Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 238 Abs. 2; ZPO § 238 Abs. 2 Satz 1; ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4; ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1
Instanzenzug: AG Neuss 81 C 5401/04 vom LG Düsseldorf 22 S 543/05 vom
Gründe
I. Die Kläger nehmen die Beklagte aus einem Reisevertrag auf Minderung des Reisepreises und Schadensersatz in Anspruch. Das Amtsgericht Neuss hat die Beklagte in Höhe eines anerkannten Betrages von 174,40 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Urteil ist den Klägern am zugestellt worden. Die an das Amtsgericht Neuss adressierte Berufungsschrift der Kläger ist bei diesem am eingegangen und lag der zentralen Eingangsgeschäftsstelle für Zivilsachen am vor. Am wurde die Berufungsschrift mit der Verfügung "Eilt sehr" an das Landgericht Düsseldorf weitergeleitet, bei dem sie am eingegangen ist. Am haben die Kläger erneut Berufung eingelegt, diese begründet und Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist beantragt.
Das Landgericht hat die Berufung mit Beschluss vom als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger.
II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (vgl. Sen.Beschl. v. - X ZB 45/03, NJW-RR 2004, 1717; vgl. BVerfGE 79, 372, 376 f.; BVerfG NJW-RR 2002,1004). Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht geltend macht, hat das Berufungsgericht die Berufung der Kläger als unzulässig verworfen, ohne über deren Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden. Da der Verwerfungsbeschluss weder ausdrücklich noch aus dem Gesamtzusammenhang erkennen lässt, dass das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag zur Kenntnis genommen und über ihn entschieden hat und die Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch auch nicht nachgeholt hat (vgl. dazu Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 238 ZPO Rdn. 1), ist der Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
2. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Gewährung der beantragten Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist. Damit ist der angefochtene Beschluss, mit dem die Berufung als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos.
a) Die Rechtsbeschwerde wendet sich in der Sache nicht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Frist zur Einlegung der Berufung (§ 517 ZPO) versäumt worden ist. Das Urteil des Amtsgerichts ist den Klägern am zugestellt worden, so dass die Berufungsfrist am , einem Montag, ablief. Die Berufungsschrift ist erst am beim Berufungsgericht eingegangen, also nach Fristablauf.
b) Insoweit ist den Klägern auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist zu gewähren.
Ein Gericht, bei dem das Verfahren anhängig gewesen ist, ist gehalten, fristgebundene Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren, die bei ihm eingereicht werden, an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Ist ein solcher Schriftsatz so zeitig eingereicht worden, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, ist der Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Schriftsatz nicht rechtzeitig an das Rechtsmittelgericht gelangt (vgl. , NJW 1995, 3173; , NJW 2001, 1343; , NJW-RR 2000, 1730; , NJW-RR 2004, 1655, jew. m.w.N.). In diesem Fall wirkt sich ein durch die falsche Adressierung des Schriftsatzes seitens der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten verursachter verspäteter Eingang der Rechtsmittelschrift beim zuständigen Gericht nicht mehr aus.
Im Streitfall hat der für das erstinstanzliche Verfahren zuständige Richter die Berufungsschrift unverzüglich, nämlich am Tag nach dem Eingang des Schriftsatzes bei der zentralen Eingangsgeschäftsstelle des Amtsgerichts, an das Berufungsgericht weitergeleitet. Der Schriftsatz befand sich jedoch mehrere Werktage vom 19. Oktober bis zum im Verantwortungsbereich des Amtsgerichts Neuss, bis die Weiterleitung an das zuständige Berufungsgericht veranlasst worden ist. Bei dieser Sachlage ist die Berufungsschrift so zeitig bei dem unzuständigen Gericht eingegangen, dass mit einer fristgerechten Weiterleitung an das Berufungsgericht (noch) gerechnet werden konnte.
c) Da den Klägern nach dem Akteninhalt Wiedereinsetzung ohne weiteres zu gewähren ist, kann der Senat, obwohl nach § 238 Abs. 2 ZPO die Entscheidung über die Wiedereinsetzung zunächst das Berufungsgericht zu treffen hat, über den Wiedereinsetzungsantrag selbst entscheiden (vgl. , VersR 1993, 500; Beschl. v. - VI ZB 8/85, NJW 1985, 2625 jew. m.w.N.; vgl. auch Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 237 ZPO Rdn. 2). Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da über die Kosten der Wiedereinsetzung erst in der Endentscheidung über die Hauptsache zu erkennen ist, was sich auch auf die Kosten einer erfolgreichen Beschwerde erstreckt (, NJW 2000, 3284; Beschl. v. - XII ZB 33/05, NJW 2006, 693).
Fundstelle(n):
GAAAC-40616
1BGHZ: nein; BGHR: nein