Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 267 Abs. 5 Satz 1; StGB § 261
Instanzenzug: LG Hagen vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten von den Vorwürfen der Geldwäsche in neun Fällen und des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer hiergegen gerichteten Revision die Verletzung sachlichen Rechts.
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
1. Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage hatte dem Angeklagten Folgendes zur Last gelegt:
Er sei zwischen Juli 1994 und Juni 1995 Mitglied einer Bande um die gesondert verfolgten britischen Staatsangehörigen W. , B. und T. gewesen, die sich damit beschäftigten, große Mengen Betäubungsmittel, insbesondere Cannabis-Harz und Ecstasy-Tabletten getarnt als Stahllieferung von Deutschland nach England auszuführen. Dabei habe der Angeklagte seine Kenntnisse und Beziehungen im Stahlhandel genutzt, um Transporte von Stahlplattenbündeln, in welchen Aussparungen zur Aufnahme von Betäubungsmitteln vorhanden waren, in Deutschland in Empfang zu nehmen, zu lagern und wieder nach Großbritannien zurückzusenden. Darüber hinaus habe er Gelder aus Drogengeschäften der Bande in Form von britischen Pfundnoten in kleinen Scheinen von den genannten britischen Staatsangehörigen entgegengenommen und sie in Kenntnis ihrer Herkunft für eigene Zwecke verwandt. In der Zeit vom 19. Januar bis zum habe er bei der Stadtsparkasse (Fälle 1 bis 4 der Anklage) und der Dresdner Bank in (Fälle 5 bis 9 der Anklage) größere Beträge von Pfundnoten in DM umgetauscht.
Am habe der Angeklagte im Zusammenwirken mit den gesondert verfolgten britischen Mittätern den Transport von 497,8 kg Cannabis-Harz und von 143,4 kg Ecstasy-Tabletten (etwa 500.000 Stück) mit einem Wirkstoffgehalt zwischen 20 und 35 % MDME- bzw. MDE-Hydrochlorid organisiert. Die Betäubungsmittel seien in hierfür geschaffenen Aussparungen von Stahlplattenbündeln versteckt worden. Den Transport der Stahlplatten von Hagen nach Stallingborough in Großbritannien habe der Angeklagte organisiert. Nach der Entdeckung des Inhalts der Stahlplattenbündel durch die britischen Zollbehörden seien die Betäubungsmittel kontrolliert bis zum Bestimmungsort durchgeleitet worden, wo die Mittäter C. und T. bei dem Versuch, die Betäubungsmittel zu entladen, festgenommen worden seien (Fall 10 der Anklage).
2. Das Landgericht hat den in der Hauptverhandlung zu den Tatvorwürfen schweigenden Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
II.
Die Freisprüche begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Die Ausführungen des Landgerichts werden schon den gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellenden Anforderungen nicht gerecht.
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen nicht getroffen werden können. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind (st. Rspr., vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 10; BGH wistra 2004, 105, 109 jew. m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.
Das Landgericht hat nach der Mitteilung der Anklagevorwürfe in einem besonderen Abschnitt zwar den Sachverhalt dargestellt, von dem es nach den "Feststellungen" ausgegangen ist. Als erwiesen angesehen hat es danach aber im Wesentlichen nur die dort genannten Beweistatsachen zur Bearbeitung von Stahlplatten im Auftrag des Angeklagten, zu dessen finanzieller Situation sowie zu dem Umwechseln von Pfundnoten. Soweit in der Sachverhaltsschilderung unter wörtlicher Übernahme von Teilen des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen der Anklageschrift der Gang der Ermittlungen nach der Sicherstellung der in Stahlbündeln versteckten Betäubungsmittel in Großbritannien sowie Ergebnisse der "nachfolgenden Ermittlungen" und "weiterer Ermittlungen" der britischen und deutschen Behörden mitgeteilt werden, bleibt dagegen weitgehend unklar, welche der Beweistatsachen das Landgericht als erwiesen angesehen hat. Soweit die den Angeklagten belastende Aussage des in seinem Strafverfahren wegen illegaler Einfuhr und Handel mit Cannabis und Ecstasy zu einer Haftstrafe von 52 Jahren verurteilten Lawrence W. vor dem Crown Court in Leicester mitgeteilt wird, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, ob und inwieweit das Landgericht diese Aussage für glaubhaft erachtet hat.
2. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 m.w.N.). Insbesondere sind die Beweise auch erschöpfend zu würdigen (BGHSt 29, 18, 20). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11). Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung auch dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (BGHR § 261 Beweiswürdigung 16 m.w.N.; BGH NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (BGH NStZ 2004, 35, 36 m.N.).
Dem wird die Beweiswürdigung ebenfalls nicht gerecht.
a) Sie ist lückenhaft, weil das Urteil nicht erkennen lässt, dass das Landgericht alle Umstände, die nach den mitgeteilten Beweisergebnissen geeignet sind, die Entscheidung zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, in seine Überlegungen einbezogen hat. So hat das Landgericht bei der Darstellung der für die "Schuld" des Angeklagten sprechenden "Gesichtspunkte und Beweisergebnisse", die nach seiner Auffassung auch in ihrer Gesamtheit nicht die sichere Überzeugung zu vermitteln vermögen, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Taten begangen hat, wesentliche Umstände außer Acht gelassen, die für eine Beteiligung des Angeklagten an Drogengeschäften der englischen Tätergruppe sprechen. Dies gilt insbesondere für den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem ersten "Stahltransport" am und dem Umtausch von Pfundnoten durch den Angeklagten im Fall 2 der Anklage, dem - nach den Unterlagen des Alan B. - fünften "Stahltransport" am und dem Devisenumtausch im Fall 3 der Anklage sowie dem elften "Stahltransport" am , der Ankunft des Lawrence W. in Düsseldorf am und dem Umtausch von Pfundnoten in den Fällen 6 bis 9 der Anklage.
