Aufwendungen für Schutzmaßnahmen gegen Mobilfunkwellen keine außergewöhnliche Belastung
Gesetze: EStG § 33
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) machte in ihrer Einkommensteuererklärung 2001 Aufwendungen für Schutzmaßnahmen gegen Mobilfunkwellen in Höhe von insgesamt 15 773 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Die vorgenommenen Schutzmaßnahmen bestanden in der Anbringung von Deko-Abschirmgewebe, Vorhängen sowie besonderen Tapeten zum Schutz gegen Mobilfunkwellen. Die Aufwendungen enthielten ferner einen Betrag für baubiologische Beratungen.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) forderte die Klägerin auf, ein vor der Ausführung der Schutzmaßnahmen erstelltes amtsärztliches Attest vorzulegen. Die Klägerin reichte daraufhin u.a. von einem beauftragten Baubiologen erstellte Messprotokolle über elektromagnetische Wellen in ihrem Haus vom November 2001 und Oktober 2002 ein und übermittelte die Ablichtung einer wissenschaftlichen Abhandlung über Mobilfunksendeanlagen und grundrechtliche Schutzpflichten des Staates. Sie teilte ergänzend mit, die Notwendigkeit der Schutzmaßnahmen ergebe sich ihres Erachtens bereits aus dem nachgewiesenen messbaren Anstieg der Strahlenbelastung und bedürfe daher keiner amtsärztlichen Begutachtung.
Das FA berücksichtigte in dem Einkommensteuerbescheid 2001 die geltend gemachten Aufwendungen nicht.
Im Einspruchsverfahren legte die Klägerin ein fachärztliches Attest vom vor, in dem der behandelnde Facharzt für Innere Medizin u.a. bestätigt, dass die Klägerin sich seit dem in seiner Behandlung befinde. Sie habe u.a. über massive Schlafstörungen und Unruhezustände, Muskelverspannungen und Kopfschmerzen geklagt. Im März 2003 habe die Klägerin u.a. einen Schlaganfall erlitten. Durch das Anbringen von Abschirmmaßnahmen sei es zu einer deutlichen Besserung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen gekommen. Bei der Klägerin sei der Zusammenhang zwischen Elektrosmog und „somatoformen Störungen” (körperliche Störungen, die nicht oder nicht ausreichend durch organische Ursachen erklärbar sind) eindeutig nachweisbar. Das FA wies den Einspruch zurück.
Während des Klageverfahrens legte die Klägerin u.a. ein weiteres fachärztliches Attest vom vor, nach dem sie sich wegen vielfältiger Beschwerden, insbesondere Kreislaufdysregulation, Schlafstörungen und chronischer Schmerzen in ärztlicher Behandlung befinde. Die Beschwerden seien nach Aussage der Klägerin auf die Elektrosmogbelastung durch Mobilfunkstrahlung eines in ca. 120 m Entfernung von ihrer Wohnung errichteten Mobilfunkmastes zurückzuführen. Die Wohnung befinde sich in gleicher Höhe zur Antennenanlage. Die gesundheitlichen Einschränkungen seien erheblicher Art und müssten medikamentös behandelt werden. Die Klage blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, die Klägerin habe eine konkrete Gesundheitsgefährdung entgegen der Vorgaben der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) weder durch ein vor der Beseitigungsmaßnahme erstelltes amtliches technisches Gutachten noch zusätzlich durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen. Ein Abzug der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung komme daher nicht in Betracht.
Zur Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, der Rechtsstreit sei entgegen der Auffassung des FG grundsätzlich bedeutsam (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) und eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO). Das FG habe trotz eines entsprechenden Hinweises ihres Prozessbevollmächtigten die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte —EGMR— (Urteil vom 4143/02, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2005, 3767) nicht beachtet. Dort habe der EGMR ausdrücklich auf Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) hingewiesen, der das Recht jeder Person auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz schütze. Sie, die Klägerin, habe darüber hinaus nach Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) ein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Ferner sei der Staat nach Art. 20a GG verpflichtet, in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. Die in Deutschland geltenden Grenzwerte zu den Mobilfunkstrahlungen seien längst überholt und in den Nachbarstaaten erheblich niedriger. Die in diesem Rechtsstreit aufgeworfenen Fragen seien daher von allgemeinem Interesse. Im Streitfall komme hinzu, dass sie keine Möglichkeit gehabt habe, gegen die sog. Standortbescheinigung zur Errichtung der Mobilfunkanlage vorzugehen. Dies verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Das FG habe schließlich zu Unrecht die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nicht für ausreichend gehalten. Im Übrigen wäre es noch während des Klageverfahrens möglich gewesen, ein etwaiges amtsärztliches Attest nachzureichen.
