAAC-40975