Der Erörterung bedurft hätte ferner, dass nach dem vom Landgericht zugrundegelegten Sachverhalt die durch den Transport verursachten Kosten jeweils den Wert der Stahlplattenbündel bei weitem überstiegen, ausweislich der bei Paul T. sichergestellten Abrechnungen bei einem der Transporte aber ein Rohgewinn von etwa 132.000 Pfund erzielt wurde. Dies deutet darauf hin, dass bei den Transporten, bei denen nach den sichergestellten Unterlagen ein entsprechender Gewinn erzielt wurde, in den Stahlplattenbündeln - ebenso wie im Fall 10 der Anklage - Betäubungsmittel transportiert wurden und dass der Angeklagte, zumindest soweit er zeitnah Pfundnoten umtauschte, an den jeweiligen Transporten als Mittäter oder zumindest als Gehilfe beteiligt war. Wäre er an früheren Transporten beteiligt gewesen, läge es nach den gesamten Umständen nahe, dass dies auch für den letzten Transport vom 6./ zutrifft.
b) Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung aber auch deshalb, weil das Landgericht, soweit es im Rahmen der Beweiswürdigung auf die den Angeklagten belastende Umstände eingegangen ist, unterlassen hat, diese zusammenfassend in einer Gesamtschau zu würdigen (vgl. BGH NStZ 1998, 265, 266 m.N.). Der formelhafte Hinweis des Landgerichts, diese Umstände reichten "auch in ihrer Gesamtheit" nicht aus, ihm eine "sichere Überzeugung" zu vermitteln, vermag die gebotene Gesamtwürdigung nicht zu ersetzen (vgl. BGH NStZ 1998, 475).
c) Die Erwägungen des Landgerichts zu den Umständen, die nach seiner Auffassung Zweifel an einer Beteiligung des Angeklagten an von der Bande um Lawrence W. durchgeführten Transporten von Betäubungsmitteln begründen, lassen im Hinblick auf die den Angeklagten belastenden Beweisergebnisse zudem besorgen, dass es überspannte Anforderungen an die zu einer Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat. Dies gilt insbesondere für die Erwägung, die Beträge, die der Angeklagte in den Fällen 1 bis 9 der Anklage umgetauscht habe, stünden in keinem Verhältnis zu den nach den Abrechnungen auf ihn entfallenden Gewinnbeträgen. Dies wäre ein entlastendes Indiz nur dann, wenn feststünde, dass die in den Abrechnungen als Gewinn genannten Beträge jeweils in englischen, irischen oder schottischen Pfundnoten direkt an die als "F." bezeichnete Person ausgezahlt wurden, der Angeklagte in der fraglichen Zeit jedoch nur die von ihm umgetauschten Pfundnoten in Besitz hatte. Dafür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte. Es ist deshalb weder nach dem Zweifelsgrundsatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten zu unterstellen, er habe keine weiteren Pfundnoten in Besitz gehabt und könne daher nicht die in den Abrechnungen als "F." bezeichnete Person sein (vgl. BGH NStZ 2004, 35, 36; ). Gleiches gilt für die Erwägung, gegen eine Beteiligung des Angeklagten an den "Stahltransporten" spreche, dass für Kontakte des Angeklagten "zu den englischen Drogenschmugglern" für die Zeit ab November 1994 keine Erkenntnisse vorlägen. Insoweit sind die Urteilsausführungen zudem widersprüchlich, denn im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung wird mitgeteilt, die Ermittlungen hätten ergeben, dass Lawrence W. bei seinem Aufenthalt in Deutschland "gelegentlich" Kontakt zu dem Angeklagten gehabt habe (UA 13).
III.
Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils. Für die neue Hauptverhandlung wird auf folgendes hingewiesen:
Eine Verurteilung des Angeklagten wegen Geldwäsche in den Fällen 1 bis 9 der Anklage, kommt, sofern die Tatbestandsvoraussetzungen des § 261 StGB vorliegen, nur dann in Betracht, wenn der Angeklagte an der jeweiligen Tat, aus der die Pfundnoten herrühren, nicht beteiligt war (§ 261 Abs. 9 Satz 2 StGB) oder wenn eine solche Beteiligung ungewiss ist (vgl. BGH NStZ 1995, 500; BGH NJW 2000, 3725). Sollte der neue Tatrichter zu der Überzeugung gelangen, dass der Angeklagte an einem oder mehreren der von der Gruppe um Lawrence W. in der Zeit von Juni 1994 bis Ende Mai 1995 durchgeführten Drogentransporte beteiligt war und dass die von ihm umgetauschten Pfundnoten aus diesen Taten herrührten, käme nur eine Verurteilung jeweils wegen (bandenmäßigen) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Betracht. Die abweichende rechtliche Wertung in den Fällen 1 bis 9 der Anklage als Geldwäsche stünde nicht entgegen. Vielmehr bildet jeweils der gesamte im Anklagesatz und im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen beschriebene Lebensvorgang den Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung (§ 264 StPO). Der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft richtet sich hier ersichtlich auch auf eine Bestrafung des Angeklagten wegen einer Beteiligung an den Vortaten, aus denen die in der Anklageschrift genannten Devisen herrühren (vgl. BGHSt 43, 96, 100; zur Geldwäsche: BGH NStZ 1995, 500).
Fundstelle(n):
RAAAC-39358
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