Das Urteil des FG sei außerdem verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, so dass die Revision auch nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen sei. Das FG habe seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) und den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 2 GG) verletzt. Das FG habe ihren mündlichen und schriftlichen Antrag übergangen, die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe und des Verwaltungsgerichts Baden-Württemberg zu der (erfolglos gebliebenen) Klage ihrer Nachbarn gegen die Errichtung der Mobilfunkantenne beizuziehen und auszuwerten. Wenn das FG Vorbringen zur Schädlichkeit von Mobilfunkstrahlen nicht für ausreichend gehalten habe, hätte es die angebotenen Beweise erheben und bzw. Sachverständige hören müssen.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).
1. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO) kommt mangels Klärungsbedürftigkeit der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen nicht in Betracht.
a) Die Grundsätze zur Abziehbarkeit von Aufwendungen zur Abwehr umweltbedingter Gesundheitsgefährdungen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind durch die Rechtsprechung des BFH geklärt.
Gehen von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs konkrete Gesundheitsgefährdungen aus, entstehen die Aufwendungen zur Beseitigung dieser Gefährdung dem Steuerpflichtigen nach der Rechtsprechung des Senats aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig (§ 33 Abs. 2 EStG) und sind deshalb grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abziehbar (, BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240 —Aufwendungen für die Asbestsanierung der Außenfassade eines Wohnhauses—, und vom III R 52/99, BFHE 199, 287, BStBl II 2002, 592 —Aufwendungen für den Austausch mit Formaldehyd verseuchter Möbel—). Die von den Gegenständen ausgehende konkrete Gesundheitsgefährdung ist durch ein vor Durchführung der Beseitigungsmaßnahmen erstelltes amtliches technisches Gutachten nachzuweisen. Sind durch Gesetz oder Verordnung bestimmte Grenzwerte festgelegt, ab denen bestimmte von einem Gegenstand ausgehende Emissionen (z.B. Formaldehydemissionen) als schädlich für die Gesundheit beurteilt werden, ist eine konkrete Gesundheitsgefährdung anzunehmen, wenn nach dem Gutachten die Grenzwerte überschritten werden. Liegen die Werte darunter, ist der Kausalzusammenhang zwischen gesundheitlicher Beeinträchtigung und Schadstoffbelastung zusätzlich durch ein vor der Anschaffung erstelltes amtsärztliches Zeugnis zu belegen (Senatsurteil in BFHE 199, 287, BStBl II 2002, 592).
Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Kosten zur Beseitigung von Gefährdungen, die von existenznotwendigen Gegenständen des Steuerpflichtigen ausgehen, sondern ebenso für Aufwendungen zur Abwehr von Gesundheitsbeeinträchtigungen durch technische Anlagen anderer Personen wie hier die Mobilfunkanlage eines Mobilfunkbetreibers. Werden Aufwendungen für Schutzmaßnahmen gegen Mobilfunkwellen als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht, ist daher eine konkrete Gesundheitsgefährdung anzunehmen, wenn durch ein vor Beginn der Schutzmaßnahmen erstelltes amtliches technisches Gutachten nachgewiesen wird, dass die gesetzlichen Grenzwerte für die Mobilfunkstrahlung überschritten werden. Liegen die Werte darunter, ist zusätzlich durch ein vor Beginn der Maßnahmen eingeholtes amtsärztliches Gutachten zu belegen, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die Strahlung der Mobilfunkanlage verursacht worden sind.
Soweit die Klägerin aufgrund der eingereichten ärztlichen Bescheinigungen die Vorlage eines amtsärztlichen Attests —unter Hinweis auf die Kommentierung von Heger in Blümich/Heger (§ 33 EStG Rz 175)— für verzichtbar hält, ist dieses Vorbringen gleichfalls nicht geeignet, die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu rechtfertigen. Heger verweist auf die Rechtsprechung des Senats, nach der ein amtsärztliches Gutachten dann entbehrlich ist, wenn sich die medizinische Notwendigkeit aus anderen amtlichen Unterlagen offensichtlich ergibt (Senatsurteil vom III R 52/93, BFHE 178, 81, BStBl II 1995, 614 —Bescheinigung und Zuschuss einer gesetzlichen Krankenkasse—) oder die medizinische Notwendigkeit ganz eindeutig ist, wie bei der Unterbringung in einer betreuten Wohngemeinschaft (Senatsurteil vom III R 24/01, BFHE 199, 296, BStBl II 2002, 567). Mit diesen Ausnahmefällen ist der Streitfall nicht vergleichbar.
Im Übrigen geht aus den ärztlichen Bescheinigungen hervor, dass sich die Klägerin erst seit Beginn des Jahres 2004 in ärztlicher Behandlung des attestierenden Internisten befindet. Die geltend gemachten Aufwendungen betreffen indes Schutzmaßnahmen, die bereits im Streitjahr 2001 ergriffen wurden. Schon wegen des fehlenden zeitlichen Zusammenhangs können die fachärztlich bescheinigten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin nicht ihren Gesundheitszustand vor Durchführung der Schutzmaßnahmen gegen die Mobilfunkstrahlung belegen. Ferner lässt sich den ärztlichen Attesten auch deshalb keine Verbindung zwischen den Mobilfunkwellen und dem Gesundheitszustand der Klägerin entnehmen, weil sie zum Zeitpunkt der ärztlichen Behandlung im Jahr 2004 infolge der im Streitjahr 2001 durchgeführten Abwehrmaßnahmen nach eigenem Vortrag gegen die Mobilfunkwellen bereits geschützt war.
b) Soweit die Klägerin eine Verletzung der in Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20a GG verankerten Grundrechte rügt, ist die Beschwerde bereits unzulässig.
Die Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO sind nur ordnungsgemäß dargelegt i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO, wenn sich der Beschwerdeführer im Hinblick auf den behaupteten Verfassungsverstoß mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) inhaltlich substantiiert rechtlich auseinandersetzt. Lediglich allgemein gehaltene Ausführungen wie im Streitfall genügen diesen Anforderungen nicht (vgl. Senatsbeschluss vom III B 59/04, BFH/NV 2005, 1081).
c) Auch die von der Klägerin zitierte Entscheidung des EGMR in NJW 2005, 3767 rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung oder zur Fortbildung des Rechts nicht.
Insoweit genügt die Beschwerde gleichfalls nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Es ist weder hinreichend dargetan noch ersichtlich, in welchem Zusammenhang die genannte Entscheidung, die sich mit dem Schutz vor nächtlichem Diskolärm befasst, mit der einkommensteuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen für Schutzmaßnahmen gegen Mobilfunkwellen als außergewöhnliche Belastung steht.
2. Die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmängel führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision.
a) Das FG hat seine Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 FGO nicht verletzt.
aa) Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das Übergehen von etwaigen Beweisanträgen kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin die unterlassene Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt hat.
Die Verletzung der Sachaufklärungspflicht gehört zu den verzichtbaren Verfahrensmängeln (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung —ZPO—). Das Rügerecht geht aber nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom III B 119/05, BFH/NV 2006, 1844). Hat das FG die beantragten Beweise weder vorher noch in der mündlichen Verhandlung erhoben, muss dieses Unterlassen im Termin der mündlichen Verhandlung gerügt und entsprechend zu Protokoll erklärt werden.
bb) Soweit die Klägerin rügt, das FG hätte unabhängig von einem entsprechenden Beweisantrag von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, ist die Beschwerde unzulässig. Die Klägerin hat diesen Zulassungsgrund gleichfalls nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO hinreichend dargelegt.
Zur ordnungsgemäßen Rüge bedarf es der Darlegung, welche Tatsachen das FG hätte aufklären müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und aus welchen Gründen sich dem FG unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunktes die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 1844). Im Streitfall fehlt es insbesondere an dem Vortrag der Klägerin, weshalb sich dem FG das Erfordernis der Einholung von Beweisangeboten über die Schädlichkeit von Mobilfunkstrahlen bzw. von Sachverständigengutachten hätte aufdrängen müssen. Dies wäre angesichts der materiellen Rechtsauffassung des FG, es fehle schon an einem unabdingbaren vor Durchführung der Maßnahmen erstellten amtlichen Gutachten zur Gesundheitsgefährdung durch Mobilfunkstrahlen sowie an einem entsprechend vorher eingeholten amtsärztlichen Attest zu konkreten Gesundheitsschäden bei der Klägerin, besonders angezeigt gewesen.
cc) Die von der Klägerin behauptete Verletzung rechtlichen Gehörs ist gleichfalls nicht gegeben.
Rechtliches Gehör wird den Beteiligten dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zu Grunde gelegt werden
soll. Das rechtliche Gehör bezieht sich vor allem auf Tatsachen und Beweisergebnisse (vgl. § 96 Abs. 2 FGO); darüber hinaus darf das FG seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt nur stützen, wenn die Beteiligten zuvor Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen (§ 155 FGO i.V.m. § 139 Abs. 2 ZPO). Im Streitfall ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Klägerin in diesem Sinne kein rechtliches Gehör gewährt worden wäre. Vielmehr ist die Rechtssache ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem FG mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert worden.
Fundstelle(n):
SAAAC-